War was? Gans entspannt
Weil eine Gänsefamilie die Autobahn überqueren will, sperrt die Polizei kurzerhand die A67 bei Rüsselsheim. War was? findet: Das ist genau die Art Entschleunigung, die es braucht.
Hessen, das Bundesland, in dem immer was los ist. An dieser Stelle wirft unser Kolumnist Stephan Reich mit seiner Glosse "War was?" jeden Freitag einen ganz eigenen Blick auf die Nachricht der Woche. Nehmen Sie diesen Blick bitte auf keinen Fall ernst.
Sie müssten mich mal Auto fahren sehen. Nicht falsch verstehen, ich bin ein guter Fahrer. Aber alle anderen ja leider nicht. Weswegen ich hinterm Steuer manchmal wirke wie ein nicht-muskulöser, nicht-grüner Hulk: Ich bin ungeduldig, werde wütend, schimpfe auf dieses und jenes und vor allem auf die Schnecke da vorne maaan faaaaahr doch, ey!
Umso schöner fand ich die Geschichte der A67-Küken in dieser Woche. Bei Rüsselsheim wollte nämlich eine Gänsefamilie die Autobahn überqueren, was sicherlich fürchterlich schiefgegangen wäre. Weil aber ein paar aufmerksame und offensichtlich tierliebe Menschen die Polizei verständigten, rückte diese an und sperrte kurzerhand die Autobahn, damit die Tiere gerettet werden konnten und während ich diese Sätze schreibe, sehe ich vor meinem inneren Auge diese Eröffnungssequenz von Disney-Filmen mit dem Schloss und der Sternschnuppe, hach.
Ich finde, das ist genau die Art und Weise von Entschleunigung, die es braucht. Eine Zwangspause vom stressigen Autofahren, damit süße Gänsebabys zu ihrem Recht kommen, nämlich fröhlich im nächstgelegenen Teich zu plantschen.
Würde ich etwas brüllen wie beispielsweise "Du Schnecke da vorne maaan faaaaahr doch, ey!", wenn ich wüsste, dass der Fahrstil des Vordermanns nur wegen einer Gänsebaby-Rettungsaktion so gemächlich ist? Wahrscheinlich nicht. Ich würde mich zurücklehnen und zufrieden und verträumt an plantschende Gänsebabys denken.
Gans viel Entschleunigung
Die Polizei musste die Küken übrigens in einer Kiste zum See tragen, wo sie dann mit den Eltern "glücklich vereint" wurden. Die A67 war knapp 15 Minuten gesperrt, die wartenden Autofahrer reagierten nach Angaben der Polizei geduldig und hatten Verständnis für die Gansrettung.
Was mir zeigt: Es braucht mehr Tierbabys im Verkehr, mehr niedliche Interventionen, mehr Gänse-Entschleunigung ganz generell, wahrscheinlich auch abseits des Verkehrs.
Hier, ein niedliches Katzenbaby
Das Leben ist ja schließlich auch außerhalb eines Autos stressig genug, all die Hektik, der Ärger, die allgemein miese Weltlage. Wie toll wäre es da, würde man immer mal wieder durch allerlei Niedlichkeiten zum Innehalten gezwungen.
Die Präsentation für den Chef für morgen ist noch nicht fertig und Sie müssen eine Nachtschicht einlegen? Ärgerlich, klar, aber nur halb so schlimm, wenn neben Ihnen ein kleiner Golden Retriever in seinem Körbchen liegt und im Traum mit den Beinchen zuckt.
Sie streiten sich im Internet schon wieder seit einer halbe Stunde mit irgendeinem Fremden? Kein Problem, hier ist ein niedliches Katzenbaby, das jetzt über Ihre Tastatur läuft und den Laptop ausschaltet, während es sich auf den Rücken dreht und am Bauch gestreichelt werden will.
Der Traum vom Vögelchen in der Tasche
Die Bahn hat schon wieder Verspätung? Füttern Sie doch das kleine Vögelchen, das ab sofort in der Innentasche Ihrer Jacke lebt und immer mal Tschilp-Tschilp macht. Und so weiter, und so fort.
Ganz so einfach ist es wahrscheinlich nicht. Der Artikel zu den Gänsebabys findet auf unserer Seite beispielsweise direkt neben einem Text zu einer Geldautomatensprengung statt. Da sehe ich jetzt nicht unbedingt ein Szenario, in dem ein paar Gansbabys die Geldautomatensprengung ein wenig stressfreier für die Hausbewohner machen.
Oder die Glosse, die ich in diesem Moment schreibe, bald muss ich sie abgeben, aber mir fällt partout keine Pointe zum Abschluss ein. Und ein niedliches Katzenbaby, das jetzt über meine Tastatur läuft und den Laptop einfach ausschaltet, habe ich leider auch nicht.