War was? Swatt soll das denn?

Ein asozialer, neuer Trend: Menschen rufen den Notruf, ohne dass wirklich etwas passiert ist. War was? fragt sich: Was ist denn aus der guten alten Klingelpost geworden?

Foto von zwei Polizisten, die draußen vor einer Haustür stehen. Auf dem Bild eine kleine, farbige Grafik mit dem Schriftzug "war was?".
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Hessen, das Bundesland, in dem immer was los ist. An dieser Stelle wirft unser Kolumnist Stephan Reich mit seiner Glosse "War was?" jeden Freitag einen ganz eigenen Blick auf die Nachricht der Woche. Nehmen Sie diesen Blick bitte auf keinen Fall ernst.

Ich bin ja ein großer Fan von gelungenen Streichen. Vor einigen Jahren kickte ich wöchentlich mit ein paar Freunden auf einem Ascheplatz und einer der Mitspieler meinte, er wolle eine E-Mail an die Stadt schreiben, damit der arg löchrige Platz mal renoviert würde. Wie es der Zufall so wollte, wurde wenige Wochen darauf der Platz tatsächlich renoviert, was mit der E-Mail aber nichts zu tun hatte. Und wie es ein weiterer Zufall so wollte, war das auch noch in der Woche vor dem 1. April.

Also setzte ich mich zuhause an den PC, kopierte Logo und Briefkopf des Grünflächenamtes und schrieb meinem Kumpel eine Rechnung über knapp 7.000 Euro, komplett mit förmlichem Anschreiben, fingierter Kostenaufstellung, Produktname und Volumen der verwendeten Asche, Arbeitszeit, erfundenem Ansprechpartner im Amt samt Durchwahl, die ins Nichts führte, Überweisung bitte innerhalb von zwei Wochen, mit freundlichen Grüßen. Das "April, April" sparte ich mir für später auf.

Plötzlich mitten in einer Folge Cobra 11

Ein ziemlich fieser Streich und - ich würde behaupten - meine persönliche Grenze an Fiesheit. Will sagen: Ich habe eine gewisse Schmerzgrenze, wenn es um Streiche geht. Was deutlich jenseits dieser Grenze liegt, ist: Ein mit Maschinenpistolen die Tür eintretendes Spezialeinsatzkommando der Polizei, das einen zu Boden reißt und einem das Knie in den Rücken drückt, um eine mögliche Gefahrenlage zu beenden. Äh, April, April? Wohl kaum.

So ungefähr geht der "Streich", der einem neuen Trend zugrunde liegt, von dem ich diese Woche erstmals hörte: das sogenannte Swatting. Dabei werden falsche Notrufe abgesetzt, die zur Folge haben, dass sich jemand unvermittelt inmitten einer Folge Cobra 11 wiederfindet. So geschehen etwa letztens in Frankfurt, als die Polizei zu einem angeblichen Amoklauf in einer Moschee gerufen wurde und dann schwer bewaffnet anrückte, nur um die Teilnehmenden eines friedlichen Gottesdienstes vorzufinden und diese vermutlich schwer zu traumatisieren. Was haben wir gelacht, nicht wahr? Nein, haben wir nicht.

Tut es nicht auch eine Wasserbombe?

Ich komme ja seit einer Weile schon nicht mehr so richtig bei den Trends der jungen Leute mit. Erstmals irritiert war ich damals beim "Planking", dieser Trend, bei dem sich Kids kerzengerade an außergewöhnliche Orte legten und sich dann fotografieren ließen. Was zu zahlreichen Toten führte, weil ständig irgendjemand irgendwo runterfiel. Oder zuletzt das "Extreme Phone Pinching", ein Trend, bei dem man sein Smartphone mit den Fingerspitzen über einen Abgrund oder Ähnliches hält, für den "Nervenkitzel", ob es vielleicht doch runterfällt. Ich sag mal so: Jetzt habe ich mir aus Recherchezwecken gerade ein Youtube-Video dazu angesehen und nun möchte ich mein Smartphone auch in irgendeinen Abgrund werfen.

Vielleicht sind alle Trends, die auf "Ing" enden, einfach dämlich. "Swatting" ist es in jedem Fall, und das noch mehr als "Planking" oder 1.000-Euro-Smartphone-Wegwerfing, schließlich gefährdet man andere, nicht sich selbst oder sein Handy. Was ist denn eigentlich aus der guten alten Klingelpost geworden? Oder mal eine Wasserbombe werfen?

Furzkissen an Kids verteilen

Vielleicht sollte die Stadt Furzkissen an gelangweilte Kids verteilen, oder gleich kleine Streiche-Care-Pakete mit diesen Fingerfallen-Kaugummi-Verpackungen oder Wasserspritz-Blumen fürs Revers, wie sie Clowns manchmal tragen, um den jungen Leuten eine sozialverträglichere Alternative fürs "Swatting" oder sonstige "Ings" nahezulegen. Immerhin: "Swatting" steht unter Strafe, in Bayern wurde jemand deswegen für drei Jahre verknackt.

Übrigens: Ein, zwei Tage ließ ich meinen Kumpel damals schmoren, es war Ostern, weswegen er nicht einfach im Amt anrufen konnte, um die Sache zu klären. Ich fand das alles super witzig, er aber saß über Ostern mit seinem Vater und einem befreundeten Anwalt zusammen und plante, mit der Sache an die Presse zu gehen. Seither habe ich meine persönliche Grenze an Fiesheit ein wenig runtergeschraubt. Den Scherz zurückgezahlt hat er mir übrigens nie. Ich hoffe, er liest diesen Text nicht und kommt auf dumme Gedanken.

Quelle: hessenschau.de