Unmut bei Landwirten Warum neben einem Logistikzentrum die Felder unter Wasser stehen
Vor Jahren wurden in Dieburg 15 Hektar Fläche für ein Logistikzentrum versiegelt. Nun stehen die Felder angrenzender Landwirte immer öfter unter Wasser. Die Überschwemmungen haben mehrere Ursachen.
Der letzte starke Regen ist bereits ein paar Tage her, doch immer noch steht das Wasser teils handbreithoch auf den Feldern von Familie Sauerwein aus Münster (Darmstadt-Dieburg). Eigentlich müssten sie jetzt die Äcker für die Aussaat des Getreides vorbereiten, doch dafür ist es viel zu nass. Jeder Traktor würde im Matsch stecken bleiben.
"In diesem Jahr war es wegen des anhaltenden Regens besonders extrem", sagt Ingeborg Sauerwein, die zusammen mit ihrem Mann Günter einen Hofladen betreibt, in dem sie Lebensmittel aus eigenem Anbau verkaufen.
15 Hektar Fläche versiegelt
Doch schon in den vergangenen Jahren hatten die Sauerweins wie auch benachbarte Bauern vermehrt mit Wasser auf den Feldern zu kämpfen. Ziemlich genau seit fünf Jahren, sagt Frau Sauerwein. Denn da hat die Firma Fiege in direkter Nachbarschaft zu den Feldern eine große Logistikhalle gebaut und rund 150.000 Quadratmeter Fläche versiegelt.
Für die Sauerweins steht fest: Die Halle ist schuld, dass ständig Wasser auf den Feldern steht. "Wenn es regnet, läuft das Wasser vor allem vom Parkplatz direkt auf die Felder", so Günter Sauerwein. Das Wasser vom Dach der großen Halle werde zwar in einem Becken aufgefangen, "aber auch das läuft immer mal wieder über".
Biotope mussten weichen
Vor dem Bau der Halle sei das Wasser auf dem etwas tiefer gelegenen Gelände in den Biotopen und in einer alten Kiesgrube versickert, jetzt suche es sich eben einen anderen Weg – und zwar direkt auf die Felder, erklärt Herr Sauerwein: "Das haben wir schon vor dem Bau der Halle befürchtet." Das Ehepaar hatte damals erfolglos gegen den Bau des Logistikzentrums geklagt.
Die Firma Fiege unterdessen sieht keinen direkten Zusammenhang zwischen dem Logistikzentrum und den aktuellen Überschwemmungen auf den Feldern. Beim Bau der Halle seien zahlreiche Regen-Rückhaltebecken gebaut und Ausgleichsflächen geschaffen worden. Zudem gebe es eine regulierte Wasserrückführung. "Alle Auflagen und Vorgaben der Stadt wurden entsprechend umgesetzt", teilte ein Unternehmenssprecher auf Anfrage mit.
Wasser kann nicht abfließen
Es lässt sich allerdings schwer von der Hand weisen, dass die Flächenversieglung durch die Firma Fiege die aktuelle Situation begünstigt hat. Allerdings ist sie nur ein Teil des Problems. Große Teile des Wassers leitet Fiege über einen sogenannten Banngraben ab, den sie auf ihrem Gelände eingerichtet hat und der an der Grundstücksgrenze an den alten, bereits vorhandenen Banngraben anschließt.
Genau dieser Banngraben ist ein weiterer wichtiger Faktor. Denn ab der Grundstücksgrenze ist nicht mehr die Firma Fiege für die Instandhaltung des Banngrabens zuständig, sondern die Stadt Dieburg. Damit das Wasser zuverlässig über den Graben abfließen kann, muss er regelmäßig ausgebaggert und von Gestrüpp und anderen Hindernissen befreit werden.
Stadt Dieburg will Abhilfe schaffen
Das hat im Zuständigkeitsbereich der Stadt in letzter Zeit kaum noch stattgefunden, sodass das Wasser nicht mehr ungehindert abfließen konnte. Das hat die Stadt erkannt und gelobt Besserung: "Wir wollen den Graben in unserem Bereich freischneiden lassen oder selbst freischneiden", sagte Sören Elvert, Leiter des Betriebshofs der Stadt Dieburg, dem hr.
In diesem Zuge könne man zusammen mit der dann zuständigen Unteren Wasserbehörde und Fiege überlegen, ob man die Infrastruktur zur Ableitung des Regenwassers vom Fiege-Gelände noch einmal an die sich ändernden Klimaverhältnisse und damit einhergehenden Zunahme markanter Regenereignisse anpasst. Denkbar wäre zum Beispiel eine Verbreiterung des Banngrabens, so Elvert.
Fiege zeigt sich gesprächsbereit: "Wir sind gerne dazu bereit, in einem konstruktiven Dialog und gemeinsam Ursachenforschung zu betreiben, woher das Problem in diesem Jahr kommt."
Ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren
Dass die Sauerweins immer öfter nasse Füße auf ihren Feldern bekommen, verdanken sie also einem Zusammenspiel aus der Zunahme von starken Regenereignissen, ungepflegter Infrastruktur und großflächiger Bodenversieglung auf einem Gelände, auf dem zuvor das Wasser in Biotopen versickern konnte.
Vorerst müssen die Bauern hoffen, dass es in den nächsten Tagen und Wochen weitestgehend trocken bleibt. "Sonst können wir nicht aufs Feld fahren und das Getreide aussäen", befürchtet Ingeborg Sauerwein. Im schlimmsten Fall fällt die Ernte wortwörtlich ins Wasser.
Sendung: hr4, 30.08.2023, 16.30 Uhr
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