Tiere siedeln sich in Städten an Waschbären im Rhein-Main-Gebiet auf dem Vormarsch

In Nordhessen gehören Waschbären zum Alltag, nun breiten sie sich auch im Rhein-Main-Gebiet merklich aus. Die Tiere machen es sich auf Dachböden und in Garagen bequem oder schlüpfen durch Katzenklappen. Die Waschbären-Population wird in den kommenden Jahren vor allem in den Städten steigen.

Bildkombination: links s/w-Foto einer Wildkamera, die einen Waschbären zeigt, der sich einer Katzenklappe in einer Tür nähert; rechts: Eine ältere Frau zeigt auf eine Katzenklappe in einer Terrassentür.
Durch die Katzenklappe kam der Waschbär ins Haus von Traudel Braun in Frankfurt. Bild © privat, Collage: hessenschau.de
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Traudel Braun aus Frankfurt traut ihren Augen nicht, als sie eines Morgens in ihr Wohnzimmer kommt. Das Sofa ist durchwühlt, die Kissen liegen auf dem Boden, eines ist sogar komplett verdreckt, eine Wärmflasche angeknabbert. "Das kann nicht meine Katze gewesen sein", ist sich die 90-jährige Frankfurterin sicher.

Auch ein Einbrecher scheint ihr unwahrscheinlich. Sie will es genau wissen und so installiert ihr Schwiegersohn eine Nachtsichtkamera. Wenig später macht die Kamera tatsächlich mehrere Schnappschüsse - von einem Waschbären. Offenbar ist der Übeltäter durch die Katzenklappe im Wintergarten des Einfamilienhauses geschlüpft, hat sich den Weg in die Küche zum Katzenfutter gebahnt und ist dann weiter ins Wohnzimmer marschiert.

Ein Nachbar von Traudel Braun im Frankfurter Stadtteil Dornbusch hat kürzlich ein ähnliches Erlebnis. Bei ihm ist ein Waschbär auf den Balkon im zweiten Stock geklettert, hat einen Eimer umgeworfen und sich an den Sitzkissen zu schaffen gemacht. Festgehalten in einem kurzen Handyvideo:

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ein dunkler Streifen - der sich als Flur vor einer Balkontür entpuppt
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Was Traudel Braun und ihr Nachbar erlebt haben, sind keine Einzelfälle, weiß Markus Stifter, Sprecher des Landesjagdverbands Hessen. "Wir merken, dass sich der Waschbär nach Süden hin ausbreitet." War er bislang vor allem in Nordhessen und in Kassel sehr aktiv, treffe man ihn jetzt immer häufiger auch im Rhein-Main-Gebiet an.

Waschbären verstärkt auch im Rhein-Main-Gebiet

"In Städten wie Frankfurt, Wiesbaden oder auch in Darmstadt gibt es eine deutliche Zunahme." Auf hr-Nachfrage bestätigen die Städte Frankfurt und Wiesbaden diese Beobachtung, betonen aber, dass es keine offiziellen Zahlen gibt.

Wie stark sich die niedlich aussehenden Bären mit den braunen Knopfaugen, der schwarzen Maske um die Augen und dem weichen Fell tatsächlich in Hessen ausbreiten, lässt sich statistisch nicht belegen, da weder Städte, noch Kommunen oder die Bundesländer Daten dazu erheben.

Eine Tendenz lasse sich aber indirekt über die Zahl der abgeschossenen Tiere erkennen, erklärt Michael Lierz von der Justus-Liebig-Universität Gießen und Vorsitzender des Arbeitskreises Wildtierbiologie. Diese Zahlen sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen, obwohl es keine nennenswerte Änderung gab hinsichtlich der Jagdberechtigten oder der Jagdgebiete.

Abschusszahlen nehmen zu

Waschbären gelten laut EU-Verordnung als invasive Art und dürfen gejagt werden, um die weitere Ausbreitung zu verhindern. Laut Deutschem Jagdverband hat sich die Zahl der bundesweit erlegten Waschbären in den letzten zehn Jahren verdoppelt. 

In der Saison 2012/13 waren es noch gut 104.000, zehn Jahre später schon gut 202.000 Tiere. In den vergangenen 19 Jahren hat sich die Zahl der abgeschossenen Waschbären deutschlandweit sogar mehr als verachtfacht.

Und auch in den Rhein-Main-Städten Frankfurt und Wiesbaden steigen die Zahlen. In Frankfurt wurden laut der Unteren Jagdbehörde im vergangenen Jahr 100 Tiere gefangen oder erlegt, im Jahr davor waren es noch 62. In Wiesbaden ist die Zahl laut Jagdbehörde in zwei Jahren von 86 auf 146 gestiegen, 36 Waschbären davon wurden im innerstädtischen Bereich gesichtet.

Experte: Waschbären fühlen sich wohl in der Stadt

Die Waschbären fühlen sich in den Städten sehr wohl, das bestätigt auch Uni-Professor Michael Lierz. Der Waschbär sei ein Räuber und Opportunist, der vermehrt auch in den Städten anzutreffen sei. Er finde dort ein großes Angebot an Nahrung, beispielsweise durch Müll und Katzenfutter.

Vor allem in den Außenbezirken, wo die Einfamilienhäuser stehen, suche er sich gute und trockene Schlafplätze auf Dachböden, in Scheunen oder Garagen. Dort fühle er sich besonders wohl. "Deshalb ist die Stadt ein sehr attraktiver Lebensraum für den Waschbären."

Waschbären haben keine natürlichen Feinde

Die ersten Waschbären wurden in Deutschland 1934 am Edersee bei Kassel ausgewildert. Inzwischen gibt es in Deutschland geschätzt rund eine Million Exemplare. Die Erklärung für ihre Vermehrung ist einfach: Waschbären haben hierzulande keine natürlichen Feinde und sie sind ausgesprochen flexibel und anpassungsfähig, erklärt Experte Lierz.

Die Tiere können allerdings zu einem Problem für den Artenschutz werden. Michael Lierz leitet an der JLU Gießen auch die Klinik für Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische und er erforscht, welchen Einfluss Waschbären auf heimische bedrohte Tierarten haben.

Waschbären gefährden heimische bedrohte Tierarten

Wenn beispielsweise seltene Amphibienarten zur Balz- und Laichzeit an einem Ort besonders konzentriert auftreten und der Waschbär das mitbekommt, kann er zur Gefahr werden. "Da findet er den gedeckten Tisch vor", sagt Lierz und könne dann große Schäden vor allem während der Laichzeit verursachen. Da der Waschbär auch gut schwimmen und klettern kann, gefährdet er auch seltene Vogelarten.

Wie kann man den Tieren in der Stadt Herr werden, denn in der Stadt ist das Jagen verboten. "Da braucht es immer eine Einzelgenehmigung", sagt Markus Stifter vom hessischen Landesjagdverband. Umso wichtiger sei es, den Tieren gar nicht erst Anreize zu bieten, in die Städte vorzudringen.

Bitte nicht füttern!

Die Tipps der Städte Frankfurt, Wiesbaden und Offenbach lauten: Keine offenen Mülltonnen, Dachböden und Garagen gut sichern. Und der wichtigste Hinweis: Die Tiere nicht füttern.

"Denn sind sie erst einmal in der Stadt, ist es schwierig sie in den Griff zu bekommen", so Stifter. Die Frankfurterin Traudel Braun wird jetzt jedenfalls immer alle Türen zum Wintergarten geschlossen halten. Ihre Katze muss ab jetzt durch den Keller kommen. "Ich hoffe, dass der Waschbär diesen Weg nicht so leicht findet", sagt die Frankfurterin lachend.

Redaktion: Caroline Wornath

Sendung: hr INFO,

Quelle: hessenschau.de

Ihre Kommentare Haben Sie auch schon Waschbären in den Städten beobachtet?

38 Kommentare

  • Im Juni hatten wir über mehrere Tage zwei Waschbären im Garten
    Sie haben sogar ein Vogelnest in einem Holz-Vogelhäuschen mit Jungen geplündert

  • Mit der Abschaffung der Schonzeit und einer staatlichen Fangprämie pro geschossenem Tier wäre das Problem zwar nicht zu lösen, aber zumindest deutlich abschwächbar. Wie in der Bundespolitik braucht es auch hier einen dringenden Wechsel.

  • Gleich zwei auf einmal.
    Waren wohl auf der Durchreise und wir sehr erstaunt, als uns durch die Terrassentür zwei pelzige, maskierte Kulleraugen angestarrt haben.
    Passiert in Gießen, inmitten der Innenstadt.

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