Programm für Lehrkräfte und Eltern Wie die Polizei junge Menschen vor Cybermobbing und Sexting schützen möchte

Cybermobbing, sexuelle Belästigung und Pornographie sind ein wachsendes Problem in der digitalen Welt. Die Polizei will mit einer neuen Kampagne auf die Probleme aufmerksam machen. Sie richtet sich vor allem an Lehrer und Eltern.

Illustration, im Vordergrund eine Handy mit einem Nacktfoto, daneben eine traurige junge Frau. Im Hintergrund mehrere junge Leute an digitalen Geräten, die sich darüber lustig machen.
Ein Beispiel für Cyber-Mobbing im Alltag: Wenn etwa Nacktbilder in falsche Hände geraten und verbreitet werden, kann es für Betroffene schnell unangenehm werden. Das Präventionsprogramm "Digital Native" will darüber und andere Gefahren in Internet und Social Media aufklären. Bild © Adobe Stock, hessenschau.de
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Bild © Jörn Perske (hr) | zur Audio-Einzelseite
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Lisa war schockiert. "Ich hätte nie gedacht, dass mir so etwas passiert", sagt die 13 Jahre alte Schülerin. Ihr Freund Phil hatte in einem intimen Moment ein Nacktbild von ihr gemacht. Das fand sich wenig später im WhatsApp-Chat der Klasse wieder. Denn Phil hatte es zuvor anderen geschickt, um damit zu prahlen. Von dort gelangte es in den Gruppen-Chat, Lisa war bloßgestellt und wurde zum Gespött der Gruppe.

Dies ist ein Fall von sogenanntem Sexting (Versenden sexueller Inhalte) und anschließendem Cybermobbing. Beamte des Polizeipräsidiums Osthessen präsentieren dieses Negativ-Beispiel bei ihrer Präventionskampagne. Damit wollen sie Straftaten vorbeugen, vor Gefahren im Internet warnen und für einen verantwortungsbewussten Umgang mit Social Media werben.

Programm "Digital Native" wird hessenweit eingeführt

Das Programm "Digital Native" wurde im Polizeipräsidium Osthessen in Fulda entwickelt. In diesem Schulhalbjahr wird es in ganz Hessen ausgerollt und in allen 15 Schulamtsbezirken umgesetzt, wie Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) vor kurzem bei einem Besuch der Polizei in Fulda verkündete.

Poseck sagte: "Junge Menschen sind fast rund um die Uhr im Netz unterwegs." Das Internet biete Chancen, aber auch Risiken – gerade für junge Menschen. "Man kann durchaus in Kriminalität reinrutschen." Etwa wenn es um sexualisierte Gewalt oder politische Radikalisierung gehe. Deshalb sei es wichtig, dem Thema zu begegnen und in die Schulen hineinzugehen. Das werde mit dem Projekt gemacht.

Digital Natives zuweilen auch digital naiv?

Der Titel "Digital Native" verweist darauf an, das junge Menschen mit digitalen Technologien wie selbstverständlich aufwachsen. Dennoch benehmen sich einige in der digitalen Welt eher naiv und wissen nicht, wo die Grenzen sind.

Mit Blick auf den Cybermobbing-Fall mit dem Nacktbild der 13-Jährigen erklärt der Fuldaer Cybercrime-Ermittler Johannes Bittner vom Präsidium in Fulda: "Das sind Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung." Ihr Freund Phil habe kinderpornographische Dateien hergestellt und verbreitet.

Unrechtsbewusstsein fehlt häufig

Und selbst wenn Lisa schon 14 Jahre alt gewesen wäre und damit laut Gesetz kein Kind mehr, hätte es sich um Jugendpornographie gehandelt. Bittner betont: Jeder, der solche Dateien anderen zugänglich mache, müsse damit rechnen, strafrechtlich verfolgt zu werden. Weiterleiten reicht da schon. Doch das ist vielen nicht klar. Die Polizei beobachtet: Häufig fehle den Tätern das notwendige Unrechtsbewusstsein.

Die Fallzahlen sind innerhalb von fünf Jahren massiv gestiegen. Laut hessischen Kriminalstatistiken wurden im Jahr 2017 insgesamt 537 Fälle von Kinder- und Jugendpornographie gezählt. 2022 waren es dann schon 3.962 Fälle.

Um für Cybermobbing, sexuelle Belästigung und Gewalt im Internet, Hassreden und andere Vergehen im Internet zu sensibilisieren, ist die Polizei präventiv tätig und hält Informationsangebote bereit.

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Was ist Cybermobbing?

Cybermobbing liegt laut Polizei vor, wenn Personen oder Gruppen andere Menschen zum Beispiel mit dem Handy oder im Internet absichtlich und systematisch über einen längeren Zeitraum belästigen, bedrohen, bloßstellen und ausgrenzen. Cybermobbing ist keine eigene Straftat, kann aber Handlungen, die gegen das Gesetz verstoßen, beinhalten. Die Polizei erklärt hier, wann der Tatbestand von Beleidigung, übler Nachrede, Verleumdung, Nachstellungen, Nötigungen, Bedrohungen und anderen Delikten erfüllt ist und welche Strafen drohen. Ebenso geben die Experten Tipps, wie sich Opfer verhalten sollten und wann eine Anzeige bei der Polizei angebracht ist.

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Neben vielen Online-Angeboten für Junge und Ältere mit Informationen, Aufklärung und Tipps gegen Cybermobbing versucht das Programm "Digital Native", Kinder und Jugendliche vor allem über die Erziehungsinstanzen zu erreichen – also über Eltern und Lehrer.

Ziel: Handlungssicherheit vermitteln

Im Landkreis Fulda unterstützt die Polizei die Schulen zum Beispiel mit regionalen Lehrer-Fortbildungen für alle Schulformen, Studien-Seminare für angehende Lehrkräfte und Elternabende. Es gibt mehr als ein Dutzend verschiedene Formate. Ziele sind: Handlungssicherheit erreichen und durch die Vermittlung des Themas Multiplikatoren schaffen.

Im vergangenen Jahr wurden im Landkreis Fulda mehr als 70 verschiedene Veranstaltungen zum Thema angeboten. Alexandra Bachmann, Jugendkoordinatorin der Präventionsabteilung der Polizei in Fulda, sieht erste Erfolge: "Wir können die an uns herangetragenen Fälle schneller auffangen und die Verbreitung eindämmen, weil wir zügiger von den Schulen einbezogen werden."

Das Programm "Digital Native" soll um weitere Problemfelder ausgeweitet werden. Inhalte zum Umgang mit Fake News und Stress durch Medienkonsum werden gerade erarbeitet, wie die Macher in Fulda erklärten. 

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Studie: Wie viele Jugendliche sexuelle Belästigung erleben

Jedes dritte Mädchen und jeder vierte Junge wurde schon im Netz sexuell belästigt. 23 Prozent wurden ungewollt mit pornografischen Inhalten konfrontiert. Das geht aus der JIM-Studie 2023 (Jugend, Information und Medien) des Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest hervor. Für die repräsentative Studie wurden in Deutschland 1.200 Jugendliche zwischen 12 und 19 Jahren befragt (30. Mai bis 9. Juli 2023).

Darin gaben 14 Prozent an, innerhalb des letzten Monats vor der Studie im Internet angefeindet oder beleidigt worden zu sein. 58 Prozent kamen im Monat vor der Befragung mit Fake News in Kontakt, rund die Hälfte mit beleidigenden Kommentaren. Etwa jeweils zwei von fünf Jugendlichen hatten Kontakt mit extremen politischen Ansichten, Verschwörungstheorien oder Hassbotschaften.

2023 waren Jugendliche durchschnittlich 224 Minuten täglich online. Dabei spielen besonders Messenger und Social Media eine große Rolle.

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Quelle: hessenschau.de