Europas größter Züchter in Künzell Wie Quallen aus Hessen ihren Weg in die weite Welt finden
Ein Quallen-Experte hat sich in Osthessen niedergelassen und dort einen Zuchtbetrieb für die faszinierend vielseitigen Nesseltiere aufgebaut. Aus seinen Becken werden sie weltweit zu Zoos und Aquarien verschickt.
Ihr Anblick löst bei vielen Menschen ambivalente Gefühle aus. Die einen finden Quallen beeindruckend. Bei anderen sorgen sie für Unbehagen. Sie empfinden Ekel, die glibberigen Tiere zu berühren. Und haben womöglich Angst, sich an den Tentakeln zu verletzen.
Alexander Dressel ist dagegen schwer begeistert von den wie kleine Raumschiffe im Wasser schwebenden Meeresbewohnern. "Dieses filigrane Schwimmen der Tiere und ihre Details zu beobachten, ist faszinierend. Es gibt auch noch viel an ihnen zu entdecken und erforschen", sagt der gelernte Fischwirt.
Der 38-Jährige hat sein Hobby zum Beruf gemacht und sich als Quallen-Experte einen Namen gemacht. Mittlerweile betreibt Dressel die nach eigenen Angaben größte Quallenzucht Europas. In Künzell, nahe Fulda, hat er die passenden Räumlichkeiten gefunden. Dort hat er 2019 seine Firma, die Jellyfish Farm, gegründet.
Farbenprächtige Rippenquallen sind ein Hingucker
In den Räumen der Quallenzucht ist ein angenehmes Grundrauschen wie am Meer zu hören. Erzeugt wird es vom Wasserkreislauf für die vielen Aquarien. 17 Arten verschiedene Quallen hat Dressel momentan. Und es sollen weitere hinzukommen, wie er sagt.
Auf Lager hat er ein paar tausend Exemplare. Zu sehen sind etwa die in der Nord- und Ostsee heimischen Ohrenquallen, japanische Kompassquallen, Mangrovenquallen oder die australische Wurzelmundqualle. Weltweit gibt es etwa 2.500 verschiedene Arten.
Sein Liebling ist aber die Rippenqualle, die - vom Standpunkt eines Laien betrachtet - schöner als jeder Weihnachtsbeleuchtung blinkt und schimmert. "Es ist eine besondere Qualle, die leuchten kann. Blau, gelb, rot - eines faszinierende Vielfalt", sagt Dressel.
Lieferungen in fast alle Erdteile
Von Osthessen aus verschickt Dressel die von ihm in Bassins gezüchteten Quallen in die ganze Welt. Bis auf Australien habe er Quallen bereits in alle Erdteile verschickt, berichtet er.
Zu seinen Kunden zählen Zoos, Schauaquarien, Händler und Forscher. Zuletzt seien Lieferungen - geschützt durch spezielle Verpackungen - zu Sea World Abu Dhabi, nach Katar und Vietnam gegangen, wie er exemplarisch aufzählt.
Die Quallenzucht sei extrem schwer und langwierig, sagt Dressel. Alle Gegebenheiten müssen stimmen: konstante Umgebungstemperaturen, der richtige Salzgehalt und ein Wasserstrom, den die Tiere zum Leben benötigen.
Die Fortpflanzung von zum Beispiel geschlechtsreifen Ohrenquallen verläuft so: "Die Männchen geben ihr Sperma ins Wasser ab. Die Weibchen fangen das auf und befruchten ihre Eier. Daraus entstehen Larven und später Polypen. Und diese Polypen können dann wieder Quallen erzeugen."
Ohne Hirn durch die Weltgeschichte
Dressel ist auch beeindruckt von den Fähigkeiten der Tiere, die wahre Überlebenskünstler sind. Quallen gibt es seit über 600 Millionen Jahren. Lange bevor es überhaupt Fische gab, schwebten sie bereits durch Ozeane und Meer.
"Ihr Erfolg beruht auch auf einem fantastisch simplen Körperbau", sagt Dressel. Sie bestehen zu 98 Prozent aus Wasser und besitzen nicht mal ein Gehirn, nur Sinneszellen.
So lange hirnlos durch die Weltgeschichte zu kommen, sei schon eine Leistung, findet Dressel. "Quallen wissen nicht, wo sie sind und was sie machen. Es gibt nur ein paar Rezeptoren, die sie nach oben oder unten schwimmen lassen. Sie können Licht erkennen und bewegen sich hocheffizient."
Giftige Tentakeln
Typisch sind die Tentakel: Sie sind je nach Art wenige Zentimeter bis zu 20 Meter lang. Sie dienen den Quallen zur Verteidigung und zum Fangen der Beute. Die Tentakel sind mit bis zu 700.000 Nesselzellen ausgestattet, aus denen die Tiere ein lähmendes Gift abgeben können. Die giftigsten Quallen leben hauptsächlich in tropischen Meeren.
Spektakulär auch für den Quallenforscher: "Manche Arten können sich quasi selbst klonen. Es gibt Quallen, die als unsterblich gelten. Sie können, wenn sie mit dem Medusen-Stadium zum Ende kommen, sich wieder zurück zum Polypen entwickeln und somit ewig leben. Es wäre sehr interessant herauszufinden wie sie das machen."
"Händchen fürs Quallenzüchten"
Seine Expertise für die Quallenzucht hat sich Dressel an verschiedenen Stationen seiner Berufslaufbahn angeeignet. Er arbeitete bereits bei Sea Life in Konstanz am Bodensee sowie am Ozeaneum in Stralsund an der Ostsee. "Dabei habe ich gemerkt, dass ich ein Händchen fürs Quallenzüchten habe."
Dressel züchtet aber in Künzell nicht nur im verschlossenen Kämmerlein. Über Socia-Media-Kanäle wie Instagram und Tiktok gewährt er Einblicke in seine Arbeit. Fast 50.000 Menschen folgen ihm. "Einige Videos sind auch schon viral gegangen", freut sich Dressel. Der Anblick, der auf Englisch "Jellyfish" genannten Tiere, faszinieren halt nicht nur ihn.