Fanfest, öffentliches Training und neue Waschmaschinen Wie sich Taunusstein auf das EM-Team der Ukraine vorbereitet
Die Fußball-Nationalmannschaft der Ukraine bezieht nächste Woche ihr EM-Quartier in Taunusstein. Direkte Begegnungen zwischen Spielern und Fans sind nicht möglich, aber die Menschen in der Stadt machen das Beste draus.
Für den jungen Nachwuchs des SV Wehen Wiesbaden ist es schon etwas Besonderes, dass bald die ukrainische Nationalmannschaft auf ihrem Trainingsplatz auflaufen wird. Das Team mit Spielern wie Mychajlo Mudryk (Chelsea) und Oleksandr Sintschenko (Arsenal) trainiert während des EM-Turniers auf dem Halberg in Taunusstein-Wehen.
Ben, Eddi und Tim aus dem SVWW Nachwuchsleistungszentrum hoffen auf Fotos und Autogramme, auch wenn sie wissen, dass aus Sicherheitsgründen vieles nicht erlaubt wird. "Wir verstehen auch, dass die Spieler nicht gestört werden wollen", sagen sie. Den ukrainischen Weg bei der EM werden sie aber genau verfolgen.
Die drei Jungs wollen auf jeden Fall zum öffentlichen Training am 13. Juni ab 11 Uhr. Ab Montag wird es über die Website des SV Wehen kostenlose Karten dafür geben. Die öffentliche Trainingseinheit ist vom Taunussteiner Halberg in die Brita-Arena nach Wiesbaden verlegt worden. Dort ist mehr Platz. Die Stadt Wiesbaden rechnet mit 5.000 Neugierigen.
Auch die beiden U15- und U17-Trainer wollen dabei sein. "Das ist schon interessant zu sehen, wie eine Nationalmannschaft trainiert", sagt Marcel Poruba. Und auch Chris Khayyer vom SVWW erhofft sich einige Einblicke.
Last-Minute-Quali für das Team aus der Ukraine
Die ukrainische Mannschaft hat sich erst in letzter Sekunde für die EURO 2024 qualifiziert. Sie war schon kurz in Deutschland für das Testspiel gegen die DFB-Elf in Nürnberg und testet auch in Polen und Moldawien. In der Ukraine sei der Krieg das Wichtigste, aber Trainer Serhij Rebrow weiß, dass auch der Fußball wichtig ist. "Wir repräsentieren die Ukraine bei der Europameisterschaft", sagt Rebrow. Das sei wichtig, die Ukraine wolle schließlich Teil der EU werden.
Es ist eine besondere Belastung für ein Fußballteam, wenn sich das eigene Land im Krieg verteidigen muss. Nicht nur, weil die Gedanken bei den Soldaten sind. Spieler Taras Stepanenko (Schachtar Donezk) erzählt von einem Spiel in der Ukraine, das sechs Stunden dauerte, weil die Teams bei Alarm immer wieder in den Keller mussten. "Es ist wichtig, dass wir Unterstützung bekommen", sagt Trainer Rebrow, und er meint nicht den Fußball.
Am 12. Juni soll diese besondere Mannschaft im Taunussteiner Légère Hotel ankommen. Dort freut sich die 30-köpfige Hotel-Crew aus zwölf Nationen. "Für uns ist es eine Ehre", sagt Junis Cäsar Akil, der nach Angaben seines Chefs den besten Kaffee im Hotel macht. Auch Niklas Levin vom Empfang freut sich. Alle seien aufgeregt. Er schätzt, dass das Küchenteam die meiste Arbeit haben wird: "Von morgens bis abends kochen, Kaffeepausen, Desserts, und und und."
Umbauarbeiten im Hotel
Derzeit ist das Hotel komplett leer, es laufen Sicherheitschecks und Umbauarbeiten. Aus zwei Konferenzräumen wird ein großer Fitnessraum, die Geräte dafür schickt der DFB. Normalerweise trainieren im Hotel nicht 20 Menschen gleichzeitig. Es gibt neue Massageräume außerdem wurden zusätzliche Waschmaschinen angeschafft, um regelmäßig die Trikots zu waschen.
Draußen werden gelb-blaue Blumen gepflanzt, ein Banner mit Willkommensgruß aufgehängt. Playstation, Kicker und Billardtisch sind für Spaß und Zerstreuung da, ebenso eine neue Tischtennisplatte im Freien.
Die Spieler wohnen einzeln in Doppelzimmern. Die Leute aus dem erweiterten Team bekommen etwas kleinere Zimmer. Da die Ukrainer länger bleiben als andere Gäste, hängen einige Extrabügel in den Schränken. "Wir waren euphorisch, dass wir ausgewählt wurden - sind wir immer noch", sagt der Niederländer Peter van Gompel. Der Hotelmanager muss bei dieser EM gleich bei drei Fußballteams mitfiebern: bei den Niederländern, den Deutschen und den Ukrainern.
Er klingt selbst ein bisschen wie ein Fußballtrainer, wenn er von seinem "starken Team" spricht: "Wir dienen alle dem gleichen Ziel, dem Wohl unserer Gäste. Das geht nur mit Harmonie." Die viele Arbeit sei nicht schlimm, alle seien motiviert.
Teigtaschen und Schals sollen Spendenkasse füllen
Auch bei dem deutsch-ukrainischen Verein in Taunusstein laufen die Vorbereitungen für ein Fan-Fest, das am 15. Juni in der Silberbachhalle stattfindet. Es gibt ukrainische Quarkpfannkuchen, Wareniki-Teigtaschen mit Füllung und selbstgebackenen Kuchen. Mit dem Verkauf werden Spenden für die Ukraine gesammelt. Die Festbesucher können zum Fußballgucken auch gelb-blaue Fanschals und Fahnen kaufen, original aus Kiew. Und der Verein hofft auf eine Videobotschaft der Mannschaft. Die Spieler seien auch eingeladen, würden aber voraussichtlich nicht kommen.
Die Sicherheitsvorkehrungen sind offensichtlich streng. Eine Begrüßung des Team-Busses bei der Ankunft am Hotel ist für die Fans nicht möglich, teilt der deutsch-ukrainische Verein mit. Eine offizielle Auskunft von der Polizei gibt es dazu nicht, man könne "aus einsatztaktischen Gründen keine genaueren Angaben machen".
Im Verein wird vermutet, dass das ukrainische Team stärker geschützt wird als andere Mannschaften. Aber man habe auch gehört, dass die Mannschaft von Trainer Rebrow sich ganz auf die Spiele konzentrieren wolle.
Fußball als Identitätsstifter
Der Krieg macht auch Uninteressierte zu begeisterten Fußballfans. Galyna Nesterenko und Marta Bodnia vom Taunussteiner Verein erzählen, dass eigentlich nur Vater beziehungsweise Mutter Fußballfans sind, sie selbst aber nicht. Im Krieg geht es aber für die Ukraine um die Existenz.
Der Fußball stärke Identität und Zusammenhalt. Lehrerin Nesterenko hat schon drei Fanschals, Schülerin Marta Bodnia hat auch schon einen. Beide wollen zum öffentlichen Training am Donnerstag in Wiesbaden. Sie werden dann zum ersten Mal in einem Fußballstadion sein.
Ab dem 17. Juni heißt es für alle Daumen drücken: dann spielt die Ukraine in München gegen Rumänien. Der weitere Spielplan: am 21. Juni gegen die Slowakei in Düsseldorf und am 26. Juni gegen Belgien in Stuttgart (Gruppe E).
"Wir hoffen, dass die Ukraine ihre Stärke zeigen kann", sagt Hotelmanager van Gompel. Und SVWW-Nachwuchstrainer Chris Khayyer ergänzt: "Jeder weiß, die machen keine einfache Zeit durch. Wir würden uns freuen, wenn wir ihnen ein schönes Umfeld bieten können." Khayyer hofft, dass sie sich auf 'seinem Platz' "top auf die Europameisterschaft vorbereiten können."
Redaktion: Caroline Wornath
Sendung: hr1, 5.06.2024, 13.14 Uhr