Invasion in Nordhessen Wie Sie Ihr Haus gegen Waschbären schützen können

Im März beginnt die Hauptaufzuchtzeit der Waschbären - die Weibchen machen sich auf die Suche nach Wurfplätzen. Dabei richten sie immer wieder Schäden in Häusern und auf Dachböden an. Welche Maßnahmen am besten schützen - und wie man die Tiere vertreiben kann.

Ein Waschbär mit Jungtier liegt auf dem Ast eines Baumes.
Süßes Tier oder Plage: Kassel gilt aus Waschbär-Hauptstadt. Bild © picture alliance / imageBROKER | Marcus Siebert
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Kassel gilt als die "Waschbärenhauptstadt Europas", und im Frühjahr erwartet die Stadt neue tierische Einwohner: Dann beginnt die Hauptaufzuchtzeit der Tiere. Dabei richten Waschbären nicht nur Schäden an. Sie räumen Mülltonnen aus, machen auch Dreck und sind nicht ganz ungefährlich, schließlich sind sie trotz ihres niedlichen Aussehens immer noch Raubtiere.

Durch das viele Grün fühlen sich die Wildtiere hier besonders wohl - auch in Wohnsiedlungen. Der Grund dafür: Viel Müll, in dem sie Nahrung finden, sowie bequeme Unterschlüpfe auf Dachböden und in Garagen. Kassels Ordnungsdezernet Heiko Lehmkuhl (CDU) warnte vor "großen Schäden, die hohe Kosten nach sich ziehen".

Haus und Wohnung richtig schützen 

Man könne aber bereits mit kleinem Aufwand gute Ergebnisse in der Abwehr der Tiere erzielen, sagt die Stadt Kassel und liefert Tipps zum Schutz der eigenen vier Wände gegen Waschbären:

  • Fallrohre sichern: Waschbären klettern besonders gerne über Regenrinnen auf das Dach. Deshalb die Fallrohre durch 1x1 Meter große, glatte Blechmanschetten oder "Dreivierteltrichter" aus Metall abgedecken lassen.
  • Bäume und Sträucher schneiden: Waschbären können auch über Bäume und Sträucher aufs Dach klettern. Achtung: Zwischen dem 1. März und dem 30. September ist das Schneiden verboten.
  • Bei Hausöffnungen wie Dachfenstern etc.: Mögliche Einstiege in das Haus dicht verschließen.
  • Schornstein sichern: Ein Metallgitter an der Schornsteinöffnung anbringen.  
  • Elektrodraht: Schwer zu sichernde Häuser können durch einen kleinen Elektrozaun geschützt werden. Dieser sollte an der unteren Dachkante installiert werden. 
  • Katzenklappen nachts verschließen.

Dazu sollte man Mülleimer gut verschließen und keine Lebensmittel draußen lagern oder auf den Komposthaufen werfen. Ganz wichtig sei außerdem, die Tiere nicht zu füttern, auch wenn sie noch so niedlich sind.

Waschbären vertreiben

Haben sich die Tiere einmal eingenistet, wird es schwer, sie ohne professionelle Hilfe zu vertreiben. Zunächst kann man verschiedene Hausmittel ausprobieren: Waschbären mögen die Stille - laute Musik oder Kontrollgänge nahe ihrem Unterschlupf können es ihnen ungemütlich machen.

Die Tierschutzorganisation Peta empfiehlt Bewegungsmelder mit Licht im Garten, dazu Duftstoffe wie Essig, Lavendel, Chili, Cayennepfeffer, Pfefferminzöl oder Zitrusfrüchte. Und - ganz wichtig: jetzt vorbeugen, damit die Tiere nicht wiederkommen.

In ganz Hessen auf dem Vormarsch

Doch nicht nur in Kassel und ganz Nordhessen sind Waschbären unterwegs. Mittlerweile haben sich die Tiere in ganz Hessen ausgebreitet. Sogar im Rhein-Main-Gebiet wächst die Population. Neben Kassel wurden Waschbären auch in den Großstädten Frankfurt, Wiesbaden und Darmstadt gesichtet.  

Wie viele genau es gibt, lässt sich nicht sagen - weder Städte noch Kommunen oder die Bundesländer erheben Daten dazu. Eine Tendenz lasse sich aber indirekt über die Zahl der abgeschossenen Tiere erkennen, betont Michael Lierz von der Justus-Liebig-Universität Gießen. Die Anzahl der erlegten Tiere sei in den letzten Jahren stark gestiegen.

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Abschuss auch innerhalb der Schonzeit geplant 

Wie soll man die steigende Population in Schach halten? Mit dieser Frage hat sich die schwarz-rote Landesregierung bereits in ihrem Koalitionsvertrag beschäftigt und sich auf einen Wegfall der Schonzeit geeinigt. Demnach soll diese für Fuchs und Waschbär "zum besseren Schutz von Bodenbrütern und Singvögeln unter Berücksichtigung des Elterntierschutzes" aufgehoben werden.  

Erst kürzlich hatte Umwelt-, Forst- und Jagdminister Ingmar Jung (CDU) in einer Landtagsdebatte dafür geworben, die Schonzeit für Waschbären abzuschaffen. Dem vorausgegangen waren Anträge von AfD und FDP. Darüber berichtete die FAZ. Eine Entscheidung fiel diesbezüglich noch nicht.

 Kritik von Naturschützern und der Grünen-Fraktion

Die Fraktion der Grünen in Hessen bezeichnete die geplante Aufhebung der Schonzeit als "unsinnig". Es handele sich um "reine Symbolpolitik ohne fachliche Grundlage".

Eine verstärkte Bejagung habe keinen nachhaltigen Einfluss auf die Population oder die Ausbreitung, so Hans-Jürgen Müller, Sprecher für Landwirtschaft, Tierschutz, Wald und Jagd. Beim Waschbär handele es sich um eine "hochgradig anpassungsfähige Art", die sich durch steigende Abschusszahlen nicht eindämmen ließe.

Thomas Norgall, Naturschutzreferent des BUND Hessen, bezeichnete die Pläne der Hessischen Landesregierung auf hr-Anfrage als "populistisch". Eine Verringerung der Population sei durch eine verstärkte Bejagung nicht zu erwarten, so Norgall, der Waschbär breite sich kontinuierlich aus. 

Aus Sicht des BUND ist maßgeblich, Konflikte mit Waschbären in besiedelten Gebieten zu verringern - zudem fordern die Naturschützer ein Fütterungsverbot.

Wurst aus Waschbären?

Auch Kassels Ordnungsdezernent Lehmkuhl hält die Jagd für ungeeignet. Es sei illusorisch zu glauben, dass man die Tiere damit oder durch andere Methoden vertreiben könne. "Ziel kann daher nur sein, die Konflikte mit den Tieren möglichst gering zu halten", so der CDU-Mann.

Ein Jäger aus Sachsen-Anhalt hatte sogar die Idee, Wurst aus den Waschbären zu machen. In einer hr-Umfrage zeigten sich die Menschen in Nordhessen eher skeptisch.

Wie die Waschbären nach Hessen kamen

Doch wie kam es erst zu den vielen Waschbären in Hessen? Die Tiere stammen eigentlich aus Nordamerika. Die ersten Waschbären in Deutschland wurden vor etwa 90 Jahren in Nordhessen nahe dem Edersee ausgewildert - und das ohne Genehmigung.  

Sie kamen aus einem Zuchtbetrieb bei Wolfhagen. Auf die abschließende Zustimmung aus Berlin zur Freilassung der Tiere konnte nicht mehr gewartet werden: Die trächtigen Weibchen sollten ihren Nachwuchs nicht in Gefangenschaft bekommen. "Man wollte unbedingt, dass diese junge Generation schon in Freiheit aufwächst", sagte der Forstbeamte Eberhard Leicht zum 90. Jahrestag der Auswilderung im April 2024.  

Dann kam der Zweite Weltkrieg und auf eine geregelte Auswilderung konnte keine Rücksicht mehr genommen werden: Die Tiere gerieten in Vergessenheit. Erst nach dem Krieg wurde man wieder aufmerksam auf die Waschbären, doch da war ihre Population schon völlig außer Kontrolle geraten. Waschbären haben hierzulande keine natürlichen Fressfeinde - somit stand ihrer Ausbreitung in Hessen nichts mehr im Wege. 

Redaktion: Stefanie Küster und Luna Schenk

Sendung: hr4,

Quelle: hessenschau.de