"Einmalige Geschichte" Wieso Mäher auf dem Stausee der Kinzigtalsperre schwimmen

Um ein Fischsterben im Stausee an der Kinzigtalsperre zu verhindern, finden dort ungewöhnliche Mäharbeiten statt: Schwimmende Bagger reißen die wuchernden Weiden aus. Dass sich die Pflanzen überhaupt im See ausbreiten konnten, hat mehrere Gründe.

Ein Spezial-Amphibienfahrzeug befördert mit einem Kran die Reste von Bäumen ans Ufer.
Ein Spezial-Amphibienfahrzeug befördert mit einem Kran die Reste von Bäumen ans Ufer. Bild © picture-alliance/dpa
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Um Ostern herum holen die Hessen üblicherweise die Mäher aus dem Winterquartier und verpassen ihrem Rasen den ersten Schnitt im neuen Gartenjahr - eine Szene, die sich zigtausend Mal zwischen Kassel und Darmstadt abspielt.

Eine eher ungewöhnliche Aktion ist derzeit in Osthessen zu sehen: Dort wird in einem Stausee gemäht.

Mit zwei Spezialbooten rasieren Arbeiter Weidenbäume in etwa zwei Meter Tiefe ab, die sich in dem See vor der Kinzigtalsperre ausgebreitet haben. "Das ist eine einmalige Geschichte, so etwas hatten wir hier noch nie", sagte Holger Scheffler, Geschäftsführer des Wasserverbands Kinzig, der Deutschen Presse-Agentur.

Stausee war trocken gelegt

Warum haben sich Weiden mitten in einem See so stark ausbreiten können? Hintergrund ist die vorübergehende Trockenlegung des Sees für die alle zwanzig Jahre gesetzlich vorgeschriebene vertiefte Sicherheitsüberprüfung der Talsperre zwischen 2022 und 2023.

Nach Ablassen des Sees war der große Sanierungsaufwand an den unter Wasser befindlichen Systemen des Staudamms zu sehen. Der Zeitplan verschob sich wegen häufig auftretender Hochwasser im schon engen Sanierungszeitraum bis ins Jahr 2023.

Die Weiden am Ufer des Sees nutzten die günstige Witterung im Frühjahr 2022 für einen massiven Samenflug. Die Talsperre mit ihrem feuchten Sedimentschlamm war ein idealer Nährboden für den Samen, erklärt Gerhard Rudi Pelz, ökologischer Baubegleiter und Sachverständiger des Wasserverbands. Dicht an dicht wuchsen die Weiden bis September 2023 heran und schossen zuletzt auf eine Höhe von bis zu vier Meter empor.

Hochwasser verhinderte Bagger-Einsatz

Mäharbeiten mit schwerer Technik waren in der Fläche wegen des unberechenbaren Sedimentbodens nur teilweise möglich. Das Sediment hat laut Scheffler ähnliche Eigenschaften wie Treibsand.

An einem Kran ist eine Art überdimensionierte Heckenschere befestigt, mit der junge Weiden unterhalb der Wasserlinie abgemäht werden können.
Martin Kauffeld steuert ein Spezial-Amphibienfahrzeug auf dem Kinzigstausee. Bild © picture-alliance/dpa

Wegen einiger Hochwasserlagen wurde mit dem Stauen der Kinzig bereits vor wenigen Wochen und damit etwas früher als geplant begonnen. Alle Instandsetzungsarbeiten auf der Seeseite seien bereits abgeschlossen, sagt er.

Zuvor war ein beträchtlicher Teil der wuchsfreudigen Weiden von drei großen Kettenbaggern aus dem Seegrund herausgerissen und entfernt worden. Aber nicht alle: Einige Hochwasser verhinderten den weiteren Einsatz. Dem Rest der Bäume wird nun mit den schwimmenden Mähern zu Leibe gerückt. 

See soll nicht biologisch umkippen

Warum lässt man die Weiden nicht einfach stehen und wartet in Ruhe ab, bis die Natur ihr Werk verrichtet und sie irgendwann im Wasser ertrunken sind? "Wir müssen die Biomasse herausnehmen, sonst besteht die Gefahr, dass die Bäume massenweise verfaulen, Sauerstoff binden, der See kippt und die Fische sterben", erläutert Scheffler. 

Pelz zufolge handelt es sich um eine wichtige vorbeugende Maßnahme, die eine Sauerstoffarmut im See und eine unerwünschte Anreicherung der Kinzig mit Nährstoffen verhindern soll. Zudem könnten Baumstämme und Baumteile immer wieder den riesigen Rechen aus Metall beschädigen oder verstopfen, der die Turbine und damit die Steuerung der Talsperre schützt.

Holz für Biokraftwerk

Die beiden Amphibienfahrzeuge auf dem See und ihre Besatzung teilen sich die Arbeit: Ein Boot mäht die Bäume unterhalb der Wasserlinie ab. Dazu wird eine Art überdimensionierte Heckenschere per Kran im See versenkt. Das andere Fahrzeug schafft die Baumreste Richtung Ufer. Das Holz wird später abtransportiert, getrocknet, zu Hackschnitzeln verarbeitet und kann in einem Biomassekraftwerk verbrannt werden.  

Noch etwa zwei Wochen werden die schwimmenden Mäher auf dem Stausee unterwegs sein. Für Martin Kauffeld, der eines der Boote steuert, ist dieser Job eine nette Abwechslung von seiner üblichen Tätigkeit in einem Landschaftsbaubetrieb. "Das macht Spaß, es ist einmal etwas Neues", sagt er.

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Quelle: Michael Bauer (dpa/lhe)