Sorge um Weinlagen Winzer in Hochheim wehren sich gegen geplante Stromtrasse
Eine geplante Stromtrasse von Norddeutschland ins Rhein-Main-Gebiet sorgt für Aufruhr bei den Winzern in Hochheim. Sie befürchten gravierende Beeinträchtigungen ihrer Weinlagen und suchen nach Alternativen, um ihre Existenz zu sichern.
Strom kommt bekanntermaßen nicht einfach so aus der Steckdose, dafür braucht es schon Stromtrassen. Mit der Trasse Rhein-Main-Link soll bald Windstrom von der Nordseeküste nach Süddeutschland transportiert werden. Dass ein Teil der 720 Kilometer langen Stromtrasse durch das Anbaugebiet von Hochheim (Main-Taunus) führen soll, sorgt bei den Winzern aber für großen Empörung.
Die geplanten Erdkabel, die durch Weinberge laufen sollen, könnten nach ihrer Darstellung die renommierten Weinlagen teilweise dauerhaft schädigen. "Unser wertvollstes Weinbaugebiet wird komplett durchschnitten", erklärte Martin Mitter, Vorsitzender des Hochheimer Weinbauverbands. "Das ist wie eine Stromautobahn quer durch die Weinberge. Die Stadt verliert ihr Gesicht. Da wird so viel zerstört."
Der Weinbau in Hochheim hat eine lange Tradition, die bis zu den Römern zurückreicht. Das englische Wort "Hock" als Bezeichnung für deutschen Weißwein geht ebenfalls auf Hochheim zurück.
Weinbau bedroht
Die unterirdische Trasse bedeute, dass tief wurzelnde Pflanzen wie Weinreben dort nicht mehr gedeihen können, sagte Winzer Gunter Künstler, Mitglied im Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP).
Die geplante 40 Meter breite Trasse würde große Teile der Rebflächen zerschneiden. Viele Winzer fürchten deshalb um ihre Existenzgrundlage. "Manche Kollegen müssten dichtmachen", sagte Künstler.
15 Milliarden Euro Kosten
Die Bedeutung der geplanten Stromtrasse reicht weit über Hochheim hinaus. Es geht es um eines der zentralen Projekte der Energiewende, die vom Netzbetreiber Amprion realisiert wird. Amprion plant einen Energiekorridor von Niedersachsen nach Hessen, der vier Projekte mit je drei Gleichstrom-Erdkabeln umfasst.
Das Gesamtprojekt ist etwa 600 Kilometer lang und könnte rund 15 Milliarden Euro kosten. Erste Inbetriebnahmen sind ab 2033 vorgesehen. Das Planfeststellungsverfahren habe gerade erst begonnen. Innerhalb der 250 Meter breiten "Vorschlagstrasse" sei nichts festgezurrt, sagte eine Sprecherin des Unternehmens.
KI-gestützte Planung
Die Bundesnetzagentur hat den Rahmen für den Verlauf des Rhein-Main-Links mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) gesetzt. Es gilt, Abstand zu Siedlungen, Gewerbegebieten sowie Natur- und Wasserschutzgebieten zu halten.
Erdkabel im Ackerland zu vergraben, sei unproblematisch - aber eben nicht im Weinberg, sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut in Bodenheim bei Mainz: "KI hat den Trassenverlauf einfach durch die Weinberge geplant." Es sei wichtig, sich rechtzeitig gegen die mögliche erhebliche Beeinträchtigung von Spitzenlagen zu positionieren.
Alternativvorschläge der Winzer
Die Hochheimer Winzer fürchten dabei, ein Viertel ihrer Rebflächen zu verlieren, und zwar gerade die in den besten Lagen. Um die Weinlagen zu schützen, schlagen viele Winzer eine Alternativtrasse vor, die neben den Autobahnen 3 und 67 sowie teilweise entlang einer Ethylen-Pipeline verlaufen könnte. Dafür haben sie sogar eine Petition gestartet.
"Wir wollen möglichst viele Menschen erreichen, um bei der Bundesnetzagentur und im Bundestag gehört zu werden", erklärt ein Jungwinzer, der um seine Zukunft bangt. Der Netzbetreiber Amprion muss sich jedoch an die Vorgaben der Bundesnetzagentur halten, die eine Verlegung entlang der Autobahn ausschließen, da Siedlungen und Gewerbegebiete zu dicht daran liegen. Diese Route wäre ein geringerer Eingriff in die Natur und den Weinbau.
Teurere Lösung denkbar
Für die Trasse seien jedoch verschiedene Optionen denkbar, sagte eine Sprecherin von Amprion. Womöglich würden auch bei Hochheim teils teurere Tiefenbohrungen beschlossen, dann könnte darüber weiter Wein angebaut werden.
Eine teurere Lösung würde sich am Ende auch im Strompreis niedergeschlagen. Doch für Winzer Gunter Künstler geht es hier um nationales Kulturgut und damit um mehr als nur wirtschaftliche Aspekte: "Niemand käme im Napa Valley, im Burgund oder im Bordeaux auf die Idee, eine Stromschneise durch weltberühmte Weinbergslagen zu schlagen."
Sendung: hr-iNFO, 18.07.2024, 13.30 Uhr
Redaktion: Emal Atif und Birgitta Söling