In Nordhessen gelandet Die Geier kommen
Spanien, Italien, Nordhessen: Warme Südwinde tragen regelmäßig Geier aus Südeuropa in den Norden. Nun sind in Nordhessen zwei der Riesenvögel gelandet. Doch hierzulande gibt es nur wenig Aas.
Gänsegeier fliegen nicht, sie lassen sich im Wind treiben. Manchmal segeln sie dabei ein bisschen zu weit. Einer der etwa sechs Jahre alten Riesenvögel kam Mitte Juni von seinem Kurs ab und landete im nordhessischen Homberg (Efze). Drei Tage lang saß der Geier dort am Wegesrand, wo ihn ein Pärchen bei einem Spaziergang entdeckte.
Jeden Tag wurde er schwächer und sank zunehmend in sich zusammen. Als der Geier schließlich von einem Mäusebussard attackiert wurde, fiel er einfach um: "Das war sehr ungewöhnlich", erzählt Falknerin Jana Zulauf, die sich fortan um das Tier kümmerte. "Wir Menschen kippen auch nicht um, wenn uns ein kleiner Spatz anfliegt."
Mindestens 200 Geier verirren sich pro Jahr nach Deutschland
Zu jenem Zeitpunkt sei das Tier mit großer Wahrscheinlichkeit schon unterernährt gewesen. Das ist nicht selten der Fall: Jedes Jahr verirren sich mindestens 200 bis 250 Geier nach Deutschland. In Hessen wurden in den vergangenen Wochen laut Zulauf insgesamt vier Geier gesichtet.
Für die Tiere ist es hierzulande allerdings sehr schwierig, passendes Futter zu finden. Die Vögel, deren Flügelspannweite 2,80 Meter erreichen kann, ernähren sich fast ausschließlich von Kadavern und Aas.
Auffangstation am Edersee päppelt Geier wieder auf
Der Gänsegeier habe deshalb neben einer Wiese voller Schafe gesessen und darauf gewartet, dass eines davon verenden könnte. Falknerin Zulauf habe ihn dort mit ihrem Mann eingesammelt und in die Auffangstation des Wildtierparks am Edersee gebracht – ohne jegliche Gegenwehr des Geiers.
Auch das sei ein Signal dafür gewesen, dass das Tier Hilfe brauchte: "Einen gesunden Geier kann man nicht einfach so einfangen", sagt die Falknerin. Dieses Exemplar sei hingegen quasi selbstständig in die Transportkiste gestapft. Mit Schonkost wird das ausgehungerte Tier nun wieder gesund gepflegt.
Donald und Daisy: Zwei Geier in einer Voliere
In der Greifenwarte Edersee teilt sich der Vogel eine Voliere mit einem zweiten erst kürzlich im mittelhessischen Dillenburg gestrandeten Junggeier. Der war von einem Privatmann gefunden und zunächst an eine andere Warte in Nordhessen übergeben worden. Von dort kam sie in die Greifenwarte am Edersee.
Das Zusammenleben führe zu keinen Problemen, berichtet Zulauf, denn Gänsegeier sind Koloniebrüter. Ob es sich bei den Vögeln aber wirklich um Männchen und Weibchen handelt, kann laut Zulauf äußerlich nicht erkannt werden.
Auswilderung noch im Juli angestrebt
Das Geschlecht der Geier werde sie prüfen, wenn sie die beiden zur Auswilderung aus dem Käfig holen wird, kündigt die Falknerin an. Noch im Juli sollen die Tiere wieder in die Wildbahn entlassen werden.
Denn je länger die Vögel im Käfig sitzen, desto mehr bilde sich die Flugmuskulatur zurück. Bei der Aktion würden die Tiere aber noch mit Transpondern an kleinen Ringen versehen, um herauszufinden, wo die Geier in Zukunft hinsegeln.
Gänsegeier: Bald auch wieder in Deutschland heimisch?
Ob die riesigen Vögel tatsächlich in Hessen freigelassen werden können, steht noch nicht fest. Die letzten Gänsegeier brüteten vor mehr als 200 Jahren in Deutschland. In den Alpen kommt das Tier aber schon wieder häufiger vor. "Ich glaube schon, dass ein erfolgreiches Auswildern hier in Deutschland möglich ist", sagt die Falknerin Zulauf.
Vermutlich würde sie die Geier zunächst aber trotzdem im Süden Deutschlands in die Wildnis entlassen. Damit die Tiere hier längerfristig überleben oder brüten könnten, müssten wie in Spanien explizite Futterbereiche für die Tiere angelegt werden.
Gänsegeier wird zum Wappentier
Die Geier haben sich in der Greifenwarte Edersee jedenfalls schon jetzt in den Köpfen der Menschen eingenistet. Falknerin Zulauf und ihr Mann seien nicht nur absolut geierbegeistert, sondern haben inzwischen auch Erfahrung: In den vergangenen Jahren seien dort immer wieder Geier gestrandet. Auch deshalb wird der neue Wappenvogel der Greifenwarte am Edersee natürlich ein Gänsegeier.
Sendung: hr4, 09.07.2024, 14.30 Uhr
Ende der weiteren Informationen