5 Erkenntnisse aus der Darmstädter OB-Wahl

Ein grüner Tagessieg trotz großer Verluste, Wechselstimmung in den Außenbezirken und wieder keine Frau an der Spitze der Stadt: Was uns das Ergebnis der OB-Wahl in Darmstadt verrät.

Foto von Kolmer, im Gespräch mit Menschen. Auf dem Bild eine kleine Grafik mit einer blau eingefärbten Fläche (Umriss der Stadt), dem Wappen der Stadt Darmstadt und einem Wahlkreuz.
Michael Kolmer (Grüne) in der Centralstation in Darmstadt Bild © picture-alliance/dpa, hessenschau.de
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5 Erkenntnisse aus der Darmstädter OB-Wahl

hs
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Hohe Wahlbeteiligung, Spannung bis zum Schluss - und dazu noch schönes Wetter am Wahlsonntag: Die Oberbürgermeisterwahl in Darmstadt hat gezeigt, dass Demokratie auf kommunaler Ebene auch mitreißen, ja Spaß machen kann. Am Ende haben Michael Kolmer (Grüne) und Hanno Benz (SPD) den Einzug in die Stichwahl am 2. April geschafft, Kerstin Lau (Uffbasse) und Paul Georg Wandrey (CDU) hatten knapp das Nachsehen. Was sich noch aus dem Ergebnis herauslesen lässt:

1. Die Karten wurden neu gemischt

Über ein Jahrzehnt lenkte Jochen Partsch (Grüne) die Geschicke der Stadt Darmstadt. Der charismatische Grünen-Politiker, der das Rampenlicht stets genossen und nie einen Hehl daraus gemacht hat, wie sehr er an sich und seine Politik glaubt, hinterlässt große Fußstapfen. Die Kandidatinnen und Kandidaten, die sich anschickten, den Alphafelsen im Rathaus zu erklimmen, sahen sich im Wahlkampf immer auch ein bisschen dem Vergleich mit dem Ranghöchsten ausgesetzt. Parteifreund Michael Kolmer zum Beispiel wurde nicht müde zu betonen, er sei kein zweiter Partsch.

Der Abschied des bisherigen Oberbürgermeisters hat die Verhältnisse in Darmstadt dann auch kräftig durcheinander gewirbelt, die Karten wurden sprichwörtlich neu gemischt. Zwar hat mit Kolmer wieder ein Grüner im ersten Wahlgang die meisten Stimmen geholt, aber das Ergebnis von 23,7 Prozent ist weit entfernt vom Durchmarsch eines Partsch, der 2017 auf 50,4 Prozent kam. Zwischen Kolmer und dem Viertplatzierten Paul Georg Wandrey (CDU) liegen gerade einmal 5,5 Prozentpunkt, das entspricht exakt 3.006 Stimmen. Das zeigt: Auch die Wählerinnen und Wähler mussten sich neu aufstellen, viele einstige Partsch-Sympathisanten haben ihre Stimme diesmal einem anderen Bewerber oder einer anderen Bewerberin gegeben.

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2. Spannung tut der Demokratie gut

In einem waren sich alle Kandidatinnen und Kandidaten am Wahlabend einig: Die Wahlbeteiligung war erfreulich hoch. Rund 48,6 Prozent aller wahlberechtigten Darmstädterinnen und Darmstädter gingen am Sonntag zur Urne oder nutzten die Briefwahl. Damit war Darmstadt deutlich wahlfreudiger als zuletzt Frankfurt (40,4 Prozent) oder Kassel (40,9 Prozent) – vor allem wurden die Wahlbeteiligung bei der eigenen OB-Wahlen vor sechs Jahren deutlich übertroffen. Damals gingen 43,9 Prozent zur Wahl.

Ein bisschen mag auch das gute Wetter mitgespielt haben, aber die hohe Wahlbeteiligung zeigt in erster Linie: Wenn die Leute wirklich eine Wahl haben, dann nutzen sie diese auch. Vor sechs Jahren war Partsch der haushohe Favorit, Spannung wollte nicht wirklich aufkommen. Das war diesmal anders. Bis zuletzt war unklar, wer es von den vier starken Kandidaten von Grünen, SPD, CDU und Uffbasse in die Stichwahl schaffen würde. Vor allem Kerstin Lau (Uffbasse) war dem zweitplatzierten Benz dicht auf den Fersen.

Auch das Interesse an der Wahlparty in der Veranstaltungshalle der Centralstation war groß, der Saal platzte zwischenzeitlich aus allen Nähten. Bei der Verkündung der Zwischenergebnisse wurde gegrölt, gebuht, gepfiffen, applaudiert und gejubelt. So macht Demokratie Spaß.

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3. Bestätigung und Denkzettel zugleich für die Grünen

Für die Grünen, die mit Jochen Partsch seit zwölf Jahren das Stadtoberhaupt stellen, war das Ergebnis des ersten Wahlgangs Bestätigung und Denkzettel zugleich. Wieder holte mit Kolmer ein Grüner den Tagessieg. Dazu kann und sollte man gratulieren, Partsch sah am Wahlabend darin sogar eine Bestätigung für die eigene Politik, an der Kolmer in den vergangenen Jahren als Dezernent großen Anteil hatte.

Ein nicht unwichtiger Teil der Wahrheit ist aber auch, dass Kolmer (23,7) satte 26,7 Prozentpunkte weniger erreichte als Partsch vor sechs Jahren (50,4). Über die Gründe kann man nur spekulieren: Viele Wählerinnen und Wähler hatten offenbar den Wunsch nach einem Wechsel an der Stadtspitze, vor allem die vermeintlich autofeindliche Verkehrspolitik sorgte in Darmstadt in Teilen der Bevölkerung für Unmut.

Natürlich ist die Oberbürgermeisterwahl in erster Linie eine Personenwahl, und Kolmer ist nicht Partsch. Wer aus dem Ergebnis aber eine Bestätigung für das eigene Wirken ableiten will, muss sich auch als Partei daran messen lassen - und als Partei haben die Grünen mehr als die Hälfte der Zustimmung eingebüßt. Viele einstige Grünen-Wählerinnen und -Wähler haben ihre Stimme diesmal offenbar Kerstin Lau (Uffbasse) gegeben. Lau kam in den traditionell grünen Wahlbezirken auf teils sehr hohe Werte weit jenseits der 20 Prozent.

4. Wechselstimmung in den Außenbezirken

Beim Blick auf die interaktive Stadtkarte von Darmstadt wird schnell klar: Stadtmitte und Außenbezirke haben teils signifikant unterschiedlich gewählt. Während Partsch 2017 noch alle Stadtteile gewinnen konnte, ging der Norden und Süden diesmal an die Konkurrenz. Auch in den grünen Stadtteilen büßte Kolmer massiv Stimmen gegenüber Partsch ein. Kolmers Ergebnisse in Darmstadt-Mitte, Nord, Ost, Kranichstein und Bessungen liegen zwischen 25,3 und 28,6 Prozent, bei Partsch waren es jeweils Werte deutlich über 50 Prozent.

Vor allem Hanno Benz (SPD) konnte von der Wechselstimmung profitieren, sowohl Darmstadt-West als auch Wixhausen und sein Heimatstadtteil Arheilgen gingen an den Sozialdemokraten. In Eberstadt holte Paul Georg Wandrey (CDU) die meisten Stimmen. Offenbar ist es Benz gelungen, mit seinem offensiven Wahlkampf in den Stadtteilen zu punkten, einer seiner Leitsätze war: "Die Stadt ist die Summe aller Stadtteile".

Das muss auch Uffbasse-Kandidatin Lau anerkennen, die knapp hinter Benz auf Rang drei einlief: "Die SPD hat in den Stadtteilen ihre Muskeln spielen lassen. Da konnten wir als kleine Wählervereinigung nicht mithalten", resümierte sie am Wahlabend.

Im Umkehrschluss lässt das Wahlergebnis vom Sonntag darauf schließen, dass die Menschen in den äußeren Stadtteilen mit Partschs grüner Politik deutlich weniger zufrieden waren als die Menschen in der Stadtmitte.

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5. Darmstadt bleibt Männersache

Seit 1822 - damals wählte Darmstadt erstmals ein Stadtoberhaupt - ist die Stadt fest in Männerhand. Noch nie in Darmstadts Geschichte stand eine Frau an der gewählten Spitze, mit Kolmer und Benz machen es erneut zwei Männer unter sich aus. Uffbasse-Kandidatin Lau fehlten am Ende 915 Stimmen zur Stichwahl. Die zweite Frau, Gerburg Hesse-Hanbuch (FDP), lief mit gerade einmal 2,8 Prozent auf Platz sieben von zehn ein.

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Bild © Julian Moering (hr)| zur Audio-Einzelseite
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Es ist gut vorstellbar, dass Lau, die ihr Geschlecht explizit nicht zum Wahlkampf-Thema machte, in sechs Jahren einen neuen Anlauf wagt. Zumindest schloss sie das nicht aus. Im Sinne der Vielfalt wäre es auch wünschenswert, wenn der Anteil der Frauen im Feld der Bewerberinnen und Bewerber dann größer wäre - immer vorausgesetzt, es finden sich geeignete Kandidatinnen.

Aber sechs Jahre sind Zeit genug, um sich nachhaltig auf der politischen Bühne zu präsentieren. Und vielleicht heißt es dann ausnahmsweise einmal: Darmstadt hat eine neue Oberbürgermeisterin.

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Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 16.45 Uhr

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Quelle: hessenschau.de