Trotz Parteiaustritt Ex-AfD-Abgeordneter Müger leitet AfD-Ortsverbandsitzung
Maximilian Müger ist nach seinem umstrittenen Sturmgewehr-Video sowohl aus der AfD-Landtagsfraktion als auch der Partei ausgetreten. Trotzdem halten Mitglieder seines Ex-Kreisverbands weiter Kontakt - und lassen ihn sogar eine Sitzung leiten. Ein Parteienforscher findet das nicht ungewöhnlich.
Neun lächelnde Gesichter in einer rustikalen Gaststätte - auf den ersten Blick ein unscheinbares Gruppenfoto. Die lächelnden Gesichter gehören zu Mitgliedern des AfD-Ortsverbands Rodgau (Offenbach). Sind aber wirklich alle auf dem Foto Mitglieder des Ortsverbands? Nein. Denn ganz links auf dem Bild lächelt Maximilian Müger.
Jener Maximilian Müger, der bei der Landtagswahl 2023 zwar für die AfD ins Parlament eingezogen war, dann aber wegen eines umstrittenen TikTok-Videos sowohl aus der Fraktion als auch der Partei austreten musste.
In dem Video hatte Müger mit Sturmgewehr im Anschlag zum Kampf gegen Migration aufgerufen. Seit seinem Austritt aus Partei und Fraktion ist Müger in keiner Plenarsitzung des Landtags mehr anwesend gewesen.
AfD: Keine Zusammenarbeit mit Müger
Partei und Fraktion beteuern unisono, dass es seit dem Austritt keine Zusammenarbeit mehr mit Müger gebe. Was also macht er bei einer Sitzung des AfD-Ortsverbands Rodgau? Nach hr-Informationen hat Müger die Sitzung geleitet. Screenshots aus einer internen Facebook-Gruppe, die dem hr zugespielt wurden, belegen das.
Der Facebook-Post stammt von Sascha Völkel, der bei der besagten Sitzung am 30. Oktober zum AfD-Ortssprecher in Rodgau gewählt worden ist. Völkel ist außerdem persönlicher Mitarbeiter von Müger im Landtag. Das bestätigte ein AfD-Fraktionssprecher dem hr auf Anfrage. Vor seiner AfD-Zeit war Völkel Mitglied der Jungen Union Rodgau.
AfD-Landessprecher: "Dauerhafte Distanz erwartet"
Jochen Roos, Sprecher des AfD-Kreisverbands Offenbach Land, über den Müger seinerzeit in den Landtag einzog, schrieb auf hr-Anfrage: "Mir als Kreissprecher war die Teilnahme und die Leitung der Sitzung durch Herrn Maximilian Müger im Vorfeld nicht bekannt." Der Ortsverband Rodgau gehört zum Kreisverband Offenbach.
Auch der AfD-Landesvorstand verneinte, über die Pläne Bescheid gewusst zu haben. Auf die Frage, ob die gemeinsame Sitzung mit Müger Konsequenzen für den Ortsverband Rodgau haben wird, antwortete der Landesvorstand nicht.
"Nach dem Austritt von Maximilian Müger aus Fraktion und Partei hatten wir eine dauerhafte Distanz erwartet", so AfD-Landessprecher Andreas Lichert. Sowohl Lichert als auch Roos sind Landtagsabgeordnete - und somit Ex-Fraktionskollegen von Müger.
Eine Zusammenarbeit "auf irgendeiner Ebene" des Landesverbandes der AfD Hessen mit Müger sei nicht geplant, so das gemeinsame Statement von Landes- und Kreisverband.
Zusammenarbeit ist Interpretation
Dass das Wörtchen "Zusammenarbeit" aber Raum für Interpretation lässt, hat schon die Einsetzung des Corona-Untersuchungsausschusses gezeigt. Denn von den ursprünglich 28 Landtagsmandaten der AfD sind nach den Austritten von Maximilian Müger und Dirk Gaw nur noch 25 Fraktionsmitglieder übrig. Sascha Herr war nicht in die Fraktion aufgenommen worden.
Sowohl für die Einsetzung als auch für künftige Beweisanträge im Corona-Untersuchungsausschuss braucht es aber 27 Unterschriften. Fehlende Unterschriften hat die AfD-Fraktion in der Vergangenheit - trotz lautstarker Distanzierung - gern entgegengenommen: sowohl von Maximilian Müger als auch von Sascha Herr, der wegen Kontakten in die Neonazi-Szene aufgefallen war.
Experte: Wer rausfliegt, teilt trotzdem das Gedankengut
Warum die AfD trotz öffentlicher Distanzierungen dennoch wiederholt Kontakte zu Personen pflegt, die eigentlich bei der Partei in Ungnade gefallen sind, erklärt der Marburger Politikwissenschaftler Reiner Becker so: "Die AfD fungiert als Netzwerkknoten zwischen Rechtskonservativen, Personen der Neuen Rechten - bis hin ins Rechtsextreme."
Wenn eine Person aus der Partei fliege, bleibe sie trotzdem Teil des Netzwerks und teile nach wie vor die Ideen und das Gedankengut, so der Leiter des Demokratiezentrums Hessen. Ein Teil des Kalküls sei zudem: "Solange es keiner merkt, bleibt das Gefüge stabil."
Wahl womöglich ungültig
Die Wahl des neuen AfD-Ortsvorstands in Rodgau könnte noch ein kurioses Nachspiel haben. Kurz nachdem der Facebook-Post veröffentlicht worden war, wies AfD-Co-Landessprecher Robert Lambrou den Ortsverband in einem Facebook-Kommentar darauf hin, dass laut AfD-Statuten nur ein Partei-Mitglied die Versammlung hätte leiten dürfen.
"Das hätte man auch wissen können", schrieb Lambrou. Die Satzung lasse keinen Spielraum und deshalb sei die Versammlung "komplett ungültig und muss deshalb leider wiederholt werden". Ob das geschehen wird, beantwortete der frisch "gewählte" Ortssprecher Völkel auf hr-Anfrage nicht.