Asyl-Vorstoß der CDU Rhein verteidigt Merz - und die Brandmauer
CDU-Kanzlerkandidat Merz will die Migrationspolitik noch vor der Bundestagswahl verschärfen - egal, wer im Bundestag zustimmt. Fällt jetzt die Brandmauer zur AfD? Für Hessens Regierungschef Rhein ist das die falsche Frage.
Hessens CDU-Ministerpräsident Boris Rhein hat Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz gegen Kritik verteidigt, er nehme nach der tödlichen Messerattacke von Aschaffenburg im Bundestag bewusst einen Bruch der Brandmauer zwischen seiner Partei und der AfD in Kauf.
"Die Frage der Brandmauer stellt sich gar nicht", sagte Rhein am Freitagabend in Wiesbaden dem hr. Und weiter: "Wir schauen jetzt gar nicht nach rechts oder nach links, sondern nur danach, was gut ist für Deutschland."
Rhein spielt den Ball SPD, Grünen und FDP zu
In Aschaffenburg waren am Mittwoch bei einem Messerangriff auf eine Kindergartengruppe ein kleines Kind und ein Mann erstochen worden. Mutmaßlicher Täter ist ein psychisch kranker, abgelehnter Aylbewerber aus Afghanistan. Als Reaktion darauf will Merz in der kommende Woche in Berlin Asylverschärfungen beantragen – und zwar nach eigenen Worten "unabhängig davon, wer ihnen zustimmt".
Darauf, dass die AfD so erstmals Mehrheitsbeschafferin in Berlin werden könnte, entgegnete Rhein: Es seien jetzt SPD, Grüne und FDP, die am Zug seien. Sie müssten sich fragen, "sind sie bereit, in der Migrationspolitik umzusteuern?"
Und genau das müsse Deutschland tun. "Die politische Mitte kann jetzt zeigen, dass sie in der Lage ist, zu handeln", sagte der Ministerpräsident. Es werde sich nun erweisen, ob die Parteien der früheren Ampelkoalition diesen "gemeinsamen Weg" mit der CDU mitgingen.
Rhein: Mit der AfD "nichts zu tun"
Mit Blick auf die Bundestagswahl am 23. Februar fügte der CDU-Politiker hinzu: Dann könne der Wähler entscheiden, ob es der richtige Weg oder falsche Weg sei. Einer Kooperation oder Koalitionen mit der AfD erteilte Rhein wie schon bei früheren Gelegenheiten eine Absage. "Es wird keine Zusammenarbeit mit der AfD geben", stellte er klar.
Die Union und die in Teilen rechtsextreme AfD hätten völlig unterschiedliche Wertesysteme, etwa in der Bindung an den Westen und die NATO. "Die AfD wirft sich vor die Füße des Kriegsverbrechers Putin. Mit diesen Leuten haben wir nichts zu tun."
In Hessen wurde die AfD seit ihrem Einzug in den Landtag Anfang 2019 für Mehrheiten nicht gebraucht. Seit Januar 2024 regieren Rhein und die CDU nach zehn Jahren Schwarz-Grün mit der SPD.
Merz und Söder: Strenge Asylpolitik ist das Ziel
Ähnlich wie Rhein hatte sich zuvor der bayrische Ministerpräsident und CSU-Landesvorsitzende Markus Söder geäußert. Er betonte, die Zustimmung der AfD sei nicht notwendig, wenn SPD und Grüne sich zu einer härteren Gangart in der Asylpolitik entschließen würden.
Auch CDU-Bundeschef Merz selbst will seine Äußerungen nicht als Annäherung an die AfD verstanden wissen. Fast gleichlautend wie später Rhein hatte er am Freitag gesagt: "Ich gucke nicht rechts und nicht links. Ich gucke in diesen Fragen nur geradeaus."
Laut Merz wird die CDU weder mit der AfD kooperieren noch regieren. Außerdem sagte er: "Wir verhandeln mit denen im Deutschen Bundestag nicht über irgendwelche Anträge."
Die CDU hat einen Unvereinbarkeitsbeschluss gefasst, der eine Zusamenarbeit mit der AfD ausschließt. Daran, dass es so bleibt, hatte Merz bislang sein politisches Schicksal geknüpft.
Weidel sieht sich bestätigt
AfD-Chefin Alice Weidel jubelte dagegen, die Brandmauer sei nun gefallen. Sie bot Merz auf der Plattform X eine Zusammenarbeit in der Migrationsfrage an. "Die kommende Sitzungswoche im Deutschen Bundestag bietet dafür eine Gelegenheit, die nicht ungenutzt verstreichen darf", schrieb sie. Der von Merz am Donnerstag angekündigte migrationspolitische Kurswechsel sei ein gutes Zeichen.
Mit seiner Ankündigung hat Merz große Empörung anderer Parteien ausgelöst. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) warnte ihn ebenso wie der grüne Vize-Regierungschef und Kanzlerkandidat Robert Habeck davor, die Brandmauer zur AfD bröckeln zu lassen.
Wissler: Die Brandmauer ist gefallen
Für die Frankfurter Linken-Bundestagsabgeordnete Janine Wissler ist die Entscheidung dagegen längst gefallen. "Merz setzt auf die Stimmen der AfD, um Anträge gegen Migration durchzubringen. Die endgültige Aufkündigung der ohnehin bröckelnden Brandmauer", postete sie auf X.
Wissler, die hessische Spitzenkandidatin ihrer Partei bei der Bundestagswahl ist, sprach von einem schweren Fehler. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihm seine Fraktion dabei geschlossen folgen wird", prophezeite sie.
Grünen-Fraktionschef: "Unwürdig und gefährlich"
Am Samstag gaben die hessischen Grünen nicht nur Merz, sondern auch Rhein kontra. Mathias Wagner, Vorsitzender der Landtagsfraktion, postete auf Instagram: "Die neue Logik von Friedrich Merz und Boris Rhein: Machen die anderen nicht, was wir wollen - dann machen wir es mit der AfD."
Das sei eines Kanzlerkandidaten unwürdig und für das Land gefährlich, urteilte Wagner. Die Brandmauer müsse bleiben. Bis Anfang 2024 hatten die Grünen zehn Jahre lang mit der CDU in Hessen regiert, dann zog Ministerpräsident Rhein die SPD vor.