Auf Druck der Bankenaufsicht Hessen erhöht mit Milliarden-Schulden Anteil an Helaba
Hat die Landesbank Hessen-Thüringen im Krisenfall genug sicheres Geld in petto? Auf Druck der Bankenaufseher bessert die Landesregierung jetzt nach. Die FDP warnt vor Schulden für ein Risikogeschäft.
Anders als andere Landesbanken stand die von Hessen-Thüringen (Helaba) zuletzt immer stabil da. Seit einem nicht bestandenen Stresstest 2011 haben Europas Bankenaufseher sie trotzdem kritisch im Blick.
Die Konstruktion, mit der das Land Hessen zur Eigenkapitalreserve für Notzeiten beiträgt, schien der Europäischen Bankenaufsicht EBA nicht sicher genug. Nachbesserungen reichten auch nicht.
Daraus ziehen die Landesregierung und die Helaba nun Konsequenzen. Hessen baut seine Beteiligung um und seinen Anteil an der Bank von 8,1 auf 30,08 Prozent aus, wie Finanzminister Alexander Lorz (CDU) am Montag in Wiesbaden ankündigte. Dafür werden zwei Milliarden Euro fällig, die Hessen komplett über Schulden finanziert.
Minister: Kein Verstoß gegen Schuldenbremsen-Gebot
Die neuen Kredite werden im Nachtragsetat für 2024 verankert, über den der Landtag vor dem Sommer entscheiden soll. Im August dieses Jahres soll die Änderung bei der Helaba dann greifen.
Ein Verstoß gegen die von der Verfassung festgelegte Schuldenbremse sieht Lorz in der Regelung nicht, wie er bei der Vorstellung der Pläne sagte. Die Neuverschuldung sei für den "Erwerb einer werthaltigen Beteiligung" im Rahmen der Schuldenbremse zulässig.
Win-win-Geschäft?
Da Hessen für seine Beteiligung an der Helaba Dividenden und Zinsen erhält, trage sich diese Investition selbst, sagte der Minister. Die Helaba werde durch die Neuregelung "noch ein bisschen stärker sein, als sie es jetzt schon ist". Nicht nur ihre Kunden, sondern auch das Land profitierten davon, dass sie sich noch besser entwickeln könne.
Hintergrund der neuen Konstruktion: Dass sie ausreichend mit Reserven für den Ernstfall gewappnet ist, hat die Helaba bisher unter anderem mit Hilfe einer sogenannten stillen Beteiligung des Landes nachgewiesen. Hessen profitierte von Gewinnen, hatte aber kein entsprechend erhöhtes Mitbestimmungsrecht, wie es beim Erwerb von Helaba-Anteilen der Fall gewesen wäre.
Stille Einlage reichte nicht
Bei der noch gültigen, aktuellen Konstruktion stecken die zwei Milliarden Euro, mit denen Hessen zum Eigenkapital beiträgt, vielmehr in Förderprogrammen. Sie hat das Land vor Jahrzehnten in die Landesbank eingebracht, deren Hauptsitz in Frankfurt steht. Es geht um "Wohnungswesen und Zukunftsinvestitionen" sowie "Hessische Investitionsförderung".
In diesen Förderprogrammen vergibt das Land Darlehen an Privatleute und Unternehmen, etwa für den sozialen Wohnungsbau. Die Darlehen werden abgewickelt über die landeseigene Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen, kurz WI-Bank, mit Sitz in Offenbach. Zwar versicherte die Landesregierung den Bankenaufsehern: Die stille Einlage ist ihre zwei Milliarden Euro auch im Ernstfall wert. Aber das verfing nicht.
Nun steckt Hessen den Betrag in direkter Form in die Helaba: 1,5 Milliarden Euro als Bareinlage, weitere 500 Millionen Euro zum Kauf von Wertpapieren der Bank. Es handelt sich um eine so genannte AT1-Anleihe der Landesbank. Diese Wertpapiere können im Krisenfall als Eigenkapital herangezogen werden.
Sparkassen geben weiter Ton an
Die Machtverhältnisse verschieben sich zwar durch diese Investition ins Stammkapital der Helaba, die die drittgrößte Landesbank Deutschlands ist. Aber auch wenn der Anteil des Landes an der Bank auf rund 30 Prozent steigt, bleiben die Sparkassen die Haupteigentümer.
Ihr Anteil verringert sich von bislang rund 88 auf 66,4 Prozent. Die Beteiligung des Freistaates Thüringen sinkt von 4,05 Prozent auf 3,50 Prozent.
SPD und Grüne finden es tragfähig
Wegen des gravierenden Problems hatten laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung seit zwei Jahren mehrere Arbeitsgruppen getagt. Marius Weiß, finanzpolitischer Sprecher der mitregierenden SPD im Landtag, befand am Montag: Nach jahrelanger Diskussion sei nun eine "tragfähige Lösung" gefunden worden.
Was seiner Meinung nach noch fehlt: eine Antwort auf die Frage, wie das Land mit seinem erhöhten Einfluss auf die Helaba und die WI-Bank nun umgeht.
Rückhalt kommt auch von den Grünen, die seit Anfang des Jahres in der Opposition sind. Miriam Dahlke, die finanzpolitische Sprecherin der Fraktion, schlägt vor: Dies könne "der Startschuss sein, die WI-Bank aus der Helaba herauszulösen" und sie zu einer eigenständigen Förderbank des Landes mit mehr Möglichkeiten zu machen.
Die trotz Schuldenbremse durch Schulden erfolgte Finanzierung sehen die Grünen als ein Signal dafür, dass Kredite über Investitionsgesellschaften auch auf anderen Gebieten sinnvoll und verfassungskonform genutzt werden könnten.
FDP warnt
Sehr viel kritischer sieht die oppositionelle FDP die Sache. Sie drängte seit langem auf Klarheit. Ihre Befürchtung: Eine Erhöhung der Bareinlagen des Landes würde enorme Mittel binden, die bislang in die Wohnungsbauförderung fließen. Zudem steige das Risiko für das Land Hessen, heißt es mit dem Hinweis auf schwere Krisen anderer Landesbanken.
"Jeder private Anleger ist gut beraten, Risikogeschäfte nicht aus Schulden zu finanzieren" - diese Mahnung wiederholte Marion Schardt-Sauer, die finanzpolitische Sprecherin der FDP, am Montag noch einmal. Finanzminister Lorz hat ihrer Meinung nach noch immer nicht transparent dargelegt, welche Alternativen es gab und ob die Risiken sorgfältig abgewogen wurden. Die FDP hat daher zum zweiten Mal in diesem Jahr zur Helaba-Beteiligung einen Fragenkatalog vorgelegt, den Lorz beantworten soll.
Ähnliche Bedenken meldete die AfD-Landtagsfraktion nach der Bekanntmachung des Finanzministers an: Wenn auch am Engagement Hessens nominell nichts zu ändern sei, seien doch zusätzliche Haftungsrisiken für den Steuerzahler zu befürchten. Lorz müsse nun alle Fakten zur Beteiligung und "der wahren Lage der Immobilienfinanzierungen der Bank" auf den Tisch legen, forderte der AfD-Haushaltspolitiker Roman Bausch.
Landesbanken als Risikofälle
Hintergrund solcher Warnungen: In Folge der internationalen Bankenkrise und gewagter Investments waren in jüngster Vergangenheit nicht nur die WestLB und die BayernLB zu Sanierungsfällen mit Milliardenverlusten geworden. Zu den Krisenbanken zählte auch die NordLB, die Schlagseite wegen fauler Schiffskredite hatte.
Solche Negativschlagzeilen machte die Helaba nicht. Sie hatte vor kurzem mit einem Plus von 14 Prozent einen Rekordgewinn in Höhe von 772 Millionen Euro vor Steuern für das vergangene Jahr gemeldet. Allerdings musste die Landesbank viel Geld für den drohenden Ausfall von Immobilienkrediten zurücklegen.
Das führte zu einem Minus im Immobiliengeschäft in Höhe von 240 Millionen Euro. Das liegt vor allem an Krediten, die an die insolvente Signa-Gruppe des umstrittenen österreichischen Immobilienfinanziers René Benko flossen. Keine deutsche Bank stellte laut FAZ mehr Kreditvolumen an Benkos Gruppe bereit als die Landesbank Hessen-Thüringen.
Sendung: hr-iNFO, 29.04.2024, 14 Uhr
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