"Lesereise Remigration" Widerstand gegen Auftritt von Rechtsextremist Martin Sellner in Marburg

Der österreichische Rechtsextremist Martin Sellner ist bekannt für rassistische und völkische Positionen und seinen "Masterplan Remigration". Ein für Ende Juli in Marburg geplanter Auftritt sorgt jetzt für Wirbel in der Stadt. Eine Demo ist bereits geplant.

Martin Sellner bei einem Auftritt in Wien 2019
Martin Sellner bei einem Auftritt in Wien 2019 Bild © AFP
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Der österreichische rechtsextremistische Aktivist und Autor Martin Sellner plant eine Lesereise mit mehreren Auftritten in Deutschland. Wie er in den sozialen Medien bekanntgab, will er am 29. Juli auch in Marburg Station machen und sein Buch "Remigration: Ein Vorschlag" vorstellen.

Die Universitätsstadt Marburg will das verhindern. Wie die Stadt am Dienstag bekannt gab, ist für den 29. Juli eine Demonstration vor dem Erwin-Piscator-Haus, also der Marburger Stadthalle, geplant. Organisiert wird die Demo von der Stadt und von einem kürzlich gegründeten neuen Netzwerk für Demokratie und gegen Rechtsextremismus, das aus Marburger Vereinen, Organisationen und Privatpersonen besteht.

Die Stadt hatte außerdem bereits am Freitag bekannt gegeben, sie wolle sich dafür einsetzen, dass Sellner nicht nach Deutschland einreisen darf.

Stadt Marburg: Gefahr für Demokratie

Die Stadtverordnetenversammlung hatte am Freitag einen Beschluss gefasst, dem alle Parlamentsmitglieder mit Ausnahme des AfD-Vertreters zustimmten. Darin heißt es: "Die Universitätsstadt Marburg missbilligt mit allem Nachdruck, dass Martin Sellner in Marburg Thesen zur Vertreibung eines Teils unserer Einwohner*innen propagieren will."

Die Stadt erachte Sellners "menschenfeindlichen Thesen" als eine "Gefahr für unser Gemeinwesen sowie für die Demokratie und Verfassung in unserem Land", heißt es weiter.

Einreiseverbot gilt derzeit nicht

Mehrere Staaten haben ein Einreiseverbot gegen Sellner verhängt, darunter die USA und Großbritannien. Im März 2024 erhielt er nach einem Entscheid der Stadt Potsdam auch ein Einreiseverbot nach Deutschland.

Im April gab das Verwaltungsgericht Potsdam allerdings einem Eilantrag Sellners statt und setzte den Vollzug des Einreiseverbots aus. Einer der Gründe: Eine schwere Gefährdung der Sicherheit sei von der Stadt Potsdam nicht hinreichend belegt worden.

Veranstaltungsort noch unbekannt

Abgesehen von einem möglichen Einreiseverbot hat die Stadt Marburg kaum Handlungsspielraum, den Auftritt Sellners vor Ort zu verhindern, da er aller Voraussicht nach in Privaträumen stattfinden wird.

Der genaue Veranstaltungsort ist bisher nicht bekannt. Nach hr-Informationen geht man in der Marburger Stadtpolitik derzeit aber davon aus, dass es sich wohl um Räumlichkeiten einer Burschenschaft handelt.

Sellners "Masterplan Remigration"

Der Aktivist und Autor Martin Sellner gilt als einer der Hauptakteure und Stratege der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften "Identitären Bewegung". Im November hatte er außerdem in Potsdam seinen "Masterplan zur Remigration" präsentiert. An dem Geheimtreffen hatten neben CDU- und AfD-Politikern bekannte Rechtsextreme teilgenommen.

Eine Recherche des Medienhauses Correctiv hatte die dort vorgestellten Thesen Sellners öffentlich bekannt gemacht. Demnach sollen drei Gruppen Deutschland verlassen: Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht und "nicht assimilierte" deutsche Staatsbürger.

Buch erschien im März

Sellner vertat laut Correctiv auch die Idee eines "Musterstaats" oder einer "Musterstadt" in Nordafrika, wohin man bis zu zwei Millionen Menschen "hinbewegen" könne. Die Flüchtlingshelfer könnten ihnen dorthin folgen.

In seinem im März erschienen Buch führt er die Pläne nun weiter aus und rechnet beispielsweise vor: Es bräuchte nur 86 Boeing-Flüge, um den Großteil aller Afghaninnen und Afghanen aus Deutschland zu bringen. Bis 2040 würden dann nur noch "rund 2.500 nichtassimilierte Afghanen in Deutschland leben".

Burschenschaft Germania: Bühne für Rechtsextremisten

In Marburg steht besonders die Burschenschaft Germania seit Jahren in Verbindung mit der "Neuen Rechten" und der "Identitären Bewegung". 2018 und 2019 fanden beispielsweise Veranstaltungen in den Räumlichkeiten der Burschenschaft statt, bei denen bekannte Akteure auftraten. Dabei trat beispielsweise Alain de Benoist auf, der als Vordenker der "Neuen Rechten" gilt.

Bekanntes Mitglied der Burschenschaft ist außerdem Philip Stein. Er hat Führungsrollen beim "Jungeuropa"-Verlag und beim "Oikos Verlag" inne, die Bücher rechtsextremer Autoren und das Magazin "Die Kehre" publizieren. Auch Texte Sellners sind darunter.

Zudem ist Stein Vorsitzender des vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuften Vereins "Ein Prozent". Dabei handelt es sich nach eigenen Angaben um "Deutschlands größtes patriotisches Bürgernetzwerk".

Die Burschenschaft Germania teilte dem hr mit, sie sei in die Organisation der Veranstaltung mit Sellner in Marburg nicht involviert.

Sellner weist Vorwürfe von sich

Sellner selbst wollte sich auf hr-Anfrage nicht zum Veranstaltungsort äußern. Die Vorwürfe der Stadt Marburg, seine Thesen seien menschenfeindlich und eine Gefahr für das Gemeinwesen, wies er von sich. Aus seiner Sicht würden die Correctiv-Recherchen auf "Verzerrungen und Falschaussagen" basieren.

Weitere Informationen

Sendung: hr4, die Hessenschau für Mittelhessen, 16.07.2024, 14.30 Uhr

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Quelle: hessenschau.de