Sofortprogramm der Landesregierung Bei der Wolfsjagd kann Hessen nicht alleine entscheiden
Die hessische Landesregierung hat im Februar ein Sofortprogramm vorgestellt. Das beinhaltet auch, den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen. Dumm nur: Diese Punkte kann Hessen gar nicht alleine umsetzen. Bei einem anderen Vorhaben des Sofortprogramms ist das ähnlich.
Der Wolf polarisiert seit Jahren: Die einen halten es für ein Zeichen gelungenen Naturschutzes, dass das Wildtier wieder in Hessen heimisch ist. Die anderen fürchten Angriffe auf Schafe oder Rinder und wünschen sich, dass der Wolf gejagt werden kann. Bisher geht das nur bei Wölfen, die auffällig viele Tiere gerissen haben und eine entsprechende Gefahr darstellen – und dann auch nur mit amtlicher Sondergenehmigung.
Die CDU hat im Wahlkampf vor der Landtagswahl im Oktober schon versprochen, den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen, die SPD sprach deutlich milder von einem "zukunftsorientierten Wolfsmanagement". Inzwischen gibt es in Hessen ein Ministerium, das sogar die "Jagd" im Titel trägt – und für dieses Ministerium ist die Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht laut "Sofortprogramm" das dringendste Projekt.
Wolf durch EU-Richtlinie geschützt
Das Problem dabei: Hessen könnte den Wolf zwar ins Jagdrecht aufnehmen, er dürfte aber trotzdem nicht geschossen werden, weil er eine ganzjährige Schonzeit hätte. Denn der Schutz des Wolfes ist europarechtlich geregelt.
"Die FFH-Richtlinie sichert den besonderen Schutzstatus des Wolfs", sagt Michael Brenner, Professor für Deutsches und Europäisches Verwaltungs- und Verfassungsrecht an der Universität Jena. "Da kann ein einzelner Ministerpräsident nicht so ohne Weiteres von der europarechtlichen Vorgabe abweichen." Die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie ist eine Richtlinie zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen.
Wäre eine Aufnahme des Wolfs in das Jagdrecht also reine Symbolpolitik? Nicht ganz, sagt Michael Brenner: "Das wäre trotzdem ein politisches Signal an die europäische Ebene. Das Europäische Parlament hat die Europäische Kommission im Jahr 2022 aufgefordert, den Schutzstatus des Wolfs zu ändern."
Gut ein Jahr später, im vergangenen Dezember, hat die EU-Kommission daraufhin mitgeteilt, den Schutzstatus des Wolfs absenken zu wollen. Das ist bisher allerdings noch nicht umgesetzt worden.
Wolf auch Thema bei Europawahl
Bei einigen Parteien spielt der Wolf auch im Vorfeld der Europawahl im Juni eine Rolle. Die CDU fordert in ihrem Wahlprogramm ein Wolfsmanagement und die Abschüsse der Tiere "bei hoher Wolfsdichte". Die AfD plädiert dafür, den "Wolf von Anhang IV in Anhang V der FFH-Richtlinie zu überführen".
Die in Anhang IV genannten Tiere und Pflanzen sind streng geschützt, auch ihr Lebensraum darf nicht zerstört werden. Dort finden sich neben dem Wolf beispielsweise auch das Wisent, der Feldhamster oder verschiedene Delphine. In Anlage V stehen Tiere, die zwar geschützt sind, bei denen es aber die Möglichkeit eines aktiven Managements gibt.
Freie Wähler für aktive Bejagung des Wolfs
Die FDP will ebenfalls, dass der Schutz für den Wolf in Regionen gesenkt wird, "in denen ein gesunder Erhaltungszustand erreicht ist". Die Freien Wähler gehen noch weiter: Sie fordern eine aktive Bejagung des Wolfs und darüber hinaus eine Entschädigung von betroffenen Weidetierhaltern aus EU-Mitteln. Wenn also der Wolf ein Schaf reißt, soll der Schäfer aus europäischen Mitteln Ersatz erhalten.
Das Thema bewegt also auch die europäische Ebene – trotzdem kann Hessen derzeit nur formale Änderungen im Landesrecht anstoßen, die noch keinen praktischen Nutzen hätten.
Speicherung von IP-Adressen?
Während Hessen bei der Wolfsjagd auf den EU-Schutzstatus achten muss, spielt bei einem anderem Thema des Sofortprogramms der Bund eine Rolle. Hessen will im Internet IP-Adressen speichern, um Tätern bei Hassrede oder Kinderpornographie leichter auf die Spur kommen zu können.
Um das auf den Weg zu bringen, braucht es eine Bundesratsinitiative aus Hessen. Der Entwurf ist nach den Angaben einer Sprecherin des Hessischen Justizministeriums derzeit "in der Mache" und soll in den nächsten Wochen vorliegen.
Hessen ist auf den Bund angewiesen
Das Verfahren funktioniert so: Ein Bundesland bringt einen Gesetzesvorschlag in den Bundesrat ein. Wenn dieser in der Länderkammer eine Mehrheit findet, wird er an den Bundestag weitergegeben, der dann darüber abstimmt. Auf diese Weise haben auch die Bundesländer die Möglichkeit, wichtige Themen zu setzen und Gesetze auf den Weg zu bringen.
Allerdings funktioniert das nicht sehr oft. Nach einer Statistik des Bundesrats wurden in der 19. Wahlperiode, also zwischen 2017 und 2021, 132 Anträge auf Einbringung eines Gesetzentwurfs gestellt. Davon wurde nicht einmal die Hälfte tatsächlich vom Bundesrat als Gesetzentwurf beschlossen (66 Anträge) – und am Ende hat der Bundestag nur sieben dieser Gesetzentwürfe auch tatsächlich beschlossen.
Erfolgsaussichten sind noch groß
Die Aussicht auf einen Erfolg für das Projekt "IP-Daten-Speicherung" ist also nicht sehr groß – zumal der Bundesjustizminister von der FDP, Marco Buschmann, sich bisher immer gegen eine solche Speicherung ausgesprochen hat.
Auch ist das Vorhaben nicht neu: Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hatte im Herbst 2022 bereits einen ähnlichen Antrag gestellt – ohne Erfolg. Dass daran nun eine Bundesratsinitiative aus Hessen etwas ändert, ist wohl eher unwahrscheinlich.
Redaktion: Susanne Mayer
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 28.3.2024, 19:30 Uhr
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