Mehr Kontrollen gefordert Betrug im Gesundheitswesen: Ermittler rechnen mit mehr Fällen
Im Gesundheitswesen kommt es immer wieder zu Tricksereien bei Abrechnungen. Um Betrug in Kliniken und Arztpraxen aufzudecken, sind Ermittler aktiv. Innenminister Poseck lobt die Aufklärungsquote. Doch es gibt eine hohe Dunkelziffer.
Im kriminellen Milliardengeschäft um Abrechnungsbetrug und Korruption im Gesundheitswesen rechnen Landeskriminalamt (LKA) und Innenministerium in Hessen künftig mit mehr Fällen. LKA-Präsident Andreas Röhrig sagte am Donnerstag in Fulda: "Wir erwarten eine Zunahme."
Das Gesundheitssystem sei ein riesiger Bereich. Je mehr die Ermittler darauf schauten, desto wahrscheinlicher sei es, "dass wir mehr Fälle entdecken", so Röhrig.
Der hessische Innenminister Roman Poseck (CDU) forderte, dass mehr Kontrolle stattfindet. "Hessen sagt Betrügern im Gesundheitswesen den Kampf an", verkündete er bei einem Besuch in Fulda.
Dort befindet sich seit Februar 2023 die Zentralstelle des LKA für Medizinwirtschaftskriminalität (ZMWK). Im selben Haus ist auch die Zentrale Staatsanwaltschaft für Medizinstrafrecht (ZSMS), die seit Januar 2021 in Fulda angesiedelt ist.
Patienten leiden unter Folgen des Betrugs
Im Fokus der Ermittler steht der Abrechnungsbetrug von niedergelassenen Ärzten und Kliniken. Zudem geht es um Apotheken, therapeutische Einrichtungen, Sanitätshäuser, Hörakustiker und Augenoptiker.
Von dort ausgehende Betrügereien seien ein Milliardengeschäft für Kriminelle, erklärten Poseck und Röhrig. Die Taten belasten ihren Angaben zufolge das Gesundheitssystem schwer. Sie seien auch eine Gefahr für Patientinnen und Patienten, die unter den Folgen wie steigenden Kassenbeiträge zu leiden haben.
Hohe Schäden und Dunkelziffer
Nach Zahlen der bundesweiten Polizeilichen Kriminalstatistik gibt es pro Jahr im Schnitt 4.700 Ermittlungsverfahren wegen Abrechnungsbetrugs. Im vergangenen Jahr sei dadurch ein Schaden von knapp 200 Millionen Euro entstanden. Das ist aber nur der tatsächlich erfasste Schaden.
Die Dunkelziffer sei hoch, betonten Poseck und Röhrig. So geht der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) von einem Schaden von mindestens 14 Milliarden Euro pro Jahr aus, wie die beiden nannten.
98-prozentige Aufklärungsquote
In Hessen gab es im Vorjahr 147 Betrugsfälle, wie die Ermittler in Fulda darlegten. Davon seien 145 - und damit 98 Prozent - aufgeklärt worden. Minister Poseck nannte das "eine nahezu sensationelle Erfolgsbilanz". Für dieses Jahr rechnet LKA-Präsident Röhrig mit Zahlen auf einem ähnlichen Niveau.
Künftig sollen die Ermittler personellen Zuwachs bekommen, wie Poseck ankündigte, ohne aber konkrete Zahlen zu nennen. Aktuell arbeiten acht Ermittlerinnen und Ermittler für die Spezialabteilung des LKA.
LKA-Präsident Röhrig erklärte, dass die Ermittelnden über eine besondere Expertise verfügen müssen, um Betrug und Korruption im Gesundheitswesen und seinem komplexen Abrechnungssystem entdecken zu können. Sie pflegten daher auch engen Kontakt zu den Krankenkassen.
Zentralstelle mit dunkler Vergangenheit und Justiz-Skandal
Noch vor Jahren wurden die Ermittlungen im Gesundheitswesen von Frankfurt aus geführt. Die Zentralstelle für Medizinwirtschaftsstrafrecht war bei der Generalstaatsanwaltschaft angesiedelt.
Sie war im Herbst 2009 gegründet worden und zuständig für Betrugs- und Korruptionsfälle im Gesundheitswesen. Als Konsequenz aus den Vorwürfen gegen ihren damaligen Leiter wurde die Zentralstelle im Jahr 2020 aufgelöst.
Denn der oberste Korruptionsermittler der Behörde, Alexander B., wurde im Mai 2023 selbst verurteilt. Das Landgericht Frankfurt verhängte eine Haftstrafe von sechs Jahren - wegen gewerbsmäßiger Bestechlichkeit, schwerer Untreue und Steuerhinterziehung. Denn der Oberstaatsanwalt und Chef-Ermittler B. kassierte in seinem Gutachten-System aus verschiedenen Quellen selbst ab.
Richter kritisiert Justiz scharf
Bei der Urteilsbegründung wurde die hessische Justiz scharf kritisiert. Die Taten seien durch ein Kontrollversagen der Justiz begünstigt gewesen - und zwar auf ganzer Linie, wie der Vorsitzende Richter in Frankfurt erklärte.
Nach dem Justiz-Skandal wurde die Zentralstelle nach Fulda verlegt. Dort macht sie nach Einschätzung von Innenminister Poseck und LKA-Präsident Röhrig nun gute Arbeit.