Neue CDU/SPD-Koalition in Hessens Landtag Boris Rhein als Ministerpräsident von Hessen wiedergewählt
Die neue schwarz-rote Koalition in Hessen hat Boris Rhein (CDU) im Amt des Ministerpräsidenten bestätigt. Er erhielt im Landtag sogar eine Stimme mehr, als das Bündnis hat.
Boris Rhein bleibt Ministerpräsident von Hessen. Die neue Koalition von CDU und SPD wählte den Unionspolitiker aus Frankfurt am Donnerstag in der konstituierenden Sitzung des Landtags in Wiesbaden erneut ins Amt.
Der 52-Jährige erhielt in der geheimen Abstimmung 76 Ja-Stimmen. Das Regierungslager verfügt über insgesamt 75 der 133 Mandate im Landtag. 56 Abgeordnete stimmten mit Nein. 67 Stimmen waren für die Mehrheit nötig.
Erste schwarz-rote Koalition
Rhein war Ende Mai 2022 in der damals noch schwarz-grünen Koalition als Nachfolger von Volker Bouffier erstmals ins Amt gekommen.
Aus der Landtagswahl im vergangenen Oktober ging die Hessen-CDU mit Rhein als klare Siegerin hervor. Sie entschied sich für ein Ende der zehnjährigen Koalition mit den Grünen und für die erste unionsgeführte CDU/SPD-Koalition in der Geschichte Hessens.
Wallmann als Präsidentin wiedergewählt
Als Landtagspräsidentin wurde Astrid Wallmann wiedergewählt. Die 44-Jährige aus Wiesbaden, die 2022 ins Amt kam, erhielt breite Zustimmung, lediglich die AfD enthielt sich. Wallmann beschwor den Wert der freiheitlichen Demokratien. Das Vertrauen in Parteien, Politiker und den Staat allgemein sei gesunken. "Unsere Demokratie braucht mehr denn je aktive Demokraten", forderte sie.
Zu Wallmanns Stellvertretern wurden Frank Lortz (CDU), Daniela Sommer (SPD), Angela Dorn (Grüne) und René Rock (FDP). Als Einzige fiel die AfD-Kandidatin Anna Nguyen in drei Wahlgängen durch, als die Vize-Präsidenten bestimmt wurden. Das sei enttäuschend, unfair und schade dem Ansehen des Parlaments, sagte Nguyen. Die "selbsternannten demokratischen Parteien" legten zweierlei Maß an.
Regierungschef wirbt für "neuen Stil"
Nach seiner Wiederwahl zum Regierungschef dankte Rhein den Bürgerinnen und Bürgern für einen klaren Regierungsauftrag. Dies bringe in einer Zeit großer Verunsicherung auch große Verantwortung mit sich. "Die Gefahr, dass diese multiplen Krisen zu einer Krise von Demokratie und Politik insgesamt werden, diese Gefahr ist nicht gering", sagte Rhein.
Viele Menschen hätten das Gefühl, dass die Demokratie ihr zentrales Versprechen nicht einlöse, Politik für die Mehrheit zu machen. Es gehe daher darum, verlorengegangenes Vertrauen in die Demokratie wiederzugewinnen und zu zeigen: Keine andere Staatsform sei in der Lage, die Herausforderungen der Zeit zu meistern.
Der wiedergewählte Ministerpräsident, der zuvor Landtagspräsident war, warb bei den Abgeordneten für einen "neuen Stil": Bei allem gebotenen Ringen um die beste Lösung müssten die Gemeinsamkeiten der Demokraten stets sichtbar bleiben. "Niemand vertritt alleine das Volk", betonte Rhein.
Regierungserklärung folgt
Auf das Programm der Regierung ging Rhein nur allgemein ein. Er wird es in der kommende Woche im Landtag in einer Regierungserklärung umreißen. Der CDU-Politiker hatte bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags eine "progressiv-pragmatische" Politik angekündigt. Man wolle die Probleme einer breiten Mehrheit anpacken und die nötigen Veränderungen schonend vollziehen.
Im Koalitionsvertrag, der vor allem die Handschrift der CDU trägt, werden unter den Kernpunkten ein starker Staat und eine stabile Wirtschaft angestrebt. Unter anderem ist das Festhalten an der Schuldenbremse vorgesehen sowie eine striktere Asylpolitik mit mehr Abschiebungen.
Außerdem ist die Ausweitung der Fahndungsmöglichkeiten der Polizei durch Künstliche Intelligenz und Videoüberwachung vorgesehen. Geplant sind Investitionen in Kitas, der Ausbau von Ganztagsschulen und die Schaffung bezahlbaren Wohnraums. CDU und SPD halten auch am verfassungsrechtlich umstrittenen Ziel fest, Gender-Sonderzeichen nicht nur an Schulen und in der öffentlichen Verwaltung zu verbieten, sondern auch an Universitäten und im Rundfunk.
Der frisch gewählte Ministerpräsident nahm anschließend Gratulationen aus seiner Partei, vom neuen Koalitionspartner SPD und weiteren Landtagsabgeordneten entgegen. In einem Blumenstrauß, der ihm aus der nun oppositionellen Fraktion der Grünen überreicht wurde, waren ein paar Spitzen versteckt: zwischen den Blüten steckte eine Distel.
Rhein: "Jetzt geht es an die Arbeit"
Das neue Kabinett wurde am Donnerstagnachmittag von Rhein im sogenannten blauen Kabinettszimmer ernannt, bevor die neuen Minister und Ministerinnen ihren Amtseid im Landtagsplenum ablegten. Danach ging es zur ersten Kabinettssitzung: "Jetzt geht es an die Arbeit", sagte Rhein. Die Vorhaben aus den Koalitionsverhandlungen könnten nun umgesetzt werden. "Jeder einzelne Minister ist aus meiner Sicht ein Fachmann für sein Thema", erklärte der Regierungschef über seine Ministerriege.
Zu Beginn der Woche hatten CDU und SPD die Personalien bereits vorstellt. Auf die CDU entfallen acht von elf Ministerien. Die SPD erhält drei Ressorts.
Auf Seite der Union sind lediglich drei Politiker dabei, die bereits in der letzten schwarz-grünen Landesregierung Verantwortung trugen. Zwei von ihnen übernehmen andere Ressorts: Der bisherige Kultusminister Alexander Lorz ist nun Finanzminister, sein Nachfolger im Bildungsressort wurde der bisherige Bundestagsabgeordnete Armin Schwarz. Roman Poseck, zuvor Justizminister, übernimmt das Innenministerium.
Das größte Ministerium für die SPD übernimmt der Frankfurter Bundestagsabgeordnete Kaweh Mansoori. Er wird auch Vize-Ministerpräsident. Innerhalb der SPD führte die Verteilung der Ressorts zu einer heftigen Auseinandersetzung. Der bisherige Fraktionschef Günter Rudolph, einer der Wegbereiter der schwarz-roten Koalition, erhielt keinen Posten. Für den Fraktionsvorsitz kandidierte er anschließend nicht mehr.
Die SPD-Landesvorsitzende Nancy Faeser bleibt Bundesinnenministerin in Berlin. Sie hatte als Spitzenkandidatin ihrer Partei schon vor der Landtagswahl angekündigt, nur im Fall eines Sieges und als Ministerpräsidentin nach Wiesbaden zurückzukehren.
AfD-Alterspräsident kritisiert Größe des Landtags
Die konstituierende Sitzung war vom AfD-Politiker Bernd-Erich Vohl als ältestem aller Abgeordneten eröffnet worden. Der 73-Jährige kritisierte, dass das Parlament erst mehr als 100 Tage nach der Landtagswahl mit der Arbeit beginne. Ein kürzerer Abstand könne die Produktivität erhöhen.
Als Alterspräsident regte Vohl zur Steigerung der Effizienz auch eine fraktionsübergreifende Einigung zur Begrenzung der Größe des Landtags an. Es sei zwar sehr schön, "hier weitere 132 Kollegen begrüßen zu dürfen, doch der hessische Landtag besteht eigentlich nur aus 110 Abgeordneten", sagte er. Die zusätzlichen Sitze im Parlament ergeben sich aus Überhang- und Ausgleichsmandaten.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 18.01.2024, 19.30 Uhr
Redaktion: Wolfgang Türk