Bürgerentscheid Kiedrich stimmt gegen Windkraft
In Kiedrich wird es erstmal keinen Windpark geben. Eine Mehrheit stimmte am Sonntag gegen den Plan der Gemeinde, Windräder zu errichten - womöglich, weil die vorgesehene Fläche in einem Wasserschutzgebiet liegt.
939 Bürgerinnen und Bürger in Kiedrich (Rheingau-Taunus) stimmten am Sonntag für die Windkraft. Das allerdings reichte bei Weitem nicht: Mit 1.336 lag die Zahl der Nein-Stimmen deutlich höher. Damit wurde auch das nötige Quorum erreicht, der Bürgerentscheid ist somit bindend. Die Beteiligung lag bei 72,3 Prozent.
Damit ist der Plan vom Tisch, Teile des Gemeindewalds zu verpachten, um dort Windenergieanlagen zu errichten. Die Windräder sollten auf den kommunalen Flächen installiert werden, die das Land Hessen als Vorranggebiet ausgewiesen hat.
Bündnis versprach sich Mehreinnahmen
Gleich drei Bürgerinitiativen hatten sich zusammengeschlossen, um für die Windkraft in Kiedrich zu werben. Die Bürgergesellschaft Rheingauwind, der Verein Umweltzukunft Rheingau und die Arbeitsgemeinschaft Energie-Zukunft Rheingau bildeten ein Bündnis. "Windkraft schafft Arbeitsplätze, macht uns unabhängiger von Energie-Importen und schont die Ressourcen", warben sie.
Die Initiatoren betonten, dass man auf die veränderten Umweltbedingungen eingehen müsse. Den Temperaturanstieg in Folge des Klimawandels zu bremsen, sei nur eines von vielen Argumenten für den schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien.
Zusätzlich verwies das Bündnis auf Mehreinnahmen für die Gemeinde. Durch die Verpachtung von Flächen hätte Kiedrich mit Mehreinnahmen von deutlich über 200.000 Euro pro Jahr und pro Windrad rechnen können, hieß es. Bei drei Windrädern beispielsweise wären es also über 600.000 Euro im Jahr gewesen.
Verein kritisierte Windradbau im Wald
Der Verein Pro Kulturlandschaft Rheingau war gegen das Vorhaben. Dass Windräder im Gemeindewald entstehen könnten, lehnten seine Vertreter ab: "Nicht an jeder Stelle in Hessen müssen Windräder gebaut werden. Sie gehören nicht in den Wald, sondern auf freies Feld."
Der Wald diene als Erholungsquelle und sei Lebensraum vieler Tiere. Durch den Bau von Windrädern würden Flora und Fauna zerstört. "Das von Wanderern, Wein- und Kulturliebhabern geschätzte Rheintal wird verschandelt", teilten die Gegner des Bürgerentscheids mit.
Der Verein kritisierte außerdem, dass es zu wenig Wind in der Region gebe: "Wenn kein Wind herrscht, wird auch kein Strom produziert. Also brauchen wir einen Verbund mit anderen, nur gemeinsam können wir dauerhaft und stabil Strom bereit stellen." Man sei nicht generell gegen Windkraft, aber eben nur dort dafür, wo es Sinn ergebe. "Windräder gehören konzentriert auf gemeinsame Flächen, das spart Wege- und Kabelbau", hieß es.
Streitpunkt Trinkwasser
Uneinigkeit herrschte im Vorfeld des Bürgerentscheids vor allem beim Thema Trinkwasser. In Kiedrich gibt es zwei Schürfungen, wo Trinkwasser gewonnen wird. Die Schürfung "Sillgraben" liegt teilweise in dem Gebiet, wo mögliche Windräder entstehen könnten. Dort werden zwei Drittel des Trinkwassers in Kiedrich gewonnen.
Die Gemeinde hatte deshalb eine fachliche Stellungnahme in Auftrag gegeben, um zu überprüfen, ob die Trinkwasserversorgung unter der Windkraft leiden könnte. Das beauftragte Unternehmen Wasser und Boden GmbH kam vor Kurzem zu dem Ergebnis, dass die "oberflächennahe Quellfassung" am "Sillgraben" tatsächlich durch die Aufstellung von Windrädern beeinträchtigt werden könnte. Ein Eingriff in den Untergrund könnte "deutliche Gefährdungen für die Fassung darstellen", heißt es in dem Bericht. Empfohlen wurde deshalb, die südwestliche Grenze der Vorrangfläche um mindestens 700 Meter zu verschieben.
Der Verein Pro Kulturlandschaft Rheingau ließ nach der Veröffentlichung des Berichts "Kiedricher Trinkwasser in Gefahr – Nein zu Windrädern" auf seine Flyer drucken. Die Fraktion der CDU sprach sich ebenfalls gegen die Windkraft in Kiedrich aus. Der Bau von Windkraftanlagen stelle ein "nicht verantwortbares Risiko dar", hieß es in einer Pressemitteilung.
Das Aktionsbündnis, das für die Windkraft warb, stellte sich dem entgegen. Die Trinkwasserversorgung zu gewährleisten sei wichtig. Möglichkeiten, das Risiko zu minimieren, hätte es demnach aber gegeben. Auch die Anzahl der Windräder hätte man den Gegebenheiten anpassen können.
Eltville stimmte für Windkraft
Im Rheingau ist der Streit über Windkraft nichts Neues. Jahrelang scheiterten Investoren am Widerstand der Bevölkerung, Windräder in der Region zu bauen. Doch ein Bürgerentscheid in diesem Jahr brachte die mögliche Wende. In Eltville am Rhein (Rheingau-Taunus) sprach sich im Februar die Mehrheit der Wahlberechtigen dafür aus, eine konkrete Planung für Windparks zu starten.
Sendung: hr-iNFO, 10.06.2024, 6 Uhr
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