Bürgerentscheid in Frankfurt Gegner und Befürworter entscheiden über Abwahl Feldmanns
Wird Peter Feldmann am Sonntag als Oberbürgermeister von Frankfurt abgewählt oder nicht? Prognosen gibt es wenige, denn entscheidend ist nicht nur wie, sondern auch wie viele der Frankfurterinnen und Frankfurter abstimmen.
Große Schlangen sind an den rund 380 Abstimmungsräumen im Frankfurter Stadtgebiet nicht zu sehen, Wahlhelferinnen und Wahlhelfer berichten in einigen Bezirken von einem stetigen Kommen und Gehen auf eher niedrigem Niveau. Auffälliger sind die Sticker und Werbeplakate an Laternen- und Ampelmasten im gesamten Stadtgebiet, die verraten, dass in Frankfurt am Sonntag ein Bürgerentscheid läuft.
Die Frage, die es für rund 513.000 Wahlberechtigte zu beantworten gilt: "Stimmen Sie für die Abwahl des Oberbürgermeisters der Stadt Frankfurt am Main, Herrn Peter Feldmann?" Die Antwortmöglichkeiten sind einfach: "Ja" oder "Nein".
Kaum einer wagt Prognosen
Wesentlich komplizierter ist die Prognose, wie das Ergebnis der etwa 1,6 Millionen Euro teuren Abstimmung ausfallen könnte. Nach der hessischen Gemeindeordnung müssten 30 Prozent der Wahlberechtigten mit "Ja" stimmen, damit es zur Abwahl kommt.
Eine von der "Initiative Neustart Frankfurt" in Auftrag gegebene Vorab-Umfrage mit einer Stichprobe von 500 Personen aus Frankfurt ergab, dass 52 Prozent der Befragten für eine Abwahl seien. 80 Prozent der Befragten gaben an, entweder sicher oder wahrscheinlich an der Abstimmung teilnehmen zu wollen. Damit sei das notwendige Quorum für die Abwahl erreichbar, folgert die Initiative.
Bei der Stichwahl, die Feldmann 2018 seine zweite Amtszeit bescherte, hatten hingegen nur 30,2 Prozent der Wahlberechtigten überhaupt eine Stimme abgegeben. Bei einer solchen Wahlbeteiligung wäre - abzüglich der "Nein"-Stimmen - eine Abwahl sehr unwahrscheinlich. Das Problem: Alle Vergleiche zu vorherigen Wahlen oder Bürgerentscheiden hinken, denn eine direkte Abstimmung über die Abwahl eines Oberbürgermeisters ist ein absolutes Novum in der Stadtgeschichte.
Intensive Kampagne
Ein Novum ist auch die Kampagne, mit der für die Abwahl des umstrittenen Oberbürgermeisters geworben wird. Fünf Parteien aus dem Stadtparlament haben sich über Koalitions- und Oppositionsgrenzen hinweg zusammengeschlossen, darunter auch Feldmanns eigene Partei, die SPD. "Für ein Kreuz vergessen wir mal alle Farben", heißt es auf ihren Plakaten. Neben der Parteien-Kampagne werben mittlerweile auch Privatleute aus der Frankfurter Wirtschaft und weitere Initiativen für die Abwahl.
Für die einen ist es eine regelrechte Hetzkampagne geworden, die gegen Peter Feldmann betrieben wird - und Grund genug, am Sonntag entweder mit "Nein" oder bewusst gar nicht abstimmen zu wollen. Für die anderen ist der 64 Jahre alte Sozialdemokrat nach einer Reihe öffentlicher Fehltritte und einem laufenden Korruptionsprozess vor dem Landgericht schon lange nicht mehr als Stadtoberhaupt tragbar.
Contra Feldmann: Fehltritte und Korruptionsverdacht
Feldmann steht im Zusammenhang mit der AWO-Affäre unter Korruptionsverdacht. Vor dem Frankfurter Landgericht läuft seit Oktober ein Prozess, in dem ihm Vorteilsannahme vorgeworfen wird. Dabei geht es unter anderem um ein übertarifliches Gehalt seiner Ehefrau als Leiterin einer AWO-Kita.
Dazu kommt eine Reihe von Fehltritten in der Öffentlichkeit: Der "Pokalklau" bei der Begrüßung der Eintracht nach dem Europacup-Finale. Dann ein Video auf Twitter, in dem Feldmann eine sexistische Bemerkung über Flugbegleiterinnen macht. Schließlich ist es auch der Umgang mit den Rücktrittsforderungen selbst, das monatelange Hin- und Her, das ihm auch aus den Reihen der eigenen Partei den Rückenwind entzogen hat.
Pro Feldmann: Unschuldsvermutung und Sozialpolitik
"Ich bin nicht korrupt", erklärte der SPD-Politiker indes im Stadtparlament. Auch im Prozess vor dem Landgericht beteuert er weiter seine Unschuld, lieferte dort mit detaillierten und pikanten Details aus seinem Privatleben aber einen durchaus fragwürdigen Auftritt.
Die Unschuldsvermutung ist jedoch auch ein Argument derer, die gegen die Abwahl sind: Das Gericht solle erst sein Urteil fällen, nicht davor schon die Öffentlichkeit. Feldmann zugute gehalten wird aus Sicht seiner Befürworterinnen und Befürworter zudem, was er sozialpolitisch für die Stadt geleistet habe: eine Mietenbremse, kostenlose Kinderbetreuung und günstigere ÖPNV-Tickets.
Und Feldmann selbst?
Ein Oberbürgermeister im Einsatz für soziale Gerechtigkeit - das ist auch das Bild, das Feldmann weiterhin in der Öffentlichkeit von sich wahren will. Sein letzter Tweet am 26. September, eine Reaktion auf die Plakat-Kampagne der fünf Parteien: "Sammelt lieber für die Tafeln. Vom Plakatieren werden die Menschen nicht satt."
Das hat er vor Beginn seines Korruptionsprozesses geschrieben. Aber auch dort versucht er über seine Verteidiger das Bild aufrechtzuerhalten vom "obersten Klassensprecher", dem es immer um das Wohl der Menschen in Frankfurt gegangen sei.
Feldmann will sich im Römer äußern
In den Tagen vor dem Bürgerentscheid war es ruhiger geworden um Peter Feldmann. Zu seinem letzten Gerichtstermin vor der Wahl ist er aus gesundheitlichen Gründen nicht erschienen. Knapp eine Woche vor dem Bürgerentscheid hatte Feldmann sich mit dem Coronavirus infiziert. Inzwischen habe er sich freitesten können, teilte sein Sprecher am Sonntag dem hr mit. Nach Auszählung der Stimmen wolle Feldmann sich im Römer der Öffentlichkeit stellen.
Wie auch immer die Entscheidung ausgeht - bis zum 11. November bleibt Feldmann auf jeden Fall im Amt. Dann wird das Abstimmungsergebnis offiziell vom Gemeindewahlausschuss festgestellt.
Sendung: hr-iNFO, 04.11.2022, 7.05 Uhr
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