AfD-Spitzenkandidat Jan Nolte Posterboy der extremen Rechten

Mit Mitte 30 steht Jan Nolte aus dem nordhessischen Frankenberg vor seinem dritten Einzug in den Bundestag. Auf Fragen zur Lösung von Deutschlands Problemen gibt der AfD-Abgeordnete im Grunde immer die gleiche Antwort.

Ein Mann mit scharfem Seitenscheitel und strengem Blick im Anzug schaut in die Kamera. Er steht vor einem Aufsteller, auf dem Worte "Herzlich willkommen" teilweise zu lesen sind und mit dem die AfD für Mitglieder mit Einwanderungsgeschichte wirbt
Jan Nolte in Neu-Isenburg vor einem Plakat, das gezielt Menschen mit Einwanderungsgeschichte ansprechen soll, in die AfD einzutreten. Bild © hessenschau.de

Draußen stehen rund 9.000 Menschen, demonstrieren gegen die AfD-Wahlkampfveranstaltung in Neu-Isenburg (Offenbach) Anfang Februar, rufen "Nazis raus!".

Drinnen in der Hugenottenhalle steht einer der Angesprochenen und verzieht das einzige Mal während des 20-minütigen Gesprächs eine Miene. Die Frage war: Im Falle einer Regierungsbeteiligung müsste die AfD ihre Komfortzone in der Opposition mal verlassen und erklären, wohin sie all die ausreisepflichtigen oder auch nur asylsuchenden Migranten bringen will, die aus ihrer Sicht all die Probleme in Deutschland verursachen - wo sollen sie hin?

"Na ja, Komfortzone", sagt Jan Nolte, Bundestagsabgeordneter der AfD aus Frankenberg an der Eder und hessischer Spitzenkandidat seiner Partei. "Sie hören doch, was da draußen los ist. So geht das seit Jahren. In der Komfortzone ist nun wirklich niemand, der für die AfD Politik macht."

Videobeitrag

Bundestagswahl: AfD-Spitzenkandidat Jan Nolte

AfD-Kandidat Jan Nolte beim Interview
Bild © hr
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So geht das seit Jahren. Und stetig legt die in Teilen rechtsextreme Partei in den Umfragen und bei Wahlergebnissen auf Landes- und Bundesebene zu. Bei der Hessen-Wahl 2023 wurde sie zweitstärkste Kraft, bei der Bundestagswahl am 23. Februar ist das ebenfalls zu erwarten. Dennoch pflegt die Partei weiterhin ihr Opfer-Image, während sie unablässig alle anderen verächtlich behandelt und niedermacht.

Zur Not Migranten an Drittstaaten abgeben

Eine Antwort auf die oben erwähnte Frage hat Nolte auch. Er sagt: Erst mal alle Grenzen schließen, die Zahl der Plätze in der Abschiebehaft erhöhen, die Bundeswehr bei Abschiebungen einsetzen, Anwälte sollen Abzuschiebende nicht mehr warnen dürfen.

Wo sollen die Menschen hin? Am besten in die Heimatländer, sagt Nolte. Falls die sie nicht aufnehmen wollen, müsse Deutschland Druck auf sie ausüben, so wie Trump. Ein Mittel wäre, so Nolte, ihnen die Entwicklungshilfe zu streichen. Oder einen Drittstaat dafür bezahlen, dass er die Abgeschobenen aus Deutschland aufnimmt. Das wäre das Ruanda-Modell, mit dem Großbritannien gescheitert ist.

Wie auch immer, entscheidend ist aus Sicht des Berufssoldaten, dass die Zahl der Asylsuchenden in Deutschland deutlich sinke. "Die Menge der Migranten geht über die Integrationsfähigkeit unseres Landes einfach weit hinaus", findet Jan Nolte.

Traum von der schwarz-blauen Koalition

Bis auf wenige Details zählt der 36-Jährige hier Forderungen auf, die in diesem Bundestagswahlkampf auch CDU/CSU und FDP erheben, genauso wie das BSW. Umso mehr regt sich Nolte auf über die Abweichler in der Unionsfraktion bei der Abstimmung über deren "Zustrombegrenzungsgesetz" unmittelbar vor dem Termin in Neu-Isenburg: "Es ging um eine moderate Verschärfung der Migrationspolitik. Nach drei Tagen Gegenwind ist Friedrich Merz umgefallen. Wir stehen seit zehn Jahren im Gegenwind - einmal hätten wir eine standhafte CDU gebraucht!"

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Hessische Spitzenkandidaten

hessenschau.de stellt die hessischen Spitzenkandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien für die Bundestagswahl 2025, also die jeweils Erstplatzierten auf den Landeslisten, näher vor.
Montag, 10. Februar: Bettina Stark-Watzinger (FDP)
Dienstag, 11. Februar: Janine Wissler (Linke)
Mittwoch, 12. Februar: Ali Al-Dailami (BSW)
Freitag, 14. Februar: Anna Lührmann (Grüne)
Samstag, 15. Februar: Patricia Lips (CDU)
Sonntag, 16. Februar: Jan Nolte (AfD)
Montag, 17. Februar: Sören Bartol (SPD)

Auch die hessenschau im hr-fernsehen berichtet in dieser Woche über sie.

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Was Deutschland nun brauche, sei eine schwarz-blaue Koalition. Nolte sagt, die Union sehe doch, dass sie anders ihre Vorstellungen einer "Migrationswende" nicht umsetzen werden könne. "Doch die Migration ist die Mutter aller Probleme, damit hat Horst Seehofer (der frühere Bundesinnenminister von der CSU, d. Red.) mal Recht gehabt."

Hoffen auf Kriegsende mit Trump

In diesem Sinne erwartet er von einer solchen Wende ein insgesamt funktionsfähigeres Deutschland: ein besseres Bildungssystem, weil Kinder ohne Deutschkenntnisse es nicht mehr überfordern; endlich wieder "nationale Sicherheit" und Souveränität; eine bessere Integration derer, die man im Land lassen wolle zum Arbeiten, weil mehr Zeit und Geld für sie da wären; ein entlastetes Sozialsystem, weil etwa die Hälfte der Bürgergeld-Empfänger nicht mehr da wäre.

Gut, darunter seien über eine Million Geflüchtete aus der Ukraine. Doch die könnten zurück in ihr Land, sobald dort der Krieg beendet sei. Wie das zu schaffen sei? Der neue US-Präsident Trump werde dort sicher viel in Bewegung bringen. Man müsse Putin "mal ein konkretes Angebot machen". Keine zwei Wochen nachdem Nolte das sagt, wird Trump in Sachen Friedensverhandlungen vorpreschen.

Jan Nolte saß zuletzt im Verteidigungsausschuss des Bundestags. Er stellt klar, dass er Putins Regime für den Verantwortlichen dieses Krieges halte. Andererseits gibt er kremlnahen Zeitungen gerne Interviews. Und er wünscht sich, wie so viele in seiner Partei, wieder ein anderes Verhältnis zu Russland. Schon allein, weil Deutschland billiges Erdgas von dort beziehen müsse, wie früher, anders komme die deutsche Wirtschaft nun mal nicht ins Laufen, glaubt er.

Weg zur teils offen rechtsextremen Partei mitgegangen

"Deutschland wieder stolz machen!" Das ruft Nolte später bei seiner kurzen Rede in der Hugenottenhalle, um die Menge vor dem Auftritt von Parteichefin Alice Weidel scharf zu machen. Was immer das heißen soll. "Wir holen uns unser Land zurück", sagt er auch. Von wem, kann sich jeder in der Halle selbst denken: von den Ausländern, von den regierenden Politikern, von der EU, von der Deutschland überaus profitiert. Je länger Nolte redet, desto rechter klingt er.

Als sich die AfD 2013 gründete, war das Programm: Raus aus dem Euro, damit Deutschland wieder souverän ist. Ein Jahr später trat Nolte wegen der Euro-Rettungspolitik in der Griechenland-Krise in die Partei ein, "weil ich nicht nur meckern, sondern gestalten wollte", wie er sagt. Er ging den ganzen Weg von der euroskeptischen zur teils offen rechtsextremen Partei mit. Das kommt nicht von ungefähr.

Nolte beschäftigte in seiner ersten Zeit als Bundestagsabgeordneter als persönlichen Referenten einen Bundeswehrsoldaten, den der Militärische Abschirmdienst als rechtsextrem einstufte. Seine Frau Katrin Nolte arbeitete für das Compact-Magazin des neu-rechten Vordenkers Jürgen Elsässer und ist nun beim ähnlich gestrickten Deutschland-Kurier. Nolte selbst führte etliche Jahre den hessischen Landesverband der Jungen Alternative, den der Verfassungsschutz als "gesichert extremistisch" und demokratiefeindlich einstuft. Er redet so gerade und scharf, wie er seinen Scheitel gezogen hat. Ein Posterboy der extremen Rechten.

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Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de