AfD-Wahlkampf in Neu-Isenburg Alice Weidel gibt den Trump

Beflügelt von den Umfragewerten und den gemeinsamen Abstimmungen mit der CDU im Bundestag feiert sich die AfD in Neu-Isenburg selbst. Ihre Kanzlerkandidatin braucht nicht viel, um ihren Zuhörern Liebesbekundungen zu entlocken - schon gar keine neuen Ideen.

Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel steht mit zurückgebundenen blonden Haaren und im dunklen Blazer hinter einem Rednerpult auf einer Wahlkampfbühne in einer Halle. Hinter ihr eine Wand mit hellblauer Tapete und vielen "AfD"-Logos.
Alice Weidel am Samstag in der Hugenottenhalle in Neu-Isenburg. Bild © picture alliance/dpa | Andreas Arnold

"Brandmaurer", "erbärmlicher Kanzlerkandidat", "linksextreme Anti-Demokraten", Buh-Rufe bei der bloßen Namensnennung von Robert Habeck (Grüne) und Angela Merkel (CDU). So abschätzig sprechen Rednerinnen und Redner der in Teilen rechtsextremen AfD an diesem Samstagnachmittag über ihre politischen Gegner. Um im nächsten Atemzug eine "ungeheure Diffamierung gegen unsere Partei seit zehn Jahren" zu beklagen.

So klingt der AfD-Sound seit zehn Jahren: Wir gegen die, wir als ausgegrenzte Opfer im Politikbetrieb, wir als letzte Verteidiger des gesunden Menschenverstands. Dass sie keine Rede ohne Spott und Beleidigungen gegenüber Andersdenkenden hinbekommen - na und? Außerdem: Man soll wieder sagen dürfen, was man will.

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AfD-Veranstaltung in Neu-Isenburg

Alice Weidel spricht bei einer AfD- Wahlkampfveranstaltung
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So sind zwar die "Nazis raus!"-Rufe von der Gegendemonstration außerhalb der Hugenottenhalle in Neu-Isenburg (Offenbach) schon ziemlich verstummt, als Alice Weidel mit Verspätung als Hauptrednerin auf der Wahlkampfbühne auftritt. Aber darauf hinzuweisen, welch "undemokratischer Geist" von dort draußen in die Halle weht und dass die tausenden Demonstrantinnen und Demonstranten die Verzögerung verschuldet hätten, gebietet ihr schon der politische Instinkt.

Anti-Corona-Politik begeistert

War es in ihrer Anfangszeit der angebliche rot-grüne Zeitgeist, gegen den die AfD ins Feld zog, spürt die Bundesvorsitzende und Kanzlerkandidatin der Partei nun einen "Stimmungswechsel" im Land: "Die Menschen wollen wieder Normalität haben!" Jubel der etwa 1.000 Zuhörerinnen und Zuhörer im Saal.

Zurück zur Normalität heißt demnach: die Grenzen Deutschlands dicht machen; für Asylbewerber im Land nur noch Sachleistungen, kein Geld; alle Ausreisepflichtigen sofort abschieben; "sofortiges Moratorium bei Einbürgerungen"; das Pariser Klimaabkommen aufkündigen; Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation WHO. Nach dem letztgenannten Punkt johlt das Publikum am lautesten.

"Von Tag eins an"

Alice Weidel sagt, das alles geschehe "von Tag eins an", sobald die AfD als Teil der Bundesregierung den nötigen Wandel in der Politik hierzulande vorantreibe. Das klingt nicht nur nach Donald Trump. Das ist ziemlich wortgleich abgekupfert von den Ankündigungen des US-Republikaners kurz vor seinem Amtsantritt als neuer US-Präsident.

Und das kommt nicht von ungefähr: Weidels Vorredner und Co-Bundesparteichef Tino Chrupalla hat ja begeistert davon erzählt, wie "beeindruckend" er es fand, als er Trump an dessen erstem Tag im Amt die vielen Dekrete unterschreiben sah, mit denen er all das anordnete: Grenzen dicht, Massenabschiebungen, raus aus Paris und WHO.

Dass Weidel selbst als Kanzlerin und mit einer absoluten Mehrheit ihrer Partei nicht diese Befugnisse hätte: geschenkt. Sie bittet wiederholt darum: "Macht uns stark!" Damit die AfD einen Corona-Untersuchungsausschuss im Bundestag beantragen könne.

Heftige Kritik an CDU-Chef Merz

Und damit die AfD eine stabile Regierung bilden könne. Dies wäre wohl aus Sicht der Partei notgedrungen mit der Union, dessen Kanzlerkandidat Friedrich Merz härter und herabsetzender kritisiert wird bei diesem Wahlkampftermin als alle anderen. Denn Weidel, Chrupalla und der hessische Spitzenkandidat Jan Nolte sprechen zu ihren johlenden und jubelnden Anhängerinnen und Anhängern am Ende einer denkwürdigen Woche im Bundestag.

Merz brachte dort einen Entschließungsantrag für eine schärfere Migrationspolitik ein und mit Hilfe der AfD-Stimmen durch. Bei einem fast gleich lautenden Gesetzentwurf ("Zustrombegrenzungsgesetz") misslang ihm dies zwei Tage später. Der Bundestagsabgeordnete Nolte berichtet, wie ungeheuerlich das alles gewesen sei. Dabei trat die AfD 2017 im Bundestag mit der Mission an, dort alles anders zu machen und "die anderen Parteien zu jagen".

Nun gilt Merz den AfD-Vorderen als Umfaller, nur weil es Gegenwind zu seinen an sich doch nur rechten und billigen Vorschlägen ("moderate Verschärfungen" nennt Nolte sie) gegeben habe. Merz habe seine eigene Partei nicht im Griff, die CDU sei eben immer noch von Merkel geprägt. Und doch bleibt eine - von dieser bisher ausgeschlossene - Zusammenarbeit mit der Union die einzige Machtoption der AfD.

Trump als Vorbild

Die AfD würde sich dafür hergeben, sagt Chrupalla: "Erst das Land, dann die Partei, dann die Person."

Dieses Land, sagt Weidel, habe es verdient, dass die Regierung endlich wieder Politik für seine Bürgerinnen und Bürger mache. Noch einmal kopiert sie Trump, der mit seinen erfolgreichen Präsidentschaftskandidaturen Populisten weltweit als Vorbild taugt: "Unsere Aufgabe ist es, Deutschland wieder groß und stolz zu machen."

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de