Bundestagswahl 2025 So ticken junge Kandidaten in Hessen
Fachkräftemangel, Migration, Gerechtigkeit - wir haben junge Bundestagskandidaten aus Hessen gefragt, wofür sie stehen und welche Veränderungen sie anstoßen wollen.
Wenn am 23. Februar die Bundestagswahl stattfindet, wird es auch für junge Kandidatinnen und Kandidaten aus Hessen spannend. Werden sie den Einzug in den Bundestag schaffen? Wir haben die jeweils jüngsten unter den ersten zehn Kandidaten der Landeslisten der aktuell im Bundestag vertretenen Parteien zum Interview eingeladen. Welche Themen sind ihnen besonders wichtig? Wie stehen sie zur Brandmauer gegen die AfD? Hier lesen Sie die Kurzprotokolle mit den Kernaussagen.
Die Interviews führten Christiane Schulmayer und Leonie Rosenthal.
Ende der weiteren InformationenNatalie Pawlik (SPD): "Demokraten halten zusammen"
Nathalie Pawlik ist 32 Jahre alt, tritt für die SPD auf Platz 8 der Landesliste an und als Direktkandidatin im Wahlkreis Wetterau I. Pawlik ist bereits Bundestagsabgeordnete und seit 2022 Beauftragte der Bundesregierung für Spätaussiedler und nationale Minderheiten.
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"Es sind die Menschen und ihre alltäglichen Probleme aus unserer Region, die mich antreiben, diese Arbeit fortzusetzen. Ich will für sie Politik machen, ihnen das Leben leichter machen und ein Stück weit auch unsere Gesellschaft verändern.
Bildungsgerechtigkeit
Ich bin selbst mit meiner Familie und meiner Schwester 1999 als sechsjähriges Mädchen aus Sibirien nach Deutschland gekommen als sogenannte Spätaussiedlerin. Wir wurden erstmal in Friedland in einem großen Erstaufnahmelager angenommen. Letztendlich kamen wir nach Bad Nauheim in ein Aussiedlerwohnheim.
Mich hat der Gedanke des sozialen Aufstiegs durch Bildung zur SPD gebracht. Ich habe in meiner eigenen Familie erlebt, was es heißt, sich ein neues Leben aufzubauen. Und was bei Menschen passiert, wenn ihre Schul- und Bildungsabschlüsse auf einmal nicht anerkannt werden.
Pflege, Wohnen und Wirtschaft
Ich merke, dass es bei den Leuten eine große Sehnsucht nach Stabilität gibt. Das Aus der Ampel-Koalition hat die Menschen sehr bewegt. Die Menschen möchten, dass einfach ihre ganz konkreten Lebensrealitäten besser werden. Wohnraummangel ist zum Beispiel ein großes Thema, genauso wie die Wirtschaft. Der Fachkräftemangel ist eines der größten Probleme, vor denen wir stehen.
Keine Zusammenarbeit mit Rechtsextremen
Ich glaube, dass rechtsextremistische Kräfte dann stark werden, wenn die demokratische Parteien aufhören, zusammenzuarbeiten - und gegeneinander arbeiten. Demokratinnen und Demokraten sollten gemeinsam versuchen, in der demokratischen Mitte Mehrheiten zu finden.
Demokraten halten zusammen. Sie arbeiten eben nicht mit Rechtsextremisten oder Parteien zusammen, die in Teilen rechtsextrem sind. Genau das bedeutet für mich die Brandmauer: dieser Zusammenhalt unter Demokratinnen und Demokraten."
Leopold Born (CDU): "Wir müssen mehr Fachkräfte holen"
Leopold Born ist 31 Jahre alt, tritt für die CDU auf Platz 5 der Landesliste an und als Direktkandidat im Wahlreis Frankfurt II. Born arbeitet im Bereich Cybersicherheit. Er ist Vorsitzender der Jungen Union Hessen.
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"Ich höre oft, ich sei zu jung. Ich glaube, das ist auch eine meiner größten Stärken. Wir müssen die gesamte Breite und Vielfalt unserer Gesellschaft im Deutschen Bundestag abdecken. Und dazu gehört auch, dass wir jungen Menschen eine Chance geben, unser Land mitzugestalten.
Ich will auch, dass wir unsere Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig machen. Wir müssen mehr Fachkräfte nach Deutschland holen können.
Ein weiterer Punkt ist die Energiepolitik. Die Energiepreise erdrosseln die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft. Es geht aber auch um Privathaushalte, deshalb müssen wir wieder niedrigere Energiepreise erzielen.
Verhältnis zur AfD
Die Brandmauer ist so groß und so stark wie noch nie zuvor. Im Moment kämpfen aber viele Parteien gegen die CDU. Wir kämpfen vor allem darum, die AfD wieder zu schwächen.
Wir stehen ganz fest an der Seite der Ukraine, während wir eine unheimlich putin- und russlandfreundliche Politik bei der AfD erleben. Eine Zusammenarbeit mit dieser menschenverachtenden Partei ist niemals möglich.
Migrationspolitik
Es ist notwendig, die Migration zu begrenzen. Und das ist auch Konsens in der politischen Mitte unseres Landes. Wir fordern keine pauschale Abweisung an der deutschen Grenze.
Wir fordern Grenzkontrollen, um irreguläre Migration, die ja nicht umsonst irreguläre Migration heißt, an den Grenzen zu verhindern. Es ist uns auch wichtig, dass ausreisepflichtige Straftäter in unserem Land auch ausreisen müssen."
Mahwish Iftikhar (Grüne): "Viele Menschen kämpfen im Stillen"
Mahwish Iftikhar ist 25 Jahre alt und Politikwissenschaftlerin. Sie tritt für die Grünen auf Platz 9 der Landesliste an und als Direktkandidatin im Wahlkreis Hanau. Nach dem rassistischen Anschlag von Hanau entschied sie sich, politisch aktiv zu werden.
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"Der schreckliche Anschlag in Hanau hat mich so weit politisiert, dass ich gesagt habe: Ich möchte auch parlamentarisch Einfluss nehmen und die Gesellschaft positiv verändern, damit sich alle Menschen sicher fühlen.
Ich habe mich für die Grünen entschieden, weil die Grünen tatsächlich die Werte repräsentieren, die meine persönlichen Werte sind. Das Thema Klima liegt mir sehr am Herzen, aber auch soziale Gerechtigkeit und Feminismus.
Bekämpfung von Extremismus
Ich setze mich für die Bekämpfung von Extremismus ein, sei es online oder offline. Ich glaube, die Anschläge in Aschaffenburg, Magdeburg und Hanau zeigen, wie wichtig es ist, dass wir Hass bekämpfen und die Gefahren von Extremismus, egal welcher Art sie sind.
Migration
Ich kenne sehr viele Menschen, die hier angekommen sind, arbeiten und wirklich Angst haben. Sie sagen: Werde ich jetzt abgeschoben? Ich bin ja selbst Migrantin. Ich bin mit sechs Jahren nach Deutschland eingewandert. Ich kenne das Gefühl, wenn man neu ist und sich alles hart erarbeiten muss. Und dann irgendwann mal denkt: Vielleicht bin ich bald gar nicht mehr da.
Ich glaube, viele Menschen kämpfen im Stillen und wir bekommen das gar nicht mit. Ich habe gesehen, wie das Leben der Menschen ist, die unsere Gesellschaft, unsere Wirtschaft decken und am Laufen halten.
Fachkräftemangel und nachhaltige Wirtschaft
Wir wollen vor allem Anreize für kleine und mittlere Unternehmen schaffen, gerade weil diese am meisten belastet sind. Dazu gehört der Fachkräftemangel. Auf der anderen Seite wollen wir vor allem investieren, etwa in die Infrastruktur und Erneuerbare Energien."
Viola Gebek (FDP): "Die demokratische Mitte stärken"
Viola Gebek ist 25 und arbeitet als Marketingmanagerin. Sie tritt für die FDP auf Platz 6 der Landesliste an und als Direktkandidatin im Wahlkreis Darmstadt. Die Spitzenkandidatin der Jungen Liberalen in Hessen ist durch die Corona-Pandemie zur FDP gekommen.
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"Ich habe das Gefühl, es muss sich etwas ändern in unserem Land. Ich glaube, viele junge Menschen haben aktuell das Gefühl, dass es irgendwie nicht vorangeht.
Mir ist die Offenheit und Vielfalt in unserer Gesellschaft wichtig. Wir Liberalen wollen, dass die demokratische Mitte gestärkt wird. Ich glaube, dazu muss auch jeder einzelne ein Stück weit etwas beitragen. Ich bin den Freien Demokraten während der Corona-Pandemie beigetreten. In der Zeit hat man gemerkt, wie leicht Freiheit genommen werden kann.
Rentensystem
Mein Herzensanliegen ist tatsächlich unser Rentensystem. Wir fahren aktuell mit Karacho gegen eine Wand, und wir müssen es dringend reformieren. Es gab schon gute Vorschläge in der letzten Legislaturperiode zum Thema Aktienrente.
Bildung
Im Bereich der Bildung brauchen wir große Reformen. Das ist der Startpunkt im Leben. Ich finde, wir müssen da für Chancengerechtigkeit sorgen, damit anschließend jeder die gleichen Chancen hat, aufzusteigen und sein Leben selbst in die Hand zu nehmen.
Wir haben in jedem Bundesland ein unterschiedliches Bildungssystem und der Gedanke von Wettbewerb und Föderalismus funktioniert in dieser Form nicht. Wir müssten das stärker auf der Bundesebene zentralisieren.
Diskussion um Brandmauer
Ich finde, die Brandmauer steht. Mit der FDP wird es keine Koalition mit der AfD geben und auch keine Zusammenarbeit.
Migration
Wir brauchen eine Fachkräfte-Einwanderung. Das müssen wir dringend ausbauen. Uns fehlen viele Fachkräfte. Aber gleichzeitig muss die irreguläre Migration gesteuert werden, weil das in der Vergangenheit nicht gemacht wurde. Und das ist zu einem Problem geworden."
Robin Jünger (AfD): "Ich brenne für die Digitalisierung"
Robin Jünger ist 28 Jahre alt und gelernter Kaufmann. Er tritt für die AfD auf Platz 3 der Landesliste an und als Direktkandidat im Wahlkreis Gießen. Er kam aufgrund der Euro-Politik 2015 zu der inzwischen in Teilen rechtsextremen Partei.
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"Ich brenne für die Digitalisierung, und vor allem für die Digitalisierung in der Bildung - sowohl in der Bildung der Lehrer, als auch in der Bildung der Schüler. Nur so können wir unseren Rang in der Weltwirtschaft erhalten.
Es geht darum, dass unsere Schüler eine gute digitale Bildung erhalten und ein Verständnis für die Wichtigkeit von KI. Dann können wir wieder mitmischen bei den großen Playern auf dem europäischen Markt und auf dem Weltmarkt.
Politik für junge Menschen ist ein Thema, das mich umtreibt. Ich möchte, dass sie ein Vorbild darin sehen, für ihre Werte einzustehen - und das Ganze seriös und anständig zu tun. Ich bin kein Mensch, der sich dafür einsetzt, dass jetzt alle Jugendlichen endlich kiffen können oder so. Das ist mir völlig zuwider und das ist mir auch völlig egal.
Entbürokratisieren
Damit es mit der Wirtschaft wieder bergauf geht, müssen wir maximal entbürokratisieren - etwa im Steuersektor und im Genehmigungs- oder Bausektor. Wir haben so viele Bürokratiehürden, die den Mittelstand massiv geiseln. Wir können uns mal anschauen, wie lange es dauert, eine PV-Anlage in Betrieb zu nehmen.
Ich glaube, die AfD ist sehr glücklich darüber, dass Donald Trump zeigt, wie leicht es gehen kann, einen Staat zu verschlanken. Die AfD orientiert sich aber nicht pauschal an Donald Trump.
Diskussion um Brandmauer
Seit der Abstimmung im Bundestag bekommt die CDU mehr auf die Nase in den Podiumsdiskussionen. Die Wut hat sich ein bisschen umgelegt. Man wird jetzt gemeinschaftlich in die rechtsextreme Ecke gestellt, was absurd ist. Vielleicht findet ja ein Umdenken statt, wie man im politischen Diskurs miteinander umgehen sollte. Die Brandmauer ist nicht gefallen, aber sie wankt.
Migration
Migration sollte begrenzt werden, aber nicht pauschal. Denn wir brauchen Migration. Das ist jedem klar, das ist auch jedem in der AfD klar. Wir brauchen eine Migration, die unserer Gesellschaft dient und sie nicht weiter gefährdet."
Finn Köllner (Linke): "Bund muss Kommunen unterstützen"
Finn Köllner ist 21 Jahre alt und studiert Sportwissenschaft und Soziologie. Er tritt für die Linken auf Platz 6 an und als Direktkandidat im Wahlkreis Rheingau-Taunus/Limburg. Seine Eltern und die Bildungspolitik brachten ihn mit 15 zur Linken.
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"Ich finde, dass man mit parlamentarischer Politik sehr viel ändern kann im Alltag der Menschen. Auf meinen Wahlplakaten steht: Weil dein Alltag keine Dauerkrise sein darf. Und das ist mir extrem wichtig. Die Menschen erzählen mir an den Haustüren, dass die Lebenshaltungskosten nicht mehr bezahlbar sind, dass die Miete zu hoch ist.
Ein wirkliches Herzensthema von mir ist, dass der Bund die Kommunen unterstützen muss. Das ist so zentral. Bei uns geht es um Kita-Gebühren. Es geht darum, ob eine Schule einen Anbau bekommt, ob Schülerinnen und Schüler neue Chemie-Unterrichtsräume bekommen. Es geht um ganz konkrete Sorgen.
Integration und Migration
Migration wollen wir per se nicht begrenzen. Wir möchten Integration fördern. Der Bund hat zum Beispiel die Mittel für die Integrationskurse um die Hälfte gekappt. Das ist für uns ein Schritt in die komplett falsche Richtung. Wir müssen dringend dafür sorgen, dass die Integration im Land besser klappt.
Diskussion um Brandmauer
Ich habe bis zuletzt nicht daran geglaubt, dass die CDU es wirklich durchzieht, einen Antrag bewusst mit der AfD zusammen einzubringen. Das hat Wut in mir ausgelöst. Ich bin froh gewesen zu sehen, wie stark die Zivilbevölkerung dieses Vorgehen der CDU kritisiert hat.
Ich hoffe sehr, dass nach der Bundestagswahl ganz klar ist: Wir brauchen eine Brandmauer, die ganz fest ist und nicht bröckelt.
Finanzierung von Vorschlägen
An Kritik begegnet mir am häufigsten, dass Menschen sagen, dass die Vorschläge der Linken nicht finanzierbar seien. Wenn man jetzt ins Wahlprogramm schaut, sieht man, dass wir alles gegenfinanzieren. Da können wir argumentativ immer gegensteuern."
Anna Nägel (BSW): "Die Chancenungleichheit bewegt mich"
Anna Nägel ist 35 Jahre alt und tritt für das Bündnis Sahra Wagenknecht auf Platz 7 der Landesliste an. Sie kommt aus dem Odenwald und arbeitet in der pädagogischen Jugendhilfe für Geflüchtete.
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"Was mich sehr bewegt, ist die Chancenungleichheit. Deswegen möchte ich mich gerne dafür einsetzen, dass Kinder, die aus ärmeren Verhältnissen kommen, nicht auch später Kinder aufziehen, die in ärmeren Verhältnissen leben müssen.
Mein Herzensthema ist der Kinder- und Jugendschutz, dadurch, dass ich in einer pädagogischen Jugendhilfeeinrichtung arbeite. Das liegt mir sehr am Herzen, weil ich da auch viele Problematiken sehe, die noch zu beheben sind.
Migrationspolitik
Ich bin beim Thema Migration sehr zwiegespalten. Ich selbst habe Migrationshintergrund. Ich kam als Russlanddeutsche in dieses Land. Der Anfang war schwierig. Und ich denke auch, dass wir sehr stark an der Integrationshilfe arbeiten müssen.
Die Kommunen sind überfordert. Und auch die Menschen, die eingepfercht werden in diese Containerdörfer, sind auf Dauer unzufrieden. Viele wollen arbeiten, aber dürfen einfach nicht arbeiten.
Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine
Wir hören oft die Kritik, wir seien Putin-Freunde. Dabei haben wir mit Putin so gar nichts am Hut.
Wie der Ukraine-Krieg beendet werden soll? Er muss definitiv durch Diplomatie beendet werden. Dieser Krieg wird nicht durch Waffenlieferungen enden. Das wird so auf Dauer nicht funktionieren. Wir haben da so viel reingesteckt, so viel geliefert. Und es hört einfach nicht auf."
Diskussion um Brandmauer
Man kann den Begriff Brandmauer in viele Richtungen interpretieren. Mir ist es relativ egal, wer einen Vorschlag macht, wenn dieser Vorschlag sinnvoll ist. Ich sehe es so, dass das BSW im Hinblick auf die AfD einfach Sachpolitik betreibt."