Check zur Bundestagswahl Harte Zeiten für grünen Stahl aus Hessen
Die Stahlproduktion hat in Mittelhessen eine lange Tradition - aber auch eine Zukunft? Die Transformation hin zu grünem Stahl steht auch in der Region an. Doch bei Unternehmen wie Outokumpu und Buderus ist die Lage angespannt.
Das Dröhnen der Maschinen übertönt das leise Seufzen der Branche nicht, auch nicht in der Produktionshalle von Outokumpu in Dillenburg (Lahn-Dill). "Wir sind momentan leider nicht voll ausgelastet", berichtet Henrik Lehnhardt, der Arbeitsdirektor und Geschäftsführer dort. "Und der Markt ist momentan sehr herausfordernd."
Dabei gilt das mittelhessische Werk des finnischen Edelstahl-Unternehmens eigentlich als Vorzeige-Standort: Riesige Edelstahl-Bündel liegen versandbereit, jeweils 25 Tonnen schwer. Es sind Pfannen, Spülmaschinen und Autoteile von morgen. Edelstahl aus Europa - mit deutlich reduziertem CO2-Fußabdruck.
Deutlich geringerer CO2-Fußabdruck
Outokumpu ist mit großen Schritten unterwegs in Richtung grüner Edelstahl, vor allem durch den Einsatz recycelter Materialien und erneuerbarer Energien, wie Lehnhardt darlegt. In Finnland soll dieses Jahr zusätzlich eine völlig klimaneutrale Chrommine in Betrieb gehen - als erste in Europa.
Rund 1,4 Tonnen Kohlendioxid werden derzeit nach Angaben des Unternehmens pro Tonne Edelstahl bei der Standardproduktion von Outokumpu freigesetzt. Das liege weit unter dem weltweiten Durchschnitt von rund fünf Tonnen, heißt es. Eine neue Produktlinie setzt inzwischen sogar auf 100 Prozent Recycling-Material mit erneuerbaren Energien und ist damit nahe dran an der Klimaneutralität. Outokumpu wirbt für sich, dass es damit derzeit den nachhaltigsten Edelstahl weltweit herstellt.
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Vor allem grüner Strom wird gebraucht
Outokumpu stellt Edelstahl über die Elektrostahlroute her. Der potenzielle Einsatz von Wasserstoff spiele dabei eine geringere Rolle als bei der Produktion im Hochofen mit Koks, erklärt Lehnhardt. Viel wichtiger sei für Outokumpu Zugang zu bezahlbarem grünen Strom. "Auch verfügbare Bio-Gase wären vorteilhaft", sagt der Stahl-Manager.
Die Nachfrage nach grünem Edelstahl steige, etwa von Unternehmen, die selbst ambitionierte Klimaziele verfolgen, berichtet Lehnhardt. Outokumpus besonders nachhaltigen Green Circle Steel findet man zum Beispiel in ökologisch zertifizierten Pfannen und Messern.
In Deutschland werden zwei Hauptverfahren zur Stahlerzeugung eingesetzt: die traditionelle Hochofenroute und die Elektrostahlroute.
Bei der Hochofenroute wird Eisenerz zusammen mit Koks im Hochofen zu Roheisen reduziert und anschließend zu Stahl weiterverarbeitet. Dieses Verfahren deckt etwa zwei Drittel der deutschen Stahlproduktion ab. Hier wird derzeit der künftige Einsatz von Wasserstoff viel diskutiert.
Die hessische Stahlindustrie konzentriert sich auf die Elektrostahlroute. Hier wird Stahlschrott in einem Lichtbogenofen mit elektrischer Energie geschmolzen. Dieses Verfahren ist umweltfreundlicher, da es in großem Umfang Recyclingmaterial verwendet. Es macht etwa ein Drittel der deutschen Stahlerzeugung aus.
Hessen hat insgesamt weniger Stahlindustrie als etwa Nordrhein-Westfalen. Aber: Hier gibt es auch viele Unternehmen, die Stahl weiterverarbeiten, besonders in Mittelhessen. Laut IHK Lahn-Dill weist der Bezirk die weitaus größte Industriedichte in Hessen auf.
So wird in Hessen Stahl produziert
In Deutschland werden zwei Hauptverfahren zur Stahlerzeugung eingesetzt: die traditionelle Hochofenroute und die Elektrostahlroute.
Bei der Hochofenroute wird Eisenerz zusammen mit Koks im Hochofen zu Roheisen reduziert und anschließend zu Stahl weiterverarbeitet. Dieses Verfahren deckt etwa zwei Drittel der deutschen Stahlproduktion ab. Hier wird derzeit der künftige Einsatz von Wasserstoff viel diskutiert.
Die hessische Stahlindustrie konzentriert sich auf die Elektrostahlroute. Hier wird Stahlschrott in einem Lichtbogenofen mit elektrischer Energie geschmolzen. Dieses Verfahren ist umweltfreundlicher, da es in großem Umfang Recyclingmaterial verwendet. Es macht etwa ein Drittel der deutschen Stahlerzeugung aus.
Hessen hat insgesamt weniger Stahlindustrie als etwa Nordrhein-Westfalen. Aber: Hier gibt es auch viele Unternehmen, die Stahl weiterverarbeiten, besonders in Mittelhessen. Laut IHK Lahn-Dill weist der Bezirk die weitaus größte Industriedichte in Hessen auf.
Das Unternehmen fordert trotzdem: Es müsse bessere Absatzmöglichkeiten für nachhaltig produzierten Stahl geben. Die Kritik: Unternehmen in Deutschland und der EU müssten zwar viele Auflagen und Zielvorgaben erfüllen. Bei öffentlichen Projekten werde dann aber häufig billigerer - und weniger grüner - Stahl aus Asien gekauft.
Bessere Produktionsbedingungen in Skandinavien
Zur Wahrheit gehört auch, dass die energieintensivsten Prozesse bei Outokumpu derzeit nicht in Deutschland, sondern in Skandinavien stattfinden. Dort sei Strom günstiger und emissionsärmer, auch durch den Einsatz von Atomkraft, erklärt Lehnhardt.
In Dillenburg wird dieses Vormaterial aus Schweden oder Finnland dann weiterverarbeitet. Eine derartig CO2-arme und wirtschaftliche Edelstahlproduktion ausschließlich in Deutschland ist laut Outokumpu derzeit nicht machbar.
Forderungen der Wirtschaft
Auch die Industrie- und Handelskammer (IHK) Lahn-Dill teilt das Seufzen der Branche. "Unsere Region ist über Generationen von Stahlverarbeitung und Stahlveredelung geprägt", sagt Hauptgeschäftsführer Dietmar Persch. Dem Standort gehe es aufgrund der politischen Rahmenbedingungen derzeit nicht gut, meint er.
Was die Parteien zur Stahlindustrie und Energieversorgung sagen
Die SPD setzt laut Wahlprogramm auf eine Investitionsprämie, den Made-in-Germany-Bonus. Sie will zudem "Leitmärkte für grünen Stahl made in Germany" einführen, also feste Anteile von grünem Stahl, zum Beispiel bei der Bahn oder in Umspannplattformen. Außerdem will sie das Wasserstoffnetz weiter ausbauen. Sie will auch erreichen, dass mehr besonders stromintensive Unternehmen von den bestehenden Regeln reduzierter Netzentgelte profitieren können.
Die Union unterstreicht die Notwendigkeit, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie zu erhalten. Sie spricht sich für Steuersenkungen, Bürokratieabbau und niedrigere Energiekosten aus. Die Wasserstoffinfrastruktur soll flächendeckend ausgebaut werden. Zum Thema Stahl schreibt sie in ihrem Wahlprogramm: Man setze auf sogenannte Pioniermärkte, mit denen über Quoten ein effizienter Markthochlauf gelingen könne. Nicht der Staat solle durch Förderung entscheiden, wer am Markt teilnehmen darf.
Die Grünen betonen das Instrument des CO2-Preises als zentralen Anreiz zur CO2-Einsparung in der Industrie. Durch ausgeweitete Klimaschutzverträge wollen sie Unternehmen finanziell fördern, die viel Kohlendioxid einsparen. Konkret im Hinblick auf Stahl setzen sie sich in ihrem Wahlprogramm für "Grüne Leitmärkte" ein: Anpassungen im Vergaberecht, um beispielsweise bei öffentlichen Aufträgen eine Mindestquote von grünem Stahl zu erreichen.
Die FDP legt den Fokus auf marktwirtschaftliche Lösungen und internationalen Wettbewerb und spricht sich gegen staatliche Subventionen aus. Sie plädiert für Steuererleichterungen und den Abbau von Regulierungen für Unternehmen. Sie will bezahlbare Energie und einen insgesamt besseren Netzausbau erreichen. Die Netzentgelte will sie umfassend reformieren, moderne Kernkraftwerke subventionsfrei etablieren und die heimische Erdgasförderung ausbauen. Auch eine Wasserstoffwirtschaft und erneuerbaren Energien will sie ausbauen. Auf die Stahlindustrie konkret geht die FDP in ihrem Wahlprogramm nicht ein.
Die AfD lehnt staatliche Eingriffe und Subventionen zur klimafreundlichen Transformation der Industrie ab. Sie betont die Bedeutung von bezahlbarer Energie für die Industrie und warnt vor steigenden Kosten durch die Energiewende. Wasserstoff als Energieträger hält sie für nicht wettbewerbsfähig. Sie setzt auf Kohle und Kernenergie. Die deutsche Stahlindustrie erwähnt sie im Wahlprogramm nicht.
Die Linke spricht sich für eine konsequente staatliche Steuerung der Transformation der Industrie aus. Am Beispiel der Stahlindustrie heißt es in ihrem Wahlprogramm: Man wolle durch öffentliche Beschaffung, Produktstandards und Quoten auf Leitmärkten den ökologischsten und tariflich abgedeckt produzierten Produkten Vorteile einräumen. Die Linke fordert umfangreiche Investitionen in erneuerbare Energien, Wasserstoff nennt sie jedoch den "Champagner der Energiewende". Er solle nur dort eingesetzt werden, wo er erwiesenermaßen notwendig sei und es keine praktikablen Alternativen gebe, etwa als langfristiger Energiespeicher.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht will regionale Wirtschaftskreisläufe fördern. Laut Wahlprogramm ist das Ziel, Schlüsselbranchen wie die Stahlproduktion im Land zu behalten. Mit Blick auf die Energieversorgung spricht das BSW von "Offenheit gegenüber vielversprechenden Technologien". Instandhaltung und der Ausbau der Energienetze sollen aus öffentlichen Mitteln und nicht über die Strompreise finanziert werden. Anlagen zur Wasserstoff-Herstellung sollen laut BSW privat sowie durch die öffentliche Hand gebaut werden.
SPD
Die SPD setzt laut Wahlprogramm auf eine Investitionsprämie, den Made-in-Germany-Bonus. Sie will zudem "Leitmärkte für grünen Stahl made in Germany" einführen, also feste Anteile von grünem Stahl, zum Beispiel bei der Bahn oder in Umspannplattformen. Außerdem will sie das Wasserstoffnetz weiter ausbauen. Sie will auch erreichen, dass mehr besonders stromintensive Unternehmen von den bestehenden Regeln reduzierter Netzentgelte profitieren können.
CDU/CSU
Die Union unterstreicht die Notwendigkeit, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie zu erhalten. Sie spricht sich für Steuersenkungen, Bürokratieabbau und niedrigere Energiekosten aus. Die Wasserstoffinfrastruktur soll flächendeckend ausgebaut werden. Zum Thema Stahl schreibt sie in ihrem Wahlprogramm: Man setze auf sogenannte Pioniermärkte, mit denen über Quoten ein effizienter Markthochlauf gelingen könne. Nicht der Staat solle durch Förderung entscheiden, wer am Markt teilnehmen darf.
Grüne
Die Grünen betonen das Instrument des CO2-Preises als zentralen Anreiz zur CO2-Einsparung in der Industrie. Durch ausgeweitete Klimaschutzverträge wollen sie Unternehmen finanziell fördern, die viel Kohlendioxid einsparen. Konkret im Hinblick auf Stahl setzen sie sich in ihrem Wahlprogramm für "Grüne Leitmärkte" ein: Anpassungen im Vergaberecht, um beispielsweise bei öffentlichen Aufträgen eine Mindestquote von grünem Stahl zu erreichen.
FDP
Die FDP legt den Fokus auf marktwirtschaftliche Lösungen und internationalen Wettbewerb und spricht sich gegen staatliche Subventionen aus. Sie plädiert für Steuererleichterungen und den Abbau von Regulierungen für Unternehmen. Sie will bezahlbare Energie und einen insgesamt besseren Netzausbau erreichen. Die Netzentgelte will sie umfassend reformieren, moderne Kernkraftwerke subventionsfrei etablieren und die heimische Erdgasförderung ausbauen. Auch eine Wasserstoffwirtschaft und erneuerbaren Energien will sie ausbauen. Auf die Stahlindustrie konkret geht die FDP in ihrem Wahlprogramm nicht ein.
AfD
Die AfD lehnt staatliche Eingriffe und Subventionen zur klimafreundlichen Transformation der Industrie ab. Sie betont die Bedeutung von bezahlbarer Energie für die Industrie und warnt vor steigenden Kosten durch die Energiewende. Wasserstoff als Energieträger hält sie für nicht wettbewerbsfähig. Sie setzt auf Kohle und Kernenergie. Die deutsche Stahlindustrie erwähnt sie im Wahlprogramm nicht.
Linke
Die Linke spricht sich für eine konsequente staatliche Steuerung der Transformation der Industrie aus. Am Beispiel der Stahlindustrie heißt es in ihrem Wahlprogramm: Man wolle durch öffentliche Beschaffung, Produktstandards und Quoten auf Leitmärkten den ökologischsten und tariflich abgedeckt produzierten Produkten Vorteile einräumen. Die Linke fordert umfangreiche Investitionen in erneuerbare Energien, Wasserstoff nennt sie jedoch den "Champagner der Energiewende". Er solle nur dort eingesetzt werden, wo er erwiesenermaßen notwendig sei und es keine praktikablen Alternativen gebe, etwa als langfristiger Energiespeicher.
BSW
Das Bündnis Sahra Wagenknecht will regionale Wirtschaftskreisläufe fördern. Laut Wahlprogramm ist das Ziel, Schlüsselbranchen wie die Stahlproduktion im Land zu behalten. Mit Blick auf die Energieversorgung spricht das BSW von "Offenheit gegenüber vielversprechenden Technologien". Instandhaltung und der Ausbau der Energienetze sollen aus öffentlichen Mitteln und nicht über die Strompreise finanziert werden. Anlagen zur Wasserstoff-Herstellung sollen laut BSW privat sowie durch die öffentliche Hand gebaut werden.
Derzeit registriere man zunehmend Insolvenzen, Verlegungen von Produktionskapazitäten ins Ausland und eine allgemeine Zurückhaltung bei Investitionen, berichtet Persch. Die Unternehmen seien grundsätzlich gewillt, die Transformation voranzutreiben, hätten aber viele Unsicherheiten. "Und wir wollen CO2-Einsparungen in Deutschland natürlich nicht dadurch erreichen, dass hier bei uns einfach weniger produziert wird", sagt der IHK-Regionalchef.
Damit Unternehmen wieder mehr in die Region investieren, fehlt es aus seiner Sicht an der nötigen Infrastruktur und an Freiraum für Innovationen durch Bürokratieabbau. "Man muss Unternehmen unternehmen lassen", meint Persch: "Ihnen wird momentan zu viel verboten durch Überregulierung."
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Buderus Edelstahl: Zukunft ungewiss
Mitten im Umbruch steckt noch ein weiteres Edelstahl produzierendes Unternehmen in Mittelhessen: Buderus Edelstahl in Wetzlar. Das Werk wurde erst kürzlich durch das Investment-Unternehmen Mutares übernommen. Wie konkret es in Wetzlar weitergeht, ist derzeit ungewiss. Man befinde sich noch in der Analyse-Phase, um eine tragfähige Strategie zu entwickeln, teilt Mutares auf Anfrage mit.
Hier heißt es: Mit dekarbonisiertem Stahl im internationalen Wettbewerb zu bestehen, sei bei den aktuellen Energiepreisen in Deutschland schwierig. Ein entscheidender Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit von Buderus und der gesamten Branche sei die Unterstützung durch die Politik. "Insbesondere die hohen Energiekosten in Deutschland stellen einen erheblichen Wettbewerbsnachteil dar."
Weitere Herausforderungen sieht Mutares in drohenden Zöllen der USA, die die Wettbewerbsintensität im europäischen Markt erhöhen würden, sowie in der schwächelnden Automobil- und Bauindustrie. "Ein wichtiger Kunde aus der Automobilbranche hat kürzlich seine Bestellungen signifikant nach unten korrigiert."
Blick in die Zukunft
Outokumpu hält derzeit am Standort Mittelhessen fest. Aufgrund der schwachen Auftragslage wurde jedoch Anfang des Jahres die Arbeitszeit der gesamten Belegschaft auf eine 32-Stunden-Woche reduziert, um Entlassungen zu vermeiden.
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Bei Outokumpu ist man weiterhin überzeugt: Klimaschutz und Transformation schließen sich nicht aus. Henrik Lehnhardt sagt: "Wir fordern von der Politik, ob in Berlin oder Brüssel, Rahmenbedingungen für diese Transformation zu schaffen."
Die Belegschaft hoffe vor allem auf eine schnelle Einigung nach der Wahl ohne lange Koalitionsverhandlungen. "Ein bisschen Zuversicht und Planbarkeit würden uns allen gut tun", sagt Lehnhardt.