Martin Rabanus im Interview Der SPD-Politiker, den der Wahlerfolg seiner Partei das Mandat kostete

Acht Jahre war der Taunussteiner SPD-Politiker Martin Rabanus im Bundestag. Jetzt fliegt er raus, weil seine Partei in Hessens Wahlkreisen so gut abgeschnitten hat. Im Interview sagt er, was daran schlimm für ihn ist - und was nicht.

Der Taunussteiner SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Rabanus bei einer Rede im Bundestag
Vorbei: Der Taunussteiner SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Rabanus gehört dem neuen Bundestag nicht mehr an. Bild © picture-alliance/dpa (Archiv)
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Bei der SPD schweben sie gerade auf Wolke sieben: Die Partei hat die Bundestagswahl gewonnen und gute Chancen, den nächsten Kanzler zu stellen. Und die Bundestagsfraktion ist deutlich größer als die alte. Martin Rabanus hilft das nichts - im Gegenteil. Der 50 Jahre alte Sozialdemokrat aus Taunusstein (Rheingau-Taunus) ist die längste Zeit MdB gewesen.

Weil so viele ihrer Direktkandidaten Wahlkreismandate gewannen, wurden fast alle 15 Sitze der Hessen-SPD im Bundestag schon auf diese Weise vergeben. Und Rabanus' vermeintlich guter Platz Nr. 9 auf der Landesliste war auf einmal nicht mehr gut genug.

hessenschau.de: Was machen Sie und Ihre Mitarbeiter gerade, Herr Rabanus? Umzugskisten packen und alte Papiere schreddern?

Martin Rabanus: Genauso ist es. Wir sind damit beschäftigt, die Büros aufzulösen. Gleichzeitig muss ich schauen, dass meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Perspektive haben. Das ist mir besonders wichtig.

hessenschau.de: Die SPD-Bundestagsfraktion hat heute getagt - ohne Sie. Die Stimmung sei toll und wie an Weihnachten gewesen, hat ein Teilnehmer getwittert. Wie ist Ihre Stimmungslage?

Rabanus: Das ist eine einigermaßen überflüssige Frage. Meine Stimmung ist ambivalent. Ich freue mich, dass die SPD Boden gut gemacht hat. Ich freue mich auch über mein Ergebnis bei den Erststimmen. Es war so knapp wie nie zuvor. Dass es nicht ganz gereicht hat, macht einen aber natürlich wehmütig.

hessenschau.de: Als die SPD ein Direktmandat nach dem anderen geholt hat, ist Ihr eigentlich aussichtsreicher Listenplatz wertlos geworden. Hat Sie das kalt erwischt?

Rabanus: Es gab ja seit Wochen fast täglich Umfragen. Und wenn man die hochgerechnet hat, konnte man schon ahnen, was am Wahltag passieren könnte. Am Wahlabend selbst hat sich das immer mehr abgezeichnet. Irgendwann habe ich mich schlafen gelegt und hatte am Montagmorgen traurige Gewissheit.

Die Geschichte, wie schrecklich das ist, will ich jetzt aber nicht erzählen. Wir haben Mandate auf Zeit, das gehört zur Demokratie dazu.

hessenschau.de: Es hätte ja trotzdem fast geklappt. Sie standen kurz davor, sich vom CDU-Platzhirsch Klaus-Peter Willsch im bislang tiefschwarzen Wahlkreis Rheingau-Taunus/Limburg das Direktmandat zu holen. Grübeln Sie jetzt viel, wo die zur Sensation fehlenden 1,7 Prozentpunkte liegengeblieben sind?

Rabanus: Der Blick auf die Karte zeigt, dass der Westerwald mit den letzten Hochburgen der CDU Herrn Willsch den Hintern gerettet hat. Im Rheingau ist es uns gelungen, diese Hochburgen zu nehmen, im Norden des alten Kreises Limburg leider nicht.

hessenschau.de: Was wird Ihnen nun am meisten fehlen? Sie waren kultur- und medienpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, hatten auch andere Posten wie den Vorsitz der "Parlamentarierergruppe Südliches Afrika".

Rabanus: Es ist in der Summe eine sehr spannende, sehr erfüllende Aufgabe und eine Ehre, so ein Mandat ausfüllen zu dürfen. Solange man es macht, ist es schön, irgendwann endet das. Wenn es soweit ist, ist es allerdings schon schlimm. Gerade wenn man Pläne hat. Wir haben noch einiges zu tun, von der Stärkung der freien Presse über den Whistleblower- und Informantenschutz in der EU bis zur Neuordnung der Bundeskultureinrichtungen.

hessenschau.de: Was wird jetzt aus Ihnen, hat Ihnen die Partei schon was in Aussicht gestellt?

Rabanus: Das ist alles viel zu früh, ich habe auch keinen Plan B. Erst einmal nehme ich mir Zeit, alles zu ordnen. Wenn das der Fall ist, werde ich mir etwas überlegen.

hessenschau.de: Finanziell sind Sie erst einmal versorgt: Haben Sie die Dauer des Übergangsgeldes schon ausgerechnet?

Rabanus: Da braucht man nicht viel zu rechnen. Pro Jahr im Bundestag hat ein Abgeordneter Anspruch auf die Zahlung für einen Monat.

hessenschau.de: Wären bei Ihnen acht Monate.

Rabanus: Ich habe nicht vor, das auszureizen. Aber es gibt mir eine Atempause zum Überlegen.

hessenschau.de: Sie haben Ihre Mitarbeiter angesprochen. Machen die sich Sorgen?

Rabanus: Da bin ich guter Dinge. Ich habe ein sehr qualifiziertes Team, und so gute Leute werden immer gebraucht.

hessenschau.de: Und der Bedeutungsverlust in der Öffentlichkeit? Weniger Einladungen, weniger hofiert zu werden - kommen Sie damit zurecht?

Rabanus: Das ist der Teil, der mir mit Gewissheit nicht fehlen wird. Das gilt auch für schräge Kommentare in den Medien oder Anwürfe für Dinge, die man selbst nicht zu vertreten hat. Dass mir einer die Tasche hinterherträgt, wird mir schon deshalb nicht fehlen, weil ich meine Tasche immer selber getragen habe. Das entspricht meinem Verständnis vom Mandat: Es ist ein zeitlich begrenzter Auftrag vom Bürger, gewissermaßen ein befristeter Staatsdienst.

Die Fragen stellte Wolfgang Türk.

Quelle: hessenschau.de