Check zur Bundestagswahl Raus aus der Rezession - das raten Top-Ökonomen aus Hessen
Deutschlands Wirtschaft steckt in der Rezession, das Erfolgsmodell wankt, nötig ist ein wirtschaftspolitischer Kurswechsel. Darin scheint man einig. Aber wie kann die Konjunktur in Schwung kommen? Drei renommierte Ökonomen geben Antworten.
Hohe Energiepreise, zögerliche Verbraucher und Unternehmen, die das Land verlassen: Deutschland steckt in der längsten Wirtschaftskrise seit der Gründung der Bundesrepublik. "Wir wachsen seit fünf Jahren nicht mehr", sagt Peter Tillmann, Professor für Makroökonomie an der Uni Gießen.
Man könnte meinen, äußere Umstände wie die Coronakrise, die Energiekrise und die Nachfrageschwäche aus China hätten Deutschland besonders hart getroffen. Doch die Probleme sitzen offenbar tiefer.
Hausgemachte Probleme
Experten sehen auch langjährige, hausgemachte Versäumnisse. "Bei Digitalisierung, Bildung und qualifizierter Fachkräftezuwanderung wurde zu wenig getan", bemängelt Tillmann.
Viel zu lange hätten wir uns auf den Lorbeeren unseres Wohlstandsmodells ausgeruht, ergänzt Guido Bünstorf, Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Kassel.
Deutschland sei Exportweltmeister gewesen, begünstigt durch billige Energie in Form von russischem Erdgas und die hohe Nachfrage aus China. Diese Faktoren gehörten der Vergangenheit an, sagt Bünstorf. Gleichzeitig lähmten viel Bürokratie und hohe Steuern für Unternehmen den Standort Deutschland.
Wer ist schuld?
Die Frage nach den Verursachern der Lage ist komplex. Volker Wieland, ehemaliges Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ("Wirtschaftsweiser") und Professor an der Goethe-Universität in Frankfurt, sieht einen Teil der Verantwortung bei der Vorgängerregierung: "Die Abhängigkeit von russischem Gas etwa war ein strategischer Fehler."
Aber die Koalition aus SPD, Grünen und FDP habe falsch auf die Energiekrise reagiert, findet Wieland. Einen Großteil der Probleme sieht er in ihren Entscheidungen. "Die Ampel-Regierung ist klar gescheitert", sagt der Wirtschaftswissenschaftler.
Bessere Schulen, Universitäten und Weiterbildungsangebote sind der Schlüssel zu Wohlstand. Zitat von Peter Tillmann, Professor für Makroökonomie, Uni GießenZitat Ende
Besonders die Abschaltung der Kernkraftwerke inmitten der Krise hält Wieland für einen schweren Fehler: "Wenn wir russisches Gas verlieren, müssen wir unser eigenes Energieangebot maximieren. Stattdessen haben wir uns noch weiter geschwächt.“ Auch der Verzicht auf Fracking in Deutschland sei problematisch: "Wir importieren jetzt teures, gefracktes Gas aus den USA, obwohl wir selbst erhebliche Reserven haben."
Die strukturellen Probleme reichen jedoch aus Sicht der drei Ökonomen weiter zurück. Schon seit 2018 hätten sinkende Investitionen, steigende Regularien und ein wachsender globaler Wettbewerb die Industrie belastet. "Die Ampel-Regierung hat die Probleme verschärft, aber die Basis für die heutige Krise wurde lange zuvor gelegt", hält Peter Tillmann fest.
Ratschläge an die kommende Regierung
Einig sind sich die Experten darin, dass es einen wirtschaftspolitischen Kurswechsel geben müsse - und zwar dringend. Bürokratieabbau, Digitalisierung und eine gezielte Fachkräftezuwanderung stehen bei allen drei ganz oben auf der Prioritätenliste.
Guido Bünstorf fordert zunächst klare und verlässliche Rahmenbedingungen: "Eine stabile Regierung, die kommuniziert, was sie in den kommenden vier Jahren vorhat, wäre erst mal das beste Konjunkturprogramm." Die derzeitige Unsicherheit halte Unternehmen von Investitionen und größeren Anschaffungen ab.
Volker Wieland betont die Notwendigkeit, die Energiepolitik neu auszurichten: "Deutschland muss hier unabhängiger werden." Nach Ansicht des Frankfurter Ökonomen gehören dazu Technologien wie Kernkraft und Fracking genauso wie der Ausbau erneuerbarer Energien. "Aber ohne ideologische Scheuklappen", rät Wieland.
Notfalls müssten auch die Sozialsysteme angepasst werden. Das ist der einzige Bereich, der bei uns wächst. Zitat von Volker Wieland, Professor für Monetäre Ökonomie, Uni FrankfurtZitat Ende
Noch wichtiger sei die Entlastung der Unternehmen. "Wir brauchen einfache Regeln und weniger Bürokratie", sagt Wieland. Zudem müssten sowohl Unternehmens- als auch Einkommensteuern spürbar gesenkt werden, um den Standort wettbewerbsfähiger zu machen. "Notfalls müssten auch die Sozialsysteme angepasst werden. Das ist der einzige Bereich, der bei uns wächst."
Kontroverse um die Schuldenbremse
Peter Tillmann setzt auf Reformen im Arbeitsmarkt. "Arbeit muss sich mehr lohnen", fordert er und spricht sich besonders bei Geringverdienern für niedrigere Abzüge aus, damit diese einen höheren Nettoanteil vom Brutto behalten. Auch eine gezielte Fachkräftezuwanderung sei entscheidend, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen.
Ohne bessere Bildung, darin sind sich alle vom hr angefragten Experten einig, werde Deutschland langfristig an Innovationskraft verlieren. "Bessere Schulen, Universitäten und Weiterbildungsangebote sind der Schlüssel zu Wohlstand", so Tillmann. Unternehmen müssten zudem flexibler werden und mehr in Forschung investieren.
Die Schuldenbremse spaltet die Meinungen. Wieland spricht sich klar für ihre Beibehaltung aus: "Wir dürfen kommende Generationen nicht mit einer ausufernden Verschuldung belasten."
Guido Bünstorf zeigt sich dagegen offen für Reformen, die gezielte Investitionen ermöglichen könnten, ohne die Staatsverschuldung aus dem Ruder laufen zu lassen. Es gebe gute Argumente für beide Seiten, räumt er ein.
Welche Regierung kann das Ruder herumreißen?
Welche Koalition würde der Wirtschaft gut tun? Der ehemalige Wirtschaftsweise Wieland sieht in einer CDU-FDP-Regierung die größte wirtschaftspolitische Verlässlichkeit: "Die FDP würde auf Technologieoffenheit drängen, während die CDU Stabilität garantiert."
Eine stabile Regierung, die kommuniziert, was sie in den kommenden vier Jahren vorhat, wäre erst mal das beste Konjunkturprogramm. Zitat von Guido Bünstorf, Professor für Wirtschaftspolitik, Universität KasselZitat Ende
Peter Tillmann favorisiert hingegen Schwarz-Grün: "Diese Kombination könnte Wirtschaft und Klimaschutz besser verbinden." Eine CDU-SPD-Koalition wäre aus seiner Sicht ein Weiter-so ohne große Reformen.
Bünstorf will sich nicht festlegen. Wichtig sei in jedem Fall, dass die kommende Bundesregierung die großen Herausforderungen wie Demografie, Fachkräftemangel und Nachhaltigkeit parteiübergreifend anpacke.
Von einer Koalition mit der AfD ist keiner der Experten überzeugt. Ihre Forderung nach einem Austritt aus der Währungsunion würde Deutschland international isolieren, warnt Tillmann. Der ehemalige Wirtschaftsweise Wieland ergänzt, dass die AfD zwar einige wirtschaftsfreundliche Punkte habe, diese aber von Positionen flankiert würden, "die an die Linke oder BSW erinnern".
Wovor die Experten warnen
Trotz unterschiedlicher Akzente teilen die Experten eine zentrale Forderung: Sie raten dringend von kurzsichtigen Aktionen ab. "Prämien für E-Autos oder Mehrwertsteuersenkungen sind Strohfeuer, die keine strukturellen Probleme lösen", warnt Tillmann.
Schädlich seien außerdem öffentliche Streitigkeiten innerhalb der Koalition. "Die kommende Regierung muss endlich geschlossen für langfristige Reformen zusammenarbeiten", betont Bünstorf.
Die Experten sind sich einig: Deutschland habe die Möglichkeit, den Weg aus der Krise zu finden. "Unsere Stärken waren immer verlässliche Politik, gute Infrastruktur und produktive Arbeitskräfte. Mit den richtigen Reformen können wir daran anknüpfen", so Tillmann.
Das fordern die Parteien zur Wirtschaft
Die Unionsparteien CDU und CSU setzen in ihrem Wahlprogramm auf Steuererleichterungen und Bürokratieabbau. Der Einkommensteuertarif soll abgeflacht, die Grenze für den Spitzensteuersatz erhöht werden. Auch die Pendlerpauschale und Sozialversicherungsbeiträge will die Union senken. Arbeitskräfte aus dem Ausland sollen über eine digitale "Work-and-Stay-Agentur" angeworben werden, die unabhängig von Asylverfahren arbeiten soll. Eine "große Steuerreform" soll Unternehmenssteuern senken und die Mehrwertsteuer für Gastronomie reduzieren. Gleichzeitig will die Union an der Schuldenbremse festhalten und Subventionen sowie Ausgaben kritisch prüfen.
Die SPD setzt in ihrem Regierungsprogramm auf Wachstum durch Investitionen. Ein "Deutschlandfonds" aus staatlichem und privatem Kapital - Startvolumen: 100 Milliarden Euro - soll Wirtschaft, Bildung und Infrastruktur ankurbeln. Dafür will sie die Schuldenbremse lockern und mehr Spielraum schaffen. Firmen, die hierzulande investieren, sollen einen "Made-in-Germany-Bonus" erhalten: zehn Prozent der Ausgaben, etwa für Maschinen. Auch der Kauf von in Deutschland produzierten E-Autos soll gefördert werden. Im Steuerrecht plant die SPD eine Entlastung für 95 Prozent der Bürger, finanziert durch höhere Steuern für Spitzenverdiener, Vermögen und Erbschaften. Der Mindestlohn soll ab 2026 auf 15 Euro steigen.
Die AfD bekennt sich in ihren "Kernforderungen zur Bundestagswahl" zu Deregulierung und freiem Unternehmertum. Sie will Umweltauflagen und das Lieferkettengesetz abschaffen und sieht die Automobilindustrie als Schlüssel für wirtschaftlichen Aufschwung. Im Steuerrecht plant sie Vereinfachungen, einen höheren Grundfreibetrag und niedrigere Unternehmenssteuern. Sie deutet den Abbau von Sozialleistungen an. Außerdem fordert die Partei den "Dexit", den Austritt aus der EU, der in einer Volksabstimmung entschieden werden soll. Mindestens sollen der Austritt aus der gemeinsamen Währung erfolgen und die D-Mark wiedereingeführt werden.
Die Grünen wollen laut ihrem Wahlprogramm Investitionen in Klimaschutz und Infrastruktur vorantreiben. Eine befristete Prämie soll Unternehmen zu klimafreundlichen Investitionen anregen. Der Mindestlohn soll auf 15 Euro steigen. Ein "Deutschlandfonds" soll Infrastrukturprojekte finanzieren, gleichzeitig soll die Schuldenbremse angepasst werden. Eine digitale Einwanderungsagentur soll Fachkräfte anziehen. Steuererleichterungen wie ein höherer Grundfreibetrag und eine Reform des Ehegattensplittings sind geplant. Umweltschädliche Subventionen wollen die Grünen abbauen.
Die FDP fordert in ihrem Wahlprogramm weniger Bürokratie und Unternehmenssteuern, die auf unter 25 Prozent sinken sollen. Sie schlägt flexiblere Arbeitszeitmodelle und eine Reform des Bürgergelds vor, indem Sozialleistungen zusammengefasst werden.Die Rente soll durch einen flexiblen Eintritt und eine Aktienrente gestärkt werden. Im Steuerrecht plant die FDP einen höheren Grundfreibetrag und den Spitzensteuersatz erst ab 96.600 Euro Jahreseinkommen. Vermögen- sowie Finanztransaktionssteuern lehnt sie ab. An der Schuldenbremse hält die FDP fest.
Die Linke setzt sich für eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich ein und möchte, dass Arbeitnehmer mehr Mitspracherecht bekommen. Wichtige Bereiche wie Energie und Finanzen sollen in öffentlicher Hand oder in gemeinschaftlichem Besitz sein. In ihrem Wahlprogramm fordert die Partei, Steuern für niedrige und mittlere Einkommen zu senken, während Reiche und große Unternehmen mehr zahlen sollen, um den sozialen und ökologischen Wandel zu finanzieren.
Das Bündnis Sarah Wagenknecht fordert eine Wende in der Wirtschafts- und Energiepolitik, mit Fokus auf günstiger Energie für die Industrie. Die Partei will CO2-Abgaben und das Heizungsgesetz abschaffen und setzt auf langfristige Energieverträge. Für Arbeitnehmer will das BSW einen Mindestlohn von 15 Euro, einen Freibetrag auf Sozialbeiträge und eine Mindestrente von mindestens 1.500 Euro nach 40 Jahren an Beitragszahlung. Außerdem fordert die Partei in ihrem Wahlprogramm eine große Steuerreform, die auch Kapitalerträge höher besteuern will.
CDU/CSU
Die Unionsparteien CDU und CSU setzen in ihrem Wahlprogramm auf Steuererleichterungen und Bürokratieabbau. Der Einkommensteuertarif soll abgeflacht, die Grenze für den Spitzensteuersatz erhöht werden. Auch die Pendlerpauschale und Sozialversicherungsbeiträge will die Union senken. Arbeitskräfte aus dem Ausland sollen über eine digitale "Work-and-Stay-Agentur" angeworben werden, die unabhängig von Asylverfahren arbeiten soll. Eine "große Steuerreform" soll Unternehmenssteuern senken und die Mehrwertsteuer für Gastronomie reduzieren. Gleichzeitig will die Union an der Schuldenbremse festhalten und Subventionen sowie Ausgaben kritisch prüfen.
SPD
Die SPD setzt in ihrem Regierungsprogramm auf Wachstum durch Investitionen. Ein "Deutschlandfonds" aus staatlichem und privatem Kapital - Startvolumen: 100 Milliarden Euro - soll Wirtschaft, Bildung und Infrastruktur ankurbeln. Dafür will sie die Schuldenbremse lockern und mehr Spielraum schaffen. Firmen, die hierzulande investieren, sollen einen "Made-in-Germany-Bonus" erhalten: zehn Prozent der Ausgaben, etwa für Maschinen. Auch der Kauf von in Deutschland produzierten E-Autos soll gefördert werden. Im Steuerrecht plant die SPD eine Entlastung für 95 Prozent der Bürger, finanziert durch höhere Steuern für Spitzenverdiener, Vermögen und Erbschaften. Der Mindestlohn soll ab 2026 auf 15 Euro steigen.
AfD
Die AfD bekennt sich in ihren "Kernforderungen zur Bundestagswahl" zu Deregulierung und freiem Unternehmertum. Sie will Umweltauflagen und das Lieferkettengesetz abschaffen und sieht die Automobilindustrie als Schlüssel für wirtschaftlichen Aufschwung. Im Steuerrecht plant sie Vereinfachungen, einen höheren Grundfreibetrag und niedrigere Unternehmenssteuern. Sie deutet den Abbau von Sozialleistungen an. Außerdem fordert die Partei den "Dexit", den Austritt aus der EU, der in einer Volksabstimmung entschieden werden soll. Mindestens sollen der Austritt aus der gemeinsamen Währung erfolgen und die D-Mark wiedereingeführt werden.
Grüne
Die Grünen wollen laut ihrem Wahlprogramm Investitionen in Klimaschutz und Infrastruktur vorantreiben. Eine befristete Prämie soll Unternehmen zu klimafreundlichen Investitionen anregen. Der Mindestlohn soll auf 15 Euro steigen. Ein "Deutschlandfonds" soll Infrastrukturprojekte finanzieren, gleichzeitig soll die Schuldenbremse angepasst werden. Eine digitale Einwanderungsagentur soll Fachkräfte anziehen. Steuererleichterungen wie ein höherer Grundfreibetrag und eine Reform des Ehegattensplittings sind geplant. Umweltschädliche Subventionen wollen die Grünen abbauen.
FDP
Die FDP fordert in ihrem Wahlprogramm weniger Bürokratie und Unternehmenssteuern, die auf unter 25 Prozent sinken sollen. Sie schlägt flexiblere Arbeitszeitmodelle und eine Reform des Bürgergelds vor, indem Sozialleistungen zusammengefasst werden.Die Rente soll durch einen flexiblen Eintritt und eine Aktienrente gestärkt werden. Im Steuerrecht plant die FDP einen höheren Grundfreibetrag und den Spitzensteuersatz erst ab 96.600 Euro Jahreseinkommen. Vermögen- sowie Finanztransaktionssteuern lehnt sie ab. An der Schuldenbremse hält die FDP fest.
Linke
Die Linke setzt sich für eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich ein und möchte, dass Arbeitnehmer mehr Mitspracherecht bekommen. Wichtige Bereiche wie Energie und Finanzen sollen in öffentlicher Hand oder in gemeinschaftlichem Besitz sein. In ihrem Wahlprogramm fordert die Partei, Steuern für niedrige und mittlere Einkommen zu senken, während Reiche und große Unternehmen mehr zahlen sollen, um den sozialen und ökologischen Wandel zu finanzieren.
BSW
Das Bündnis Sarah Wagenknecht fordert eine Wende in der Wirtschafts- und Energiepolitik, mit Fokus auf günstiger Energie für die Industrie. Die Partei will CO2-Abgaben und das Heizungsgesetz abschaffen und setzt auf langfristige Energieverträge. Für Arbeitnehmer will das BSW einen Mindestlohn von 15 Euro, einen Freibetrag auf Sozialbeiträge und eine Mindestrente von mindestens 1.500 Euro nach 40 Jahren an Beitragszahlung. Außerdem fordert die Partei in ihrem Wahlprogramm eine große Steuerreform, die auch Kapitalerträge höher besteuern will.