FDP-Spitzenkandidatin Bettina Stark-Watzinger Mit liberalen Grundwerten gegen die Krise und das Umfragetief

Das Pochen auf Freiheit und Selbstbestimmung zog Bettina Stark-Watzinger in die FDP. An deren Richtigkeit will die hessische Landesvorsitzende der Liberalen auch jetzt nicht rütteln, da ihr Wiedereinzug in den Bundestag unsicher scheint.

Eine Frau mit kurzen Haaren, Brille und grauem Blazer und grauer Bluse steht vor einer zimtroten Stellwand. Darauf steht in Gelb "Freie Demokraten FDP"
Bettina Stark-Watzinger beim Landesparteitag der FDP Hessen. Bild © picture alliance/dpa | Christine Schultze

Vor vier Jahren machte Bettina Stark-Watzinger schon einmal Bundestagswahlkampf als hessische Spitzenkandidatin der FDP. Damals konnte die Politikerin nicht wissen, dass sie kurz vor ihrem größten politischen Erfolg stand.

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Bundestagswahl – die FDP-Spitzenkandidatin Stark-Watzinger

hs 10.02.2025
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Aber die Regierungsbeteiligung ihrer Partei, die auf die Wahl 2021 folgte, ist Geschichte. Mit dem krachenden Ende der Ampel-Koalition gab die 56-Jährige aus Bad Soden (Main-Taunus) ihren Posten als Bundesministerin für Bildung und Forschung unter Kanzler Olaf Scholz (SPD) ab.

In einer ganz anderen Stimmung als vor der Bundestagswahl 2021 eilt die Liberale nun von Termin zu Termin. War die FDP damals im Aufwind, kämpft sie nun um den Wiedereinzug ins Parlament - und Stark-Watzinger um ihre Zukunft als Bundestagsabgeordnete.

Speed Dating mit Späteinsteigerin

Ortstermin in Wiesbaden: Zu einem Speed Dating mit der hessischen Spitzenkandidatin haben die Parteikollegen eingeladen. An die 20 Menschen mögen gekommen sein. Und die, die da sind, muss Stark-Watzinger nicht erst von sich und den Kernpositionen der FDP überzeugen.

Um eine starke Wirtschaft und Bürokratieabbau geht es der Ex-Ministerin, vor allem aber um Chancengleichheit in der Bildung. So förmlich, fast distanziert sie bei ihren Auftritten wirken mag: Bei diesem Herzensthema wird es für sie persönlich. "Meine Mutter war das Mädchen vom Land. Sie durfte nicht studieren", erzählt Stark-Watzinger.

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Hessische Spitzenkandidaten

hessenschau.de stellt die hessischen Spitzenkandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien für die Bundestagswahl 2025, also die jeweils Erstplatzierten auf den Landeslisten, näher vor. Auch die hessenschau im Fernsehen berichtet in dieser Woche über sie.
Montag, 10. Februar: Bettina Stark-Watzinger (FDP)
Dienstag, 11. Februar: Janine Wissler (Linke)
Mittwoch, 12. Februar: Ali Al-Dailami (BSW)
Freitag, 14. Februar: Anna Lührmann (Grüne)
Samstag, 15. Februar: Patricia Lips (CDU)
Sonntag, 16. Februar: Jan Nolte (AfD)
Montag, 17. Februar: Sören Bartol (SPD)

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Sie selbst machte es anders, studierte Volkswirtschaft, ging ins Ausland. Nach ihrer Rückkehr wollte sie sich in einer Partei politisch engagieren. Mit 36 war sie dabei eher eine Späteinsteigerin.

Welche politische Heimat sich die spätere Spitzenpolitikerin suchen wollte, stand da schon fest. "Mit dem Fokus auf den Einzelnen und die Selbstbestimmung, da war für mich klar: Die FDP ist meine Partei", erinnert sich Stark-Watzinger.

Diese Partei steckt nun in der Krise. Vier Prozent in den aktuellen Umfragen nach dem Erfolg mit 11,5 Prozent bei der Bundestagswahl 2021 zeigen: Es ist in den hitzigen aktuellen Debatten nicht so einfach, mit der liberalen Grundüberzeugung Wähler zu mobilisieren.

Fest an der Seite von Parteichef Lindner

In die Defensive der öffentlichen Vorwahl-Debatte geriet die FDP spätestens, als sie sich mit den sogenannten D-Day-Plänen aus der Parteizentrale den Verdacht einhandelte, das Ampel-Aus im vergangenen November von langer Hand vorbereitet zu haben.

Stark-Watzinger widerspricht. "Eine Koalition ist für uns kein Selbstzweck", sagte sie damals in der hessenschau. Sie stand fest an der Seite von Parteichef Christian Lindner, den Kanzler Scholz als Bundesfinanzminister gefeuert hatte.

Anders als ihr Ex-Parteifreund und Verkehrsminister Volker Wissing verließ die hessische FDP-Vorsitzende das Kabinett und wurde einfache Abgeordnete. Als solche steht sie dieser Tage wieder an Lindners Seite, da ein Reiz-Thema das Land aufwühlt - und die FDP-Bundestagsfraktion.  

"Probleme klar benennen und Lösungen anbieten"

In der Migrationsdebatte stimmt die Bad Sodenerin - ebenso wie die AfD und das BSW - dem Entschließungsantrag von CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz zur Verschärfung der Asylpolitik zu. "Wenn wir Probleme nicht klar benennen und Lösungen anbieten, dann werden die politischen Ränder gestärkt", glaubt Stark-Watzinger.

Auch dem Entwurf zum sogenannten Zustrombegrenzungsgesetz pflichtet sie Ende Januar im Bundestag bei - anders als ein Viertel ihrer Fraktion, aber wieder genauso wie die AfD. Die Sache scheitert an fehlenden Stimmen von CDU und Liberalen.

In der Verantwortung sieht Stark-Watzinger die Union: Die habe einen Antrag eingebracht, ohne selbst geschlossen dahinter zu stehen. "Keine Sternstunde des Parlamentarismus" nennt die FDP-Frau das wenige Tage später.

Werben mit eigenem Bildungsprogramm

Als Ex-Ministerin wirbt die 56-Jährige im Wahlkampf mit dem, was sie in ihrem Ressort geleistet habe. Sie pocht darauf, dass auch etwas für die Geschichtsbücher darunter war. Das Startchancen-Projekt mit 20 Milliarden Euro für die Schulen binnen eines Jahrzehnts sei das größtes Bildungsprogramm in der Geschichte der Republik.

Die Schulinfrastruktur soll verbessert werden, mehr Schulsozialarbeiter sollen die Lehrkräfte entlasten. Kritik, das Geld reiche immer noch nicht, weist die FDP-Politikerin zurück. Zumal die Finanzen nicht alles seien. "Die Schulen werden selbstständiger, können pädagogisch ihre eigenen Konzepte umsetzen", sagt Stark-Watzinger. Auch hier lautet das Leitmotiv: Freiheit.

Affäre um Fördermittel für palästina-freundliche Dozenten

Ausgerechnet die Frage der Wissenschaftsfreiheit bescherte Stark-Watzinger in der Zeit ihrer Regierungsarbeit eine handfeste Affäre. Als Hochschuldozenten nach dem Überfall der Hamas auf Israel und angesichts des Gaza-Kriegs einen pro-palästinensischen Protest unterstützt hatten, prüfte das Ministerium, ob man ihnen Fördermittel entziehen könne. Die Ministerin geriet unter Druck, blieb aber im Amt.

Gehen musste ihre Staatssekretärin Sabine Döring. Stark-Watzingers Kritiker sprachen von einem Bauernopfer. War es auch die Förderaffäre, die ihren Rückhalt im Landesverband messbar sinken ließ? Bei der Wahl zur Spitzenkandidatin blieb sie mit knapp 83 Prozent unumstritten. Beim ersten Mal 2021 hatte sie mit fast 95 Prozent aber deutlich besser abgeschnitten.

Stark-Watzinger bestreitet bis heute, eine Kürzungsprüfung gegen missliebig gewordene Wissenschaftler in Auftrag gegeben zu haben. "Der Vorgang ist abgeschlossen", sagt sie.

Ein Grund zur Hoffnung

Das Kapitel Bundestag soll trotz des liberalen Stimmungstiefs jedoch weitergehen. Hoffnung macht ihr, wie sie sagt, dass vor dem Wahltag am 23. Februar noch viele Menschen unentschlossen seien. Andererseits: Es macht ihr Sorgen, dass so viele der Politik grundsätzlich nicht mehr zutrauten, die Probleme zu lösen.

Ihr Ansatz: Der Staat müsse sich wieder als funktionsfähig erweisen, indem die Infrastruktur gestärkt und Auflagen abgebaut würden. "Der Staat wird als bürokratisches, teures Monster empfunden", glaubt sie.

Dagegen wolle sie in Berlin weiter angehen, wenn man sie denn lasse. Entschieden sei, wie so oft im Leben, noch lange nichts, betont Bettina Stark-Watzinger: "Als ich auf die Welt kam, hat auch niemand gedacht, dass ich einmal in den Bundestag komme oder Ministerin werde."

Redaktion: Wolfgang Türk

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de