FDP-Wahlkampf mit Lindner in Frankfurt Ein Auftritt ohne Druck von links

Die FDP kämpft im Wahlkampf-Endspurt gegen ein Stimmungstief und um ihre Existenz im Bundestag. In Frankfurt bringt Bundeschef Christian Lindner seine Partei als Garantin für eine Wende in der Wirtschafts- und der Migrationspolitik in Stellung.

FDP-Chef Christian Lindner spricht im Saal des Gesellschaftshaus des Frankfurter Palmengartens
FDP-Chef Christian Lindner im Gesellschaftshaus des Frankfurter Palmengartens Bild © hessenschau.de

Auf den schweren mutmaßlichen Anschlag, der sich nur Stunden zuvor in München ereignet hatte, wollte Christian Lindner noch zu sprechen kommen. Vorher verschaffte er sich noch einmal Luft, machte sich und den Gästen im voll besetzten Saal des nobel-historistischen Gesellschaftshauses im Frankfurter Palmengarten Mut.

"Nicht weichen!", lautete die Parole, die der FDP-Bundesvorsitzende wegen dem ausgab, was ihm bei seinen Veranstaltungen im Bundestagswahlkampf derzeit häufig und lautstark entgegenschlage. "Das ist wirklich Druck von links", sagte der 46-Jährige, um kurz danach zu wiederholen: "Da steht man unter Druck."

Mit dem Bruch der Ampelkoalition, in der Lindner unter Kanzler Olaf Scholz (SPD) Finanzminister war, war die FDP ins Stimmungstief gerutscht. Mit der Zustimmung zum auch von der AfD unterstützten Asylvorstoß der CDU sind heftige Anfeindungen dazugekommen. Davon wurde der lange ganz unangefochtene Star seiner Partei an diesem Donnerstag verschont.

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Wahlkampfveranstaltung der FDP in Frankfurt

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"Alles Gute, Herr Lindner!"

Im Gegenteil: Die offene Veranstaltung war ein politisches Heimspiel vor rund 650 Menschen, die Lindner gewogen waren; mit herzlichem Empfang und ebenso herzlichem Abschied, ganz ohne störende Zwischenrufe oder Demo. Die Rede des Hauptacts wurde immer wieder mit Applaus quittiert, sein eiliger Abgang zu einem Zeitungsinterview von drei, vier jungen männlichen Fans verzögert, die ein Selfie wünschten und trotz Terminstress auch bekamen. "Alles Gute, Herr Lindner", rief ihm einer hinterher.

Die Umfragen sind weniger freundlich und sehen die FDP seit Monaten existenzgefährdend knapp unter der Fünf-Prozent-Marke. Auf die Möglichkeit des Scheiterns am 23. Februar ging Linder bei dem einstündigen Solo-Auftritt auf der ovalen Bühne aber erst gar nicht ein.

"Alles lässt sich ändern" - so lautet schließlich das Wahlkampf-Motto der Liberalen, das hinter Lindner auf die Wand projiziert wurde. Getreu auch seinem älteren Motto, wonach Probleme nur dornige Chancen sind, will er den Druck in Energie umwandeln.

Dieser Druck komme auch von den Rechtspopulisten, mahnte Lindner mit Blick auf die AfD. "Die Mitte muss stark und mutig bleiben, weil sich sonst der Charakter dieses Landes ändert", sagte der FDP-Chef. Mitte: Das ist für Lindner vor allem seine eigene Partei. SPD und Grüne, mit denen er bis November noch regierte, überzog er im Stile eines Oppositionellen mit scharfer Kritik.

Absage an "rituelle Betroffenheit"

Das tat Lindner auch, als er den Vorfall von München aufgriff, wo ein Asylbewerber aus Afghanistan mit einem Kleinwagen in eine Gewerkschaftsdemo gefahren sein soll. Mindestens 28 Menschen wurden verletzt, mehrere von ihnen schwer. Ein Kind hat man reanimiert.

"Rituelle Betroffenheit" reiche nun nicht mehr, sagte Lindner. Denn das Muster sei ähnlich wie bei anderen Anschlägen: Der Täter sei wieder einmal schon zuvor auffällig und ausreisepflichtig gewesen. Trotzdem sei es zu der Tat gekommen.

Was der FDP-Politiker nicht wissen konnte: Über den mutmaßlichen Täter gab es widersprüchliche Angaben. Die Stadt München dementierte abends anfängliche Äuerungen von Bayerns CSU-Innenministers Joachim Hermann, wonach der Verdächtige wegen Drogen und Ladendiebstählen straffällig und auch ausreisepflichtig gewesen sei.

"Neben der Trauer wächst bei mir die kalte Wut", sagte Lindner. Er nennt die Anschläge "eine Form des Staatsversagens". Es sei an der Zeit, dass der Rechtsstaat zu jeder Zeit und an jedem Ort wieder Sicherheit garantiere. Das Sicherheitsgefühl vieler Menschen sei beeinträchtigt.

Abstimmung verteidigt

Die Aufgabe der FDP sieht er darin, sich gegen zwei "Lebenslügen in diesem Land" gleichzeitig zu stellen. Die AfD mache den Menschen weiß, Deutschland könne sich abschotten, obwohl Talente gebraucht würden. SPD, Grünen und der CDU unter Ex-Kanzlerin Angela Merkel warf er vor, irreguläre Migration durch "unbegrenzte Aufnahmebereitschaft" zu einem so gravierenden Problem gemacht zu haben.

Dass seine Bundestagsfraktion für einen CDU-Entschließungsantrag mit Asylverschärfungen stimmte, der nur mit Hilfe der AfD eine Mehrheit fand, verteidigte Lindner. Der eigentliche Skandal war nach seiner Interpretation, dass SPD und Grüne den "Schulterschluss der Mitte" verhindert hätten. Allerdings hatte sich auch ein Zehntel der FDP-Abgeordneten quer gestellt.

Fest auf der Schuldenbremse

"Wirtschaftswende" und "geordnete Migration" - das sind laut Lindner die Schlüsselbegriffe, um die AfD wieder klein und das Land auf Kurs zu bekommen. An der Schuldenbremse müsse man festhalten, denn es fehle nicht an staatlichem Geld, sondern an der Intelligenz, damit klug umzugehen.

Der Sozialstaat dürfe über das Bürgergeld nicht Antrieblosigkeit finanzieren. Absurde Auswüchse der Bürokratie bremsten Leistungsbereitschaft. Durch überzogene und widersinnige Klimaschutzmaßnahmen werde Deutschland noch "zum abschreckenden Beispiel".

Auch dafür gab es ausschließlich Beifall. Einen minimalen, eher humoristischen Störmoment hielt der Abend aber doch noch bereit. Lindner parierte ihn mit der Vermutung, es sei offenbar jemand vom CDU-Nachwuchs der Jungen Union im Saal. Denn seine Prognose, "Friedrich Merz wird der nächste Kanzler der Bundesrepublik Deutschland", quittierte ein junger Zuhörer als einziger mit Zwischenapplaus.

Traum vom kleineren Übel

Lindner ging es selbstverständlich nicht um den Merz-Erfolg, sondern um eine verbliebene Hoffnung in eigener Sache: Vielleicht, so sein Kalkül bei einer Projektion der denkbaren Regierungskonstellationen, wäre am Ende als kleineres Übel gegenüber Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün ja doch eine Deutschlandkoalition aus CDU, SPD und FDP möglich. Für Schwarz-Gelb wird es nicht reichen. Ein erneutes Bündnis unter Beteiligung der Grünen hat die FDP ausgeschlossen.

Im Wahlkampf sollen die liberalen Parteigenossen den Wählern jedenfalls klar machen: "Es ist keine Stimme verloren." Leihstimmen brauche die FDP auch nicht, meinte Lindner generös. Man solle nicht taktisch wählen.

Eine mutmaßliche Sorge dahinter: Eigentliche FDP-Wähler könnten wegen der schwachen Umfragewerte und einem denkbaren Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde ihre Stimme womöglich einer anderen Partei geben. So sagte Lindner es nicht. Er rief: "Am 23. Februar brauchen wir Ihre Bekenntnisstimme."

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de