Parteitag zur Bundestagswahl Hessische Linke wählt Wissler mit 91 Prozent zur Spitzenkandidatin
Anti-Rassismus, Abrüstung, Mietendeckel: Mit Themen wie diesen zieht die hessische Linke in den Bundestagswahlkampf. Ex-Parteichefin Janine Wissler erhielt nach schweren Zeiten in Berlin viel Rückendeckung – und knöpfte sich vor allem die Wagenknecht-Partei BSW vor.
Bei der Bundestagswahl im kommenden Februar muss die Linke um den Wiedereinzug ins Parlament bangen. Die Partei, die bei der Wahl im vorigen Jahr schon aus dem Landtag geflogen ist, liegt derzeit bundesweit unter der Fünf-Prozent-Hürde. Beim Parteitag des Landesverbandes am Samstag in Butzbach (Wetterau) lösten andere Zahlen trotzdem gute Stimmung aus.
An Mitgliedern legte die Linke in diesem Jahr nach eigenen Angaben stark zu – nicht zuletzt, seit sich das BSW als Bündnis der früheren Linken-Prominenten Sarah Wagenknecht abgespalten hat. Landeschef Jakob Migenda berichtete, mit derzeit rund 3.600 Mitgliedern sei der Landesverband so groß wie nie zuvor. Unterm Strich verzeichnete er demnach ein Plus von 600 Mitgliedern gegenüber dem Jahresbeginn.
Zur Spitzenkandidatin auf der Landesliste für die Bundestagswahl wählte die Linke die Ex-Co-Bundesvorsitzende und langjährige Landtagsfraktionschefin Janine Wissler. Die 43 Jahre alte Frankfurterin erhielt 91 Prozent. Damit übertraf sie deutlich das Ergebnis von 84 Prozent bei ihrer ersten Kandidatur vor vier Jahren.
Berliner Ärger schadet nicht - im Gegenteil
Es schadete Wissler in ihrem Landesverband also nicht, dass sie im Oktober nicht noch einmal für den Bundesvorsitz kandidierte. Damit hatte sie auf die Krise der Partei nach mehreren Wahlenttäuschungen und internen Querelen nicht zuletzt mit dem Wagenknecht-Lager reagiert.
Unter dem lauten Beifall der Delegierten ging Wissler in Butzbach gleich zu Beginn ihrer Rede auf Konfrontationskurs mit dem BSW. Dessen Asylpolitik und Plakate mit dem Slogan "Weniger Migration" machten klar, wo die Wagenknecht-Partei stehe. "'Ausländer raus' hat mit links nichts zu tun. Wir führen keine Sündenbock-Debatte“, sagte die Spitzenkandidatin.
Die Partei habe eine Zeit schwerer Angriffe von außen und innen hinter sich, sagte Wissler. "Uns steht ein kurzer und harter Wahlkampf bevor", prophezeite sie. Dabei müsse die Linke klar machen, dass sie als einzige Partei nicht vor dem rechten Zeitgeist kapituliere. Sie finde sich nicht ab mit sozialen Missständen, verteidige das Asylrecht und zeige friedenspolitisch klar Flagge.
Höherer Mindestlohn gefordert
Unter anderem forderte Wissler einen Stopp von Waffenexporten und nannte dabei die Ukraine, Israel und die Türkei. Armut müsse stärker bekämpft werden. Es sei die Linke gewesen, die den Mindestlohn als erste gefordert und ihm zu einer gesellschaftlichen Mehrheit verholfen habe. Die Partei fordert eine Anhebung auf 15 Euro pro Stunde.
Die Linken-Politikerin griff außerdem die CDU an, weil sie plane, "das ohnehin mickrige Bürgergeld" abzuschaffen. "Sie will diejenigen, die ihre Jobs verlieren, auf die Rutschbahn Richtung Armut setzen", sagte Wissler. Wie ungerecht es zugehe, zeigen ihrer Meinung nach die Sanierungspläne des VW-Konzerns. Während Tausende Arbeitsplätze abgebaut würden, würden die Eigentümer in einem Vermögen schwimmen, das die Beschäftigten erarbeitet hätten.
Als eine wesentliche Position der Linken unterstrich der amtierende Co-Bundesvorsitzende Jan von Aken die Forderung nach einem Mietendeckel. Wie es schon beim Mindestlohn gelungen sei, müsse die Partei den Menschen klar machen: Sie könne auch ohne Regierungsbeteiligung solche Veränderungen bewirken. "Wir werden auf jeden Fall den Mietendeckel durchsetzen, und wenn es acht Jahre dauert", sagte von Aken.
Schaffen es zwei?
Zwölf Frauen und Männer wählte die hessische Linke ohne Streit auf ihre Liste. Wenn es am Ende zwei von ihnen nach Berlin schaffen, wäre man zufrieden, hieß es aus der Parteispitze. Im Jahr 2021 kamen drei ihrer Kandidaten in den Bundestag. Den Einzug schaffte die Partei seinerzeit nicht über die Fünf-Prozent-Hürde. Die verfehlte sie mit 4,9 Prozent knapp. Aber es griff eine Sonderregelung: Auch drei bundesweit errungene Direktmandate reichen.
Den Platz direkt hinter Wissler erhielt der Bundestagsabgeordnete Jörg Cezanne aus Mörfelden-Walldorf (Groß-Gerau). Auf Position drei kam Violetta Bock aus Kassel. Bei der vorigen Bundestagswahl war über die Landesliste noch der Gießener Ali Al-Dalami für die Linke ins Parlament gekommen. Diesmal geht er als Spitzenkandidat des hessischen BSW in die Wahl.
Bei der Bundestagswahl 2021 kam die Linkspartei in Hessen auf 4,3 Prozent. 2017 waren es mit 8,1 Prozent noch deutlich mehr gewesen. Eine Forsa-Umfrage sah die Partei in dieser Woche in Hessen bei vier Prozent. Bei bundesweiten Erhebungen landete sie zuletzt bei drei Prozent.