Fernsehdebatte So lief die hessische Spitzenrunde zur Bundestagswahl
Migration, Wirtschaft, Klimaschutz, Ukraine: Im hr-fernsehen haben sieben Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl über die großen Themen debattiert. Sie taten das auf erstaunliche Art und Weise.
Zehn Tage vor der Bundestagswahl debattierten die hessischen Spitzenkandidaten der sieben im Bundestag vertretenen Parteien im Alten Güterbahnhof in Bad Homburg in einer Livesendung im hr-fernsehen über aktuelle Themen. Das Wichtigste im Schnelldurchlauf.
![Blick in einen halbdunklen Raum über die Köpfe von einigen Zuhörern einer Politikerdebatte hinweg. Im Hintergrund sind sieben Politikerinnen und Politiker zu sehen, die hinter Stehpulten nebeneinander stehen. Ebenfalls beleuchtet ist ein weiteres Stehpult am rechten Bildrand, wo zwei Moderatorinnen stehen.](https://www.hessenschau.de/politik/bundestagswahl/btw25-spitzenrunde-tv-100~_t-1739510361581_v-16to9__small.png 320w, https://www.hessenschau.de/politik/bundestagswahl/btw25-spitzenrunde-tv-100~_t-1739510361581_v-16to9__medium.png 480w, https://www.hessenschau.de/politik/bundestagswahl/btw25-spitzenrunde-tv-100~_t-1739510361581_v-16to9__medium__extended.png 640w, https://www.hessenschau.de/politik/bundestagswahl/btw25-spitzenrunde-tv-100~_t-1739510361581_v-16to9.png 960w)
Worum ging's?
Die Macher des TV-Duells von Kanzler Scholz (SPD) und Union-Kanzlerkandidat Merz am vergangenen Sonntag mussten sich die Kritik anhören, es seien zu wenige Themen zur Sprache gekommen. Das lässt sich über "Die Spitzenrunde" im hr-fernsehen nicht sagen.
Die vier Politikerinnen und drei Politiker - allesamt aktuell Mitglieder des Bundestags - diskutierten am Donnerstagabend 94 Minuten lang über Migration, Schutz der Demokratie, Pflege, Konjunkturpolitik, Mindestlohn, Investitionen in Infrastruktur, Inflation, allgemeines Tempolimit, Kampf gegen die Erderwärmung, den Ukraine-Krieg, eine Milliardärssteuer und die Rente. Die Fragen kamen zum großen Teil von Bürgerinnen und Bürgern im Land, die in den vergangenen Wochen beim hr-Wahlmobil Halt gemacht hatten.
Unter dem Eindruck von München
Der mutmaßliche Anschlag eines Asylbewerbers am Donnerstagvormittag in München setzte das erste Thema: Migration. Sören Bartol von der SPD und Anna Lührmann (Grüne) als Vertreter der Rest-Regierung suchten dem möglichen Eindruck entgegenzutreten, die Ampel sei auf dem Gebiet untätig gewesen. Die Zahl der Zuwanderer sei zuletzt deutlich gesunken, die der Abschiebungen gestiegen. Zudem habe man sich mit den anderen europäischen Staaten auf ein neues, gemeinsames Asylsystem mit verstärkten Kontrollen an den EU-Außengrenzen (Geas) geeinigt.
Patricia Lips (CDU) und Jan Nolte (AfD) plädierten für eine nationale Lösung. "Dieses Land braucht mal eine Pause, sonst schaffen wir es nicht", sagte Lips. Auch Bettina Stark-Watzinger von der FDP, bis vor kurzem Teil der Ampel-Regierung, sprach vom "überforderten Staat" und einem verheerenden "Eindruck von Kontrolllosigkeit". Ali Al-Dailami vom BSW stellte fest, es seien schlicht "zu viele Migranten" ins Land gekommen in den vergangenen Jahren.
Janine Wissler (Linke) stand mit ihrer Forderung, in der Migrationsdebatte nicht nur über mehr Abschiebungen und Grenzkontrollen zu sprechen, sondern über mehr psychosoziale Betreuung der Geflüchteten und über Wege, die Fluchtursachen zu bekämpfen, allein da.
![hs 1.02.2025](https://www.hessenschau.de/tv-sendung/250214_spitzenrunde_btw-100~_t-1739559779403_v-16to9__small.jpg 320w, https://www.hessenschau.de/tv-sendung/250214_spitzenrunde_btw-100~_t-1739559779403_v-16to9__medium.jpg 480w, https://www.hessenschau.de/tv-sendung/250214_spitzenrunde_btw-100~_t-1739559779403_v-16to9__medium__extended.jpg 640w, https://www.hessenschau.de/tv-sendung/250214_spitzenrunde_btw-100~_t-1739559779403_v-16to9.jpg 960w, https://www.hessenschau.de/tv-sendung/250214_spitzenrunde_btw-100~_t-1739559779403_v-16to9__retina.jpg 1920w)
Deutschland von morgen
Einig waren sich dann alle darin, dass Deutschland durchaus mehr Migration brauche: eine gezielte Zuwanderung in den Arbeitsmarkt. Ohne Fachkräfte aus dem Ausland wären der Gesundheits- und Pflegebereich längst zusammengebrochen. Darüber hinaus gebe es wegen der ungünstigen demografischen Entwicklung im Land jedes Jahr Bedarf an mehreren hunderttausend Fachkräften von außen.
Darüber, was die Wirtschaft sonst wieder auf Wachstumskurs bringen würde, gingen die Meinungen wieder auseinander. Steuern runter, Energiekosten runter, Bürokratieaufwand in Form von Berichtspflichten runter, das fiel Lips, Stark-Watzinger und Nolte dazu ein. Lührmann sagte, die Ampel habe die Weichen für günstigere Energie und schnellere Genehmigungsverfahren gestellt. Wissler und Bartol erhoffen sich von einem höheren Mindestlohn (15 Euro) mehr Kaufkraft und Impulse für die Binnennachfrage. Al-Dailami wünschte sich eine Rückkehr zum Bezug von billigem Gas, seinetwegen auch aus Russland.
Um mehr in die marode Infrastruktur bei Schulen, Straßen und Bahn und in geförderten Wohnraum investieren zu können, sprach sich SPD-Landeschef Bartol für eine Reform der Schuldenbremse aus. Wie zu erwarten, erntete er dafür auf der linken Hälfte des Stehkreises Zustimmung, auf der rechten nicht.
Wie war das Klima?
Angesichts der Themenfülle hatten die Bundestagskandidatinnen und -kandidaten genug damit zu tun, ihre eigenen Standpunkte darzulegen, und kamen kaum zum Streiten. Erstaunlich in diesem erhitzten Wahlkampf. Mit seinem Plädoyer nach weniger Brandschutzvorschriften löste Nolte Irritation aus. Umgekehrt griff er Lips an, weil deren Union nicht eine dauerhafte Zusammenarbeit mit seiner AfD suche, wo es doch bei Merz' Migrationsanträgen schon eine Annäherung gegeben habe.
Etwas in Fahrt kam die Runde, als es um den Ukraine-Krieg ging und wie dieser zu beenden sei. Al-Dailami betonte, all die Waffenlieferungen der vergangenen Jahre hätten nur Tote gebracht. Von Deutschland oder der EU sei keine Friedensinitiative ausgegangen. Man hätte von Anfang an allein auf Diplomatie setzen müssen.
Nicht nur Lührmann entgegnete, dass es ohne Waffenlieferungen die Ukraine als eigenständigen Staat dann seit drei Jahren nicht mehr gäbe. Über Verhandlungen zum Frieden könne allein die Ukraine entscheiden, sagte Stark-Watzinger. "Tut sie ja nicht", sagte Al-Dailami mit Blick auf mögliche Absprachen von US-Präsident Trump mit Russlands Machthaber Putin. Umso mehr müsse die EU ihr Gewicht einbringen, dafür sorgen, dass es "keinen Diktatfrieden" gebe und unter Beteiligung der Ukraine "auf Augenhöhe verhandelt" werde.
Und das Klima?
Ums Klima ging's dann tatsächlich auch. Vor wenigen Jahren galt es noch als wichtigstes Thema, nun werden die meisten Bekenntnisse zu mehr Klimaschutz mit einem Aber versehen. Lührmann warb dafür, den eingeschlagenen und in nationalen und internationalen Klimazielen festgeschriebenen Weg konsequent weiterzugehen. Auch Bartol warnte: "Dieses Rein-Raus muss aufhören." Versorger, Hersteller und nicht zuletzt die Verbraucher wollten Klarheit über die Zukunft des Heizens und der Energieerzeugung, die ja klimaneutral sein müsse.
Stark-Watzinger wünschte sich "eine ehrliche Klimapolitik", die "sich an den realen Begebenheiten orientieren" und Technologieoffenheit zulassen solle. Beim Heizen etwa dürfe man nicht nur auf Wärmepumpen setzen. Lips sekundierte, alle Klimaschutzmaßnahmen müssten von der Akzeptanz in der Bevölkerung getragen werden: "Das Heizungsgesetz hat die Menschen überfordert."