Check zur Bundestagswahl Cannabis-Clubs bangen um Existenz aus Sorge vor Union-Wahlsieg
Die begrenzte Freigabe von Cannabis ist noch kein Jahr her, da wird schon wieder über eine Abschaffung des Gesetzes diskutiert. Denn CDU/CSU-Kanzlerkandidat Merz hält es für einen Fehler. Bei den Cannabis-Clubs herrscht Verunsicherung.
Die Euphorie in der Cannabis-Community war groß, als die Droge voriges Jahr zum straffreien Konsum teilweise freigegeben wurde. Auch die Möglichkeit, Anbau-Vereinigungen zu gründen, sorgte für Aufbruchstimmung. Doch diese ist mittlerweile der Ernüchterung gewichen. In Hessen haben bisher laut dem zuständigen Regierungspräsidiums (RP) Darmstadt erst zwei Cannabis-Clubs eine Anbau-Lizenz erhalten. Rund zwei Dutzend Anträge sind noch in Bearbeitung.
Die Probleme für die Clubs sind groß und das Ringen mit den Behörden um Lizenzen kompliziert. Nun aber kommt ein weiterer Faktor hinzu, der Unsicherheit bringt: Friedrich Merz.
Union will Gesetz kippen
Der Kanzlerkandidat von CDU und CSU betonte am Sonntag im Rahmen des Kanzlerduells, dass die Union die Cannabis-Legalisierung für falsch halte. Das Cannabis-Gesetz will er demnach kippen, sollte er an die Macht kommen.
Und danach sieht es derzeit aus: Im ARD-Deutschlandtrend von vergangener Woche liegt die Union mit 31 Prozent klar vorn - vor AfD (21 Prozent), SPD (15 Prozent) und den Grünen (14 Prozent).
Poseck sieht keine Hindernisse
Sein Parteikollege, Hessens Innenminister Roman Poseck, ist ebenfalls kein Freund von Cannabis. Er bezeichnete die zum 1. April 2024 erfolgte Teillegalisierung als "gravierenden Fehler" und betonte: "Wenn die kommende Bundesregierung das Gesetz zur Cannabis-Legalisierung rückgängig machen möchte, hat sie meine Unterstützung."
Poseck sagte dem hr auf Anfrage: "Aus meiner Sicht ist es ohne Weiteres möglich, das Gesetz rückgängig zu machen." Er sehe weder rechtlich noch tatsächlich eine Notwendigkeit für einen Bestandsschutz. Dieser würde das Gesetz vor einer Abschaffung schützen.
Abwarten statt investieren
"Die aktuellen Unsicherheiten sind eine Katastrophe für die Cannabis-Clubs", sagt Bartosz Dzionsko angesichts dieser Großwetterlage. Der Jurist aus Frankfurt gilt als Experte auf dem Gebiet und hat nach eigenen Angaben bereits mehr als 100 Anbauvereinigungen, auch Cannabis Social Clubs (CSC) genannt, beraten.
Dzionsko beobachtet: "Viele Cannabis-Clubs nehmen gerade davon Abstand, den Vereinsaufbau und die Lizenzierung für den Anbau durchzuziehen." Der Tenor sei: "Bevor wir noch mehr Geld mit ungewissem Ausgang und Ertrag investieren, hören wir lieber auf - oder beobachten erst mal, wie es weitergeht." Nicht selten wurden bereits fünfstelligen Summen investiert - Eigenkapital und Beiträge von Mitgliedern.
Verzögerungen bei Anträgen bremsen Wachstum
Einer von denen, der mit Wucht auf die Bremse getreten sind, ist Fynn von Kutzschenbach. Der Jung-Unternehmer aus Wiesbaden, der mehrere Cannabis-Clubs im Rhein-Main-Gebiet gegründet hat, sagt: "Aktuell sehen wir erhebliche Verzögerungen bei den Anträgen und eine zunehmende politische Unsicherheit." Das hemme das Wachstum der Clubs.
Das fordern die Parteien zu Cannabis
"Kiffen verboten", schreibt die Union in ihrem Wahlprogramm. Obwohl die Teillegalisierung von Cannabis noch nicht einmal ein Jahr her ist und Erkenntnisse über die Folgen ausstehen, behaupten CDU und CSU, das Cannabis-Gesetz sei gescheitert: "Es begrenzt weder den Konsum noch drängt es den Schwarzmarkt zurück. Stattdessen erleben wir brutale Bandenkriege." Daher wolle man die Legalisierung dieser Droge zurücknehmen.
Einen ganz anderen Weg schlagen die Sozialdemokraten laut ihrem Wahlprogramm ein: "Um den Gesundheitsschutz, den Jugendschutz und den Kampf gegen die Organisierte Kriminalität zu verbessern", schreiben sie, wollten sie sich für "eine europarechtskonforme Legalisierung" starkmachen.
Die AfD weist in ihrem Wahlprogramm auf mögliche gesundheitsschädliche Folgen insbesondere bei Heranwachsenden hin. "Die Freigabe des Cannabiskonsums außerhalb bestimmter medizinischer Indikationen halten wir für einen Fehler, der korrigiert werden muss", schreibt die Partei. Ausgebaut werden müsse die suchtpsychiatrische Versorgung.
"An dem Ziel des Verkaufs von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften halten wir weiter fest", schreiben die Grünen in ihrem Regierungsprogramm. Ihrer Ansicht nach sollen die Regulierung von Drogen sich an den tatsächlichen gesundheitlichen Gefahren der Substanzen orientieren und die Drogenpolitik eher auf Hilfe statt auf Kriminalisierung setzen. Die Strafverfolgung solle das Organisierte Verbrechen im Fokus haben. Um den Schwarzmarkt zu bekämpfen, setze man auf eine Zusammenarbeit auf europäischer Ebene.
Ähnlich äußert sich die FDP. "Statt das Konsumverhalten zu kriminalisieren, wollen wir durch Aufklärung zu einem verantwortungsfähigen Umgang mit Suchtmitteln verhelfen", schreibt sie in ihrem Wahlprogramm. Dazu brauche es Prävention und Jugendschutz. Mit dem Cannabis-Gesetz habe man einen ersten Schritt dorthin getan - es diene außerdem dazu, den Schwarzmarkt einzudämmen.
Die Linke will "eine vollständige Legalisierung von Cannabis auf EU- und UN-Ebene durchsetzen", wie sie in ihrem Wahlprogramm schreibt. Drogenkonsum solle grundsätzlich entkriminalisiert werden (der Konsum selbst steht auch jetzt nicht unter Strafe, d. Red.). Mit "medizinischen und sozialarbeiterischen Interventionsprogrammen" sollten Drogen "angemessen reguliert" werden. Die Organisierte Kriminalität dahinter müsse bekämpft werden.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht äußert sich in seinem Wahlprogramm weder zu Cannabis im Besonderen noch zur Drogenpolitik im Allgemeinen.
CDU/CSU
"Kiffen verboten", schreibt die Union in ihrem Wahlprogramm. Obwohl die Teillegalisierung von Cannabis noch nicht einmal ein Jahr her ist und Erkenntnisse über die Folgen ausstehen, behaupten CDU und CSU, das Cannabis-Gesetz sei gescheitert: "Es begrenzt weder den Konsum noch drängt es den Schwarzmarkt zurück. Stattdessen erleben wir brutale Bandenkriege." Daher wolle man die Legalisierung dieser Droge zurücknehmen.
SPD
Einen ganz anderen Weg schlagen die Sozialdemokraten laut ihrem Wahlprogramm ein: "Um den Gesundheitsschutz, den Jugendschutz und den Kampf gegen die Organisierte Kriminalität zu verbessern", schreiben sie, wollten sie sich für "eine europarechtskonforme Legalisierung" starkmachen.
AfD
Die AfD weist in ihrem Wahlprogramm auf mögliche gesundheitsschädliche Folgen insbesondere bei Heranwachsenden hin. "Die Freigabe des Cannabiskonsums außerhalb bestimmter medizinischer Indikationen halten wir für einen Fehler, der korrigiert werden muss", schreibt die Partei. Ausgebaut werden müsse die suchtpsychiatrische Versorgung.
Grüne
"An dem Ziel des Verkaufs von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften halten wir weiter fest", schreiben die Grünen in ihrem Regierungsprogramm. Ihrer Ansicht nach sollen die Regulierung von Drogen sich an den tatsächlichen gesundheitlichen Gefahren der Substanzen orientieren und die Drogenpolitik eher auf Hilfe statt auf Kriminalisierung setzen. Die Strafverfolgung solle das Organisierte Verbrechen im Fokus haben. Um den Schwarzmarkt zu bekämpfen, setze man auf eine Zusammenarbeit auf europäischer Ebene.
FDP
Ähnlich äußert sich die FDP. "Statt das Konsumverhalten zu kriminalisieren, wollen wir durch Aufklärung zu einem verantwortungsfähigen Umgang mit Suchtmitteln verhelfen", schreibt sie in ihrem Wahlprogramm. Dazu brauche es Prävention und Jugendschutz. Mit dem Cannabis-Gesetz habe man einen ersten Schritt dorthin getan - es diene außerdem dazu, den Schwarzmarkt einzudämmen.
Linke
Die Linke will "eine vollständige Legalisierung von Cannabis auf EU- und UN-Ebene durchsetzen", wie sie in ihrem Wahlprogramm schreibt. Drogenkonsum solle grundsätzlich entkriminalisiert werden (der Konsum selbst steht auch jetzt nicht unter Strafe, d. Red.). Mit "medizinischen und sozialarbeiterischen Interventionsprogrammen" sollten Drogen "angemessen reguliert" werden. Die Organisierte Kriminalität dahinter müsse bekämpft werden.
BSW
Das Bündnis Sahra Wagenknecht äußert sich in seinem Wahlprogramm weder zu Cannabis im Besonderen noch zur Drogenpolitik im Allgemeinen.
Mit Blick auf die Bundestagswahl sagt von Kutzschenbach: "Ein Wahlsieg der CDU könnte dazu führen, dass bestehende Regelungen verschärft oder Cannabis-Clubs insgesamt ausgebremst werden." Es sei nicht ausgeschlossen, dass auf Landesebene restriktive Maßnahmen ergriffen werden. Dadurch könnten Anbau und Vertrieb erschwert werden, "sei es durch hohe Auflagen oder Verzögerungen bei Genehmigungen".
In dieser Phase der Unsicherheit herrscht nun Stagnation, wie auch von Kutzschenbach bemerkt: "Viele Antragsteller warten ab, so auch wir, da die rechtlichen Rahmenbedingungen unklar sind. Sie befürchten, dass sich Investitionen nicht auszahlen." Zudem schrecke es ab, dass bisher nur wenige Clubs überhaupt eine Genehmigung erhalten hätten.
Keine Interviews aus Angst vor Sanktionen
Über die heißbegehrten Genehmigungen durften sich bisher nur zwei Vereine freuen - einer aus Osthessen und einer aus Mittelhessen. Beide standen für ein Interview über die ungewisse Zukunft von Teillegalisierung und Cannabis-Anbau auf hr-Anfrage nicht zur Verfügung.
Denn: Bei vielen Cannabis-Clubs herrscht Zurückhaltung in der Öffentlichkeit und gegenüber Medien. Sie fürchten, dass Behörden ihnen vorwerfen könnten, Werbung zu betreiben. Denn das ist verboten: Es drohen Sanktionen bis hin zum Widerruf der Anbau-Lizenz, wie das RP Darmstadt erklärte.
Werbung liege vor, wenn kommerzielle Kommunikation betrieben werde mit dem Ziel, Konsum und Weitergabe von Cannabis zu fördern. Und wenn es bereits nur den Anschein hat, kann es für die Clubs schon brenzlig werden. Diese resolute Haltung herrscht zum Schutz der Jugend und der Gesundheit der Bevölkerung durch Verhinderung von Konsumanreizen, wie das RP erläuterte. Medienbeiträge, die neutral und wertfrei gestaltet seien, seien dagegen zulässig.
Neutral oder werblich - darüber können Ansichten und Interpretationen im Einzelfall auseinandergehen. Deswegen wollen die Cannabis-Club nichts riskieren.
Kosten für Miete, Umbau und Anbau
Die Voraussetzungen für eine Lizenz zu erfüllen, ist aufwendig - vor allem finanziell. Neben seit Monaten auflaufenden Mietkosten für geeignete Örtlichkeiten muss Geld in den Umbau, Anbau-Equipment und vor allem Sicherheitstechnik gesteckt werden - zum Schutz vor Einbrechern.
Die Kommunikation scheint zuweilen schwierig zwischen Clubs und Behörde. Zu klärende Details bei der Ausstattung, etwa zu Sicherheitsmaßnahmen, und der Austausch darüber führten immer wieder zu Verzögerungen, beobachtet Rechtsanwalt Dzionsko, der seine Erfahrungen in Hessen und anderen Bundesländern gemacht hat. "Das ist ein aufreibendes Ping-Pong-Spiel. Manchmal bekommt man den Eindruck: Das ist Taktik, zum Verzögern."
"Die Hürden sind hoch"
Auch Club-Gründer von Kutzschenbach ist unglücklich, dass die bürokratischen Hürden so hoch seien. "Die Anforderungen an Dokumentation, Sicherheitsmaßnahmen und die genaue Nachverfolgbarkeit des Anbaus sind komplex und für viele Antragsteller abschreckend."
Das RP Darmstadt als Erlaubnisbehörde kann die von den Clubs geäußerte Kritik nicht nachvollziehen. Sie sagt, man sei "bemüht, die Anträge zügig und der Reihe nach zu bearbeiten". Doch die eingereichten Unterlagen seien häufig unvollständig. Es fehlten für die Prüfung notwendige Dokumente, etwa Führungszeugnisse.
Das RP versuche, Antragssteller zu unterstützen, etwa mit Leitfäden zur Erarbeitung der Anträge und bei der Erstellung des Gesundheits- und Jugendschutzkonzeptes. Die Behörde stehe auch immer wieder im Austausch mit den Clubs.
Mit all dem will sich Gründer von Kutzschenbach für Club-Standorte in Frankfurt, Wiesbaden und Umgebung nicht mehr herumschlagen. Denn in Hessens größter Stadt soll es Cannabisblüten und andere THC-haltige Produkte künftig in Fachgeschäften geben - als Modellversuch.
Auch Offenbach will das Modell ausprobieren. Die Landeshauptstadt Wiesbaden wird den Cannabis-Verkauf in Apotheken testen. Durch dieses Modell könnte das Betreiben von Cannabis-Clubs in Frankfurt und Umgebung unattraktiv werden, glaubt von Kutzschenbach. Und nun heißt es sowieso erst mal: abwarten, was der 23. Februar bringt.