SPD-Spitzenkandidat Sören Bartol Der Doppel-Staatssekretär, der vom sachlichen Wahlkampf träumt

Der Ton ist rau im Wahlkampf, die Debatten sind emotional: Der SPD-Spitzenkandidat Sören Bartol setzt stattdessen auf Sachlichkeit - und auf den Zusammenhalt der demokratischen Parteien.

Der Bundestagsabgeordnete Sören Bartol von der SPD steht lachend in der Marburger Fußgängerzone.
Sören Bartol in der Oberstadt in Marburg. Bild © Sonja Süß

In der Fußgängerzone von Kirchhain (Marburg-Biedenkopf) ist es an diesem Samstagvormittag kalt und grau, Februarwahlkampf. "Danke FDP", sagt der SPD-Spitzenkandidat Sören Bartol scherzhaft mit Blick auf das Wetter und das Ampel-Aus. Durch die vorgezogene Bundestagswahl werde man künftig häufiger frieren im Wahlkampf alle vier Jahre, weil im Frühjahr statt in Herbst gewählt werden muss.

Bartol: AfD treibt "Angstthemen" voran

Auch thematisch ist der Wahlkampf ungemütlich. Die AfD treibe "Angstthemen" voran, sagt Bartol. Es sei wesentlich schwieriger, mit Sachlichkeit und Zuversicht zu überzeugen statt nur auf Emotionen zu setzen. "Was mir Sorgen macht, ist die Aggressivität", sagt Bartol, etwa wie hart die Grünen attackiert würden.

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Bundestagswahl – der SPD-Spitzenkandidat Sören Bartol

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Bild © hessenschau.de
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Im vorigen Bundestagswahlkampf sei es noch oft um Soziales, Wohnungsnot und Klima gegangen, sagt Bartol. Themen, mit denen er sich gut auskennt. Sozialer Zusammenhalt, Stärkung der Wirtschaft in der Region, Mobilität - mit Kompetenz auf diesen Feldern wirbt er für sich.

Aktuell werde all das aber durch die von Union und AfD vorangetriebene Diskussion um eine schärfere Asylpolitik überlagert, sagt er. Für einen Politiker wie Bartol macht es das schwieriger, mit seinen Themen noch bei den Bürgern durchzudringen.

Trotzdem ist er sich sicher: Auch in diesem Jahr wird er das Direktmandat holen im Wahlkreis - wie bei den Wahlen zuvor. In Marburg ist die SPD stark, in der Fußgängerzone in Kirchhain, in der Oberstadt von Marburg, überall kommen Menschen auf Bartol zu, schütteln ihm die Hand. Man kennt sich, oft schon seit Jahrzehnten.

"Alle demokratischen Parteien müssen sich zusammenraufen"

Der 50 Jahre alte Bartol ist seit 2002 Abgeordneter im Bundestag, er hat viel erlebt im demokratischen Mit- und Gegeneinander: Mit der AfD sei ein ganz anderer Tonfall ins Parlament eingezogen, erzählt er. Parlamentskollegen stünden nun mit "einschlägigen Rechtsextremen" in der Schlange in der Kantine. Die AfD-Fraktion beschäftigt mehr als 100 Rechtsextreme im Bundestag, wie eine Recherche des BR zeigt.

Das verändere die Stimmung, sagt Bartol. Früher habe er mit Politikern aller Fraktionen zusammengesessen und diskutiert, mit der AfD sei das anders. "Die AfD redet das Land runter und hat keine Inhalte", sagt Bartol. Er setzt auf die Stärke des Parlaments: "Alle demokratischen Parteien müssen sich zusammenraufen."

Es sei auch nicht einfach, mit Sachpolitik in einem Wahlkampf durchzudringen, der von anderen vor allem durch Emotionen und Angstmacherei bespielt werde. Etwa bei Social Media, wo die AfD sehr erfolgreich ist und die anderen Parteien erst langsam nachziehen: "Der Algorithmus belohnt nicht die Sachlichkeit", sagt Bartol.

Doppel-Staatssekretär und Spitzenwahlkämpfer

Aber Bartol ist abgehärtet, ein Politik-Routinier. Immer wieder gewinnt er zuverlässig das Direktmandat im Kreis Marburg. Auch diesmal werde er die meisten Erststimmen bekommen, ist er sich sicher. Als Bartol in Marburg sein Politik- und Jurastudium begann, herrschte dort Wohnungsmangel. Bartol fand ein Zimmer im nahe gelegenen Kirchhain.

Das Thema Wohnraummangel und hohe Mieten beschäftigt ihn auch heute noch permanent, diesmal beruflich: Er ist Staatssekretär im Bundesministerium für Wohnen, Bauen und Stadtentwicklung.

Blick in eine rote Tasche, in der sich rote Taschentücher befinden.
Mit Taschentüchern und Zuversicht zieht Sören Bartol in den Wahlkampf. Bild © Sonja Süß (hr)

Dazu kommt eine Reihe weiterer Ämter: Nach dem Bruch der Ampel im vergangenen Jahr musste Bartol kurzfristig im Verkehrsministerium unter dem Ex-FDPler Volker Wissing einspringen und ist dort seit November Parlamentarischer Staatssekretär. Er habe nicht lange überlegt, als er gefragt wurde, erzählt er. Wie ein Ministerium funktioniere, wisse er, auch mit den Themen rund um Verkehr kenne er sich aus. Trotzdem blieb ihm nur wenig Zeit, sich die Inhalte einer weiteren Aufgabe anzueignen.

Ministerien in Berlin, Kaninchenschau in der Region

Nachdem die Ampel zerbrochen war, habe er im Verkehrsministerium drei verwaiste Büros vorgefunden, von denen er sich eines habe aussuchen können, erzählt Bartol. Eine Zeit der Übergabe gab es nicht nach dem plötzlichen Ampel-Aus, die Arbeit blieb einfach liegen.

Dazu kommt die Arbeit in Hessen, wo er Vorsitzender der Hessen-SPD ist und Spitzenkandidat im Wahlkampf. Dass sein Handy ständig klingelt und er zwischen dem Job als Wahlkämpfer und Doppel-Staatssekretär permanent hin- und herwechseln muss, nimmt Bartol gelassen. Er wirkt wie jemand, für den Stress ein ganz alltäglicher Zustand ist.

Am Nachmittag fährt Bartol ganz an den Rand seines Wahlkreises, nach Bottenhorn, einem Ortsteil von Bad Endbach. Ziel ist der örtliche Kaninchenverein, heute ist Rammlerschau. Die Gegend ist das sogenannte Hinterland, was deren Bewohner mit Stolz sagen.

Seit 20 Jahren vor Ort

Bartol kennt auf dem Weg dorthin jede Ecke. Er weiß, wo die Windräder stehen und dass der Wind in Bottenhorn wegen der Lage auf einem Hügel immer besonders stark weht. Er erinnert sich, wie er mal in einer Schneewehe stecken blieb.

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Hessische Spitzenkandidaten

hessenschau.de stellt die hessischen Spitzenkandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien für die Bundestagswahl 2025, also die jeweils Erstplatzierten auf den Landeslisten, näher vor.
Montag, 10. Februar: Bettina Stark-Watzinger (FDP)
Dienstag, 11. Februar: Janine Wissler (Linke)
Mittwoch, 12. Februar: Ali Al-Dailami (BSW)
Freitag, 14. Februar: Anna Lührmann (Grüne)
Samstag, 15. Februar: Patricia Lips (CDU)
Sonntag, 16. Februar: Jan Nolte (AfD)
Montag, 17. Februar: Sören Bartol (SPD)

Auch die hessenschau im hr-fernsehen berichtet in dieser Woche über sie.

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Zuletzt war Bartol im November dort bei einer Kaninchenschau. Seit 20 Jahren sei er immer wieder vor Ort, wer sich nur im Wahlkampf blicken lasse, werde nicht ernst genommen, erklärt er. Und bloß nicht Hase sagen, es seien Kaninchen, warnt er. Und den Finger nicht in den Käfig der großen Rammler stecken, der sei dann schnell mal ab.

Bartol: "Euch nervt auch mal was in der Politik"

Der Vereinsvorsitzende stellt den Staatssekretär Bartol vor, der ein kurzes Grußwort sprechen darf. Hier in Bottenhorn und beim Kaninchenverein sei es "offen, klar, ehrlich, gerade heraus", sagt Bartol. "Euch nervt auch mal was in der Politik", und das dürfe dann auch so gesagt werden. Die Tierschutzvorschriften ärgern manche Züchter. Bartol kennt die Klagen, er nimmt sie ernst, diskutiert mit den Züchtern über die Probleme.

Zwei Kaninchen sitzen im Vordergrund, dahinter stehen der Politiker Bartol und Mitglieder des Kaninchenzüchtervereins
Die Gewinner der Rammlerschau werden präsentiert. Bartol (im schwarzen Rollkragenpullover) kommt regelmäßig vorbei. Bild © hr

Am Ende fordert er die Besucher der Rammlerschau auf, bei der Bundestagswahl wählen zu gehen und das Kreuz "bei einer der hervorragenden demokratischen Parteien zu setzen", egal ob CDU, SPD oder Grüne. Das "demokratisch" betont er vorsichtshalber.

Nach der Kaninchenschau geht es gleich weiter, am Abend sind Karnevalssitzungen. Auch das bringt der Februar neu mit in die Wahlkampfzeit. Karneval sei in der Region traditionell nicht so stark sozialdemokratisch geprägt wie die Kaninchenvereine, aber das störe ihn nicht, sagt Bartol. Er will auch dort Gesicht zeigen und für Stimmen für sich und die Demokratie im Allgemeinen werben.

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Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de