VGH-Entscheidung Forsa darf nach Briefwahlstimmen fragen
Darf in Wahl-Umfragen das Abstimmungsverhalten von Briefwählern einfließen? Ja, sagt der Hessische Verwaltungsgerichtshof. Damit scheiterte der Bundeswahlleiter mit seiner Beschwerde in letzter Instanz.
Das Meinungsforschungsinstitut Forsa darf für seine Wahlumfragen auch Briefwähler nach deren bereits abgegebenen Stimmen fragen. Das hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel entschieden. Der Beschluss wurde am Mittwoch bekannt.
Das im Bundeswahlgesetz enthaltene Verbot, keine Ergebnisse von Wählerbefragungen "nach der Stimmabgabe" vor Ablauf der "Wahlzeit" zu veröffentlichen, gelte nicht für die Briefwahl, so der VGH (Az: 8 B 1929/21). Damit scheiterte Bundeswahlleiter Georg Thiel mit einer Beschwerde im Streit um die Veröffentlichung von Forsa-Wahlprognosen.
Wahlleiter sah Gesetzesverstoß
Das Institut befragte für seine Umfragen zufällig ausgesuchte Bürgerinnen und Bürger nicht nur danach, wen sie wählen würden, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre. Hatten Befragte bereits per Briefwahl ihre Stimme abgegeben, wurde ebenfalls nach der abgegebenen Stimme gefragt.
Thiel hatte argumentiert, die Veröffentlichung von Umfragen vor Ablauf der Wahlzeit stelle einen Verstoß gegen das Bundeswahlgesetz dar, "wenn Briefwählerinnen und Briefwähler nicht nur nach ihrer Wahlabsicht, sondern nach ihrer Wahlentscheidung gefragt werden". Daher dürfe Forsa auch nicht die abgegebenen Briefwahlstimmen in die Prognosen einfließen lassen.
Das sahen die Kasseler Richter anders. Die gesetzliche Vorschrift knüpfe an die Stimmabgabe in den Wahllokalen an und beziehe sich nicht auf die Briefwahl. Auch der Gesetzgeber habe bislang offenbar keinen Handlungsbedarf gesehen, das Verbot der Veröffentlichung sogenannter Nachbefragungen weiter zu fassen.
VGH: Briefwahl anders zu bewerten
Die Briefwahl falle nicht unter das Veröffentlichungsverbot von Ergebnissen von Wählerbefragungen nach der Stimmabgabe vor Ablauf der Wahlzeit, so der VGH. Das Bundeswahlgesetz unterscheide an verschiedenen Stellen zwischen einer Stimmabgabe am Wahltag im Wahlraum einerseits und der Briefwahl andererseits.
Der Begriff der "Wahlzeit" definiert dabei die Möglichkeit der Stimmabgabe in den Wahllokalen zwischen 8 und 18 Uhr. Da die Briefwahl vor diesem Zeitraum stattfinden muss, hält der VGH das Veröffentlichungsverbot für nicht anwendbar. Der VGH-Beschluss ist unanfechtbar.
Vor dem VGH hatte bereits das Verwaltungsgericht Wiesbaden in einer Eilentscheidung zu Gunsten von Forsa entschieden. Ein Veröffentlichungsverbot beeinträchtige die Freiheit der Berichterstattung. Die Veröffentlichung von Wählerumfragen gehöre zum politischen und demokratischen Prozess. Dagegen legte der Bundeswahlleiter Beschwerde beim VGH ein.
Thiel wiederholt Kritik
Bundeswahlleiter Thiel erneuerte als Reaktion auf die Entscheidung des VGH am Donnerstag seine Kritik und sprach von einem gesetzlichen Regelungsbedarf.
"Aus meiner Sicht stellt die Veröffentlichung von Umfragen vor Ablauf der Wahlzeit einen Verstoß gegen das Bundeswahlgesetz dar - egal ob dabei Wählerinnen und Wähler nach ihrem Gang an die Urne nach ihrer Wahlentscheidung gefragt werden oder Briefwählerinnen und Briefwähler", sagte Thiel den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Der Gesetzgeber müsse hier gegebenenfalls klarstellend tätig werden.
Sendung: hr-iNFO, 22.09.2021, 21 Uhr
Ende der weiteren Informationen