Check zur Bundestagswahl Zurückweisungen von Asylbewerbern am Flughafen Frankfurt sind Alltag - Faeser will mehr davon

Am Frankfurter Flughafen, Hessens einziger Außengrenze, soll die Bundespolizei künftig mehr Asylsuchenden als bisher die Einreise verweigern. Das sieht ein Gesetzentwurf vor, den die SPD in dieser Woche in den Bundestag einbringen will.

Ein Mann steht in der Unterkunft für Asylbewerber im Flughafenverfahren in Frankfurt vor einem Fenster und schaut hinaus. Man sieht von ihm nur seine Silhouette.
Ein Mann in der Unterkunft für Asylbewerber im Flughafenverfahren in Frankfurt (Archivbild). Bild © picture-alliance / dpa/dpaweb | Frank_May

Zurückweisungen an der Grenze - was die deutsche Politik spätestens seit der entsprechenden Forderung des CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz nach dem tödlichen Messerangriff in Aschaffenburg kontrovers diskutiert, wird am Frankfurter Flughafen schon seit Jahrzehnten gemacht. Aber unter ganz anderen Voraussetzungen als an den Landgrenzen. Am Flughafen gibt es nämlich ein kleines, abgeschirmtes Stück Ausland.

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Es ist ein unscheinbarer Zweckbau in der Cargo City Süd, dem Frachtbereich des Flughafens. Dort müssen Asylsuchende ohne gültige Papiere, die mit dem Flugzeug ankamen, warten, bis ihr Antrag geprüft worden ist. So lange sind sie formal nicht nach Deutschland eingereist. Ist der Antrag offensichtlich unbegründet, müssen sie wieder abreisen.

Rund 500 Schutzsuchende haben im vergangenen Jahr an den deutschen Flughäfen dieses Schnellverfahren durchlaufen, zwei Drittel von ihnen in Frankfurt. Rund die Hälfte von ihnen wurde abgewiesen und musste wieder in den Flieger steigen. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken hervor.

Ausweitung könnte türkische Schutzsuchende betreffen

Geht es nach Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), soll das Verfahren ausgeweitet werden. Das verlangt die EU-Asylreform, die bis 2026 in nationales Recht umgesetzt werden soll. Einen entsprechenden Gesetzentwurf, den die Ministerin im Herbst vorstellte, will sie am Donnerstag in den Bundestag einbringen.

Bisher gilt das Flughafenverfahren nur für Menschen, die ohne Papiere oder aus einem sicheren Herkunftsland anreisen wie zum Beispiel Georgien. Künftig soll noch einer weiteren Personengruppe die Einreise verweigert werden.

Dann soll genauer auf das Herkunftsland geschaut werden: Wenn durchschnittlich weniger als 20 Prozent der Asylanträge aus einem Land anerkannt werden, soll bei Ankommenden von dort das Schnellverfahren greifen - sogar dann, wenn die Asylbewerber gültige Papiere haben. Das könnte zum Beispiel Menschen aus der Türkei betreffen, bei denen die Schutzquote zuletzt deutlich unter 20 Prozent lag.

Großer Unterschied zu CDU-Plänen

Zwar hat Faesers Gesetzesinitiative kurz vor der Wahl kaum Erfolgsaussichten. Die Regierung aus SPD und Grünen hat nach dem Ampel-Aus bekanntlich keine eigene Mehrheit mehr. Aber spätestens bis 2026 wird das Schnellverfahren an Flughäfen wohl ohnehin ausgeweitet, zumindest haben das die EU-Mitgliedsstaaten vereinbart.

Mit den aktuellen Plänen der CDU, Asylsuchende ohne gültige Papiere an Landgrenzen zurückzuweisen, ist das Flughafenverfahren allerdings nicht vergleichbar. Das betont Stephan Hocks. Der Frankfurter Anwalt vertritt manchmal selbst Asylsuchende am Flughafen und lehrt Asylrecht an der Uni Gießen. Zwar kritisiert er die Schnellverfahren als fehleranfällig. Aber zumindest werde der Asylantrag geprüft, und es handle sich um ein Asylverfahren. Das sei im CDU-Modell gar nicht vorgesehen, sagt Hocks.

Etwa die Hälfte darf einreisen

Höchstens 19 Tage lang darf das gesamte Asylverfahren am Flughafen dauern. Das schließt auch das Gerichtsverfahren ein, wenn abgelehnte Asylbewerber beim Frankfurter Verwaltungsgericht klagen. Die Bundesinnenministerium betont, dass die Asylanträge trotz der kurzen Dauer ebenso sorgfältig und ebenso im Einzelfall geprüft würden wie andere.

Wird diese Frist überschritten, weil das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge doch länger braucht für die Prüfung, dürfen die Schutzsuchenden das Gelände des Frankfurter Flughafens verlassen und in die Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen umziehen. Dort wird dann in Ruhe über ihren Antrag entschieden.

Im vergangenen Jahr konnte etwa jeder zweite Schutzsuchende aus dem Flughafenverfahren einreisen, die anderen wurden zurückgewiesen. Sie wurden von der Fluggesellschaft, mit der sie gekommen waren, wieder weggeflogen. Das sieht das internationale Luftfahrtsabkommen vor.

Eine Abschiebung ist in diesen Fällen nicht nötig. Rein rechtlich sind die abgelehnten Asylbewerber im Flughafenverfahren gar nicht eingereist. 

Das fordern die Parteien in der Asylpolitik

Im gemeinsamen Wahlprogramm von CDU und CSU ist noch nicht von einem "faktischen Einreisestopp" wie in der Diskussion nach Aschaffenburg, sondern von einem "faktischen Aufnahmestopp" die Rede. Schon hier steht viel vom Fünf-Punkte-Plan von CDU-Chef Merz: Zurückweisung von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen; kein Familiennachzug mehr für Menschen mit allein subsidiärem Schutz; freiwillige Aufnahmeprogramme beenden; kein Bürgergeld mehr für Geflüchtete aus der Ukraine; weitere sichere Herkunftsländer ausweisen; mehr Abschiebungen, vor allem nach Afghanistan und Syrien; Schaffung von Bundesausreisezentren ("Arrestzentren"); beschleunigte Asylverfahren.

Die Sozialdemokraten bauen auf eine Asylpolitik im EU-Verbund (Geas) und betonen das individuelle Menschenrecht auf Asyl und das internationale Flüchtlingsrecht. "Wir wollen, dass in ganz Europa humanitäre Standards für Geflüchtete bestehen und Migration solidarisch gesteuert wird", steht im Regierungsprogramm zur Bundestagswahl. Grenzverfahren müssten hohen rechtlichen Standards genügen, die EU-Außengrenzen gestärkt werden. Abschiebungen, gerade von Straftätern, sollen "konsequent" erfolgen. Asylverfahren sollen nur noch bis zu sechs Monate dauern. Familiennachzug auch für subsidiär Schutzberechtigte soll möglich bleiben.

Die AfD will eine "Kehrtwende in der Asyl- und Migrationspolitik", was nicht nur durchgehende Grenzkontrollen, sondern auch die Zurückweisung illegaler Einwanderer umfassen soll. Auch das unter Rechtsextremen gebräuchliche Schlagwort von der "Remigration" von Menschen ohne Bleiberecht findet sich in den "Kernforderungen zur Bundestagswahl". Asylanträge sollen in "Bearbeitungszentren" außerhalb Deutschlands geprüft werden. Deutschland soll den UN-Migrationspakt und den UN-Flüchtlingspakt aufkündigen.

"Wir verteidigen das Grundrecht auf Asyl und stehen zu unseren völkerrechtlichen Verpflichtungen wie der Genfer Flüchtlingskonvention", steht im Wahlprogramm der Grünen. Asylverfahren in Deutschland sollen schnell und fair ablaufen, damit die Betroffenen Klarheit erhalten und die Kommunen Entlastung. Familiennachzug soll erlaubt bleiben. Abschiebungen sollen zügig geschehen, besonders bei Straftätern. Vorrang hat für die Grünen die freiwillige Rückkehr von abgelehnten Asylbewerbern. Insgesamt wollen sie eine Asylpolitik im Einklang mit den europäischen Nachbarn (Geas).

"Wer die Voraussetzungen für einen Aufenthalt in Deutschland nicht erfüllt, sollte gar nicht erst dauerhaft nach Deutschland einreisen können", schreibt die FDP in ihrem Wahlprogramm - genau dies wird allerdings in einem Asylverfahren geprüft. Diese sollen "auch in Drittstaaten" stattfinden, falls dort ein rechtsstaatliches Verfahren garantiert sei. Grundsätzlich sollen die Verfahren beschleunigt werden. Die Liberalen wollen "die modellhafte Erprobung von Zurückweisungen an den deutschen Außengrenzen" sowie den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte und Aufnahmeprogramme (etwa für Menschen aus Afghanistan) aussetzen.

Die Linke stellt in ihrem Wahlprogramm klar: "Wir lehnen alle bisherigen Asylrechtsverschärfungen ab." Der individuelle Zugang zu Asylverfahren müsse auch an den EU-Außengrenzen gewährleistet werden. Das für 2026 beschlossene gemeinsame EU-Asylsystem (Geas) lehnt die Linke ab. Sie will "einen Fonds für Willkommenskommunen" und eine Pauschale vom Bund für die Unterbringungskosten für Geflüchtete. Alle Asylbewerber sollen ab dem Tag ihrer Ankunft in Deutschland eine Arbeitserlaubnis erhalten.

Das Bündnis Sahra Wagenknecht hält die Zahl der Asylbewerber in Deutschland für "viel zu hoch", wofür es "die große Anziehungskraft" der vergleichsweise "sehr hohen sozialen Leistungen" verantwortlich macht. Um auch die Kriminalitätsrate zu senken, benötige Deutschland "eine Atempause", weswegen das BSW laut Wahlprogramm Einreisewilligen an Grenzen zu sicheren Drittstaaten kein Asylverfahren mehr zugestehen möchte. Nach schweren Straftaten sollen Geflüchtete ihren Anspruch auf ein Asylverfahren verlieren und ausgewiesen werden. Abschiebungen sollen sich nicht auf die konzentrieren, derer die Behörden leicht habhaft werden, sondern auf Integrationsunwillige.

Redaktion: Stephan Loichinger

Sendung: hr INFO,

Quelle: hessenschau.de