Bußgeld bis 500.000 Euro möglich In Hessen kann Leerstand von Wohnungen bald teuer werden

Vielerorts suchen Menschen verzweifelt nach bezahlbaren Wohnungen. Mit einem Gesetz will Hessens SPD-Bauminister Mansoori Spekulanten Druck machen. Kritiker sprechen von Symbolpolitik, die FDP von einer Förderung des Denunziantentums.

Mehrstöckiges Wohnhaus in einem Wohngebiet mit Graffiti an der Fassade, auf der Straße parken mehrere Autos.
Dieses leer stehende Wohnhaus in der Frankfurter Innenstadt vergammelt seit rund zehn Jahren. Bild © Tobias Lübben/hr

Gert-Uwe Mende sagt von sich, er sei "bekanntermaßen eher der Typ, der auf Konsens steht". Am Freitag zeigte sich Wiesbadens Oberbürgermeister im Landtag aber höchst erfreut darüber, dass seine Stadtverwaltung demnächst bei der Lösung eines drängenden Problems mit "adminstrativem Druck" ein wenig nachhelfen könnte.

Der SPD-Kommunalpolitiker, der bei der OB-Wahl am 9. März wiedergewählt werden will, lobte seinen neben ihm stehenden Parteifreund Kaweh Mansoori. Der hessische Wirtschafts- und Bauminister stellte den ersten größeren Gesetzentwurf seiner bisher einjährigen Amtszeit vor: das bereits angekündigte Leerstandsgesetz. Es soll vor allem in Fällen wirksam werden, in denen Eigentümer nicht vermieten, weil sie auf einen späteren, größeren Gewinn durchs Verkaufen spekulieren.

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Wohnungsleerstand kann bald teuer werden

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Lassen Eigentümer ihre Immobilien in Städten und Gemeinden mit großem Wohnungsmangel länger als ein halbes Jahr leer stehen, können die Kommunen von ihnen eine stichhaltige Begründung verlangen. Fehlt diese Begründung, können wegen einer Ordnungswidrigkeit Bußgelder in Höhe von bis zu 500.000 Euro fällig werden.

"Einige tausend Fälle"

"Wir wolle grundlosen Leerstand nicht mehr hinnehmen und Spekulation mit Wohnraum weiter eindämmen", sagte Mansoori. Die Zahl der Fälle, in denen das Gesetz greifen könnte, hatte er vergangenen Dezember gegenüber dem hr auf "einige tausend" beziffert. Allein dafür lohne es sich zu kämpfen.

Es handele sich neben den vor allem wichtigen Neubauten sowie Nachverdichtungen um einen weiteren Baustein, um die Lage auf dem Wohnungsmarkt zu verbessern. Das Gesetz soll noch in diesem Jahr in Kraft treten. Beschließen muss es der Landtag. Vorher sollen noch kommunale Spitzenverbände und andere Interessensvertretungen Stellung nehmen können.

Die wesentlichen Bestimmungen des Entwurfs:

  • Welche Städte und Gemeinden eine Leerstandsatzung erlassen können: All jene, die wegen einer angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt eine Mietpreisbremse haben dürfen. Das sind derzeit laut Mieterschutzverordnung 49 Kommunen. Die Liste reicht von Bad Homburg über Darmstadt, Frankfurt und Kiedrich (Rheingau-Taunus) bis nach Weiterstadt (Darmstadt-Dieburg) und Wiesbaden. Auf der Liste stehen fast ausschließlich Kommunen aus der südlichen Hälfte von Hessen.
  • Wer potenziell betroffen ist: Jeder, der Wohnraum länger als sechs Monate leer stehen lässt, braucht dafür in Kommunen mit Leerstandsatzung eine Genehmigung.
  • Wer keine Strafzahlung befürchten muss: Eigentümer können in Ausnahmen "schutzwürdige persönliche Interessen" geltend machen. Sie müssen dafür nachweisen, dass sie eine Immobilie noch nicht belegen können oder ihnen das nicht zuzumuten ist. Gründe können laufende Sanierungen sein, Erbstreitigkeiten oder die besondere Nähe zum leer stehenden Objekt. Das gilt vor allem für Einliegerwohnungen in einem selbst bewohnten Einfamilienhaus.
  • Wie die Kommunen von den Fällen erfahren sollen: Mansoori setzt nach eigenen Angaben darauf, dass Eigentümer die Genehmigungen für den Leerstand von sich aus beantragen. Außerdem könnten Städte und Gemeinden auf öffentliche Verzeichnisse zugreifen oder "Hinweisen" nachgehen.
  • Warum neue Bürokratie nicht lähmen soll: Schaffen es Kommunen nicht, über den vollständigen Antrag eines Eigentümers innerhalb von drei Monaten zu entscheiden, gilt der Leerstand als genehmigt.

Genaue aktuelle Zahlen darüber, um viele Wohnungen es in Hessen geht, gibt es nicht. Mansoori bezog sich auf Zensus-Zahlen des Jahres 2022. Laut dieser bundesweiten Erhebung standen seinerzeit mehr als 122.000 Wohnungen in Hessen leer.

OB Mende: Ganze Quartiere leiden

In Wiesbaden war laut Oberbürgermeister Mende der Leerstand mit 3,3 Prozent etwas geringer als im Landesschnitt. Die Zahl sei aber eher zu niedrig angesetzt, vermutete er. Das neue Gesetz sei zwar keine Patentlösung, räumte auch er ein. Aber es gebe nun ein weiteres Werkzeug für den gerade im Ballungsraum Rhein-Main herrschenden Mangel an Wohnraum. "Wir haben Einzelfälle, wo ein Leerstand ein ganzes Quartier in Mitleidenschaft zieht", fügte er hinzu.  Bislang fehle eine Rechtsgrundlage, um dagegen vorzugehen.

Bauminister Mansoori betonte: "Am Ende ist es keine Revolution, die wir aus Hessen heraus starten." Ein Dutzend Bundesländer habe bereits entsprechende Gesetze. Auch in Hessen gab es eine solche Regelung schon einmal. Vor 20 Jahren schaffte die damalige CDU-Landesregierung sie aber ab.

Die Neuauflage des Leerstandsgesetzes hat die SPD bei ihren Verhandlungen mit der CDU vor dem Amtsantritt der schwarz-roten Landesregierung Anfang 2024 durchgesetzt. Sie ist auch im Koalitionsvertrag verankert. Anders als die restlichen Fraktionen im Landtag meldete sich die CDU zum Gesetzentwurf des Koalitionspartners am Freitag nicht zu Wort.

Scharfe Kritik von FDP und AfD

Eine Gruppe der Gegner bezweifelt nicht nur die Wirksamkeit, sondern auch die Notwendigkeit des Gesetzes. Kategorische Ablehnung äußerte unter anderem die oppositionelle FDP. Fraktionschef Stefan Naas wertete den Entwurf als "ideologiegetriebenes Projekt, das niemandem hilft".

Schon die seiner Meinung nach niedrige Leerstandsquote rechtfertige diesen Eingriff ins Eigentum nicht. Wichtiger sei es, den Bau neuer Wohnungen zu erleichtern. Dass Mansoori mit dem Gesetz auch noch das Denunziantentum fördere, sei peinlich.

Eine "sozialistische Symbolpolitik", die von den wahren Problemen ablenke, machte die AfD aus. Dimitri Schulz, ihr baupolitischer Sprecher, sagte: "Die wirklichen Gründe sind die künstliche Verteuerung von Neubau und Ausbau durch ideologisch bedingte Klimaschutzbauvorschriften, Bürokratie und eine überregulierte Bauordnung."

Grüne enttäuscht

Aus anderen Gründen zeigten sich die Grünen enttäuscht. Der Entwurf sei "wachsweich" und bleibe dramatisch hinter den von der SPD geschürten Erwartungen zurück, monierte Martina Feldmayer, Sprecherin der Fraktion für Wohnen.

Die Grünen-Abgeordnete rechnet nach eigenen Angaben sogar mit einer Verschlechterung für Mieter. Denn für ihr unwirksames neues Gesetz gebe die SPD mehrere wirksame Regelungen gegen Zweckentfremdung und Leerstand auf. Feldmayer nannte als Beispiel ein Verbot der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen zu Spekulationszwecken. Außerdem laufe in diesem Jahr die Mietpreisbremse in Hessen aus.

Haus & Grund auf Abstand

Der Eigentümerverband Haus & Grund Hessen bezeichnete den Gesetzentwurf als "nutzlose Symbolpolitik und Verschwendung von Steuergeldern". Mit einer Quote von 3,9 Prozent an leer stehenden Wohnungen liege das Land unter dem Bundesdurchschnitt von 4,3 Prozent.

Der Verband vertritt die Auffassung: Ein Leerstand von zwei bis drei Prozent sei "eine akzeptable Fluktuationsreserve", die sich unter anderem durch Umzüge zwangsläufig ergebe. Das habe eine Studie des Amts für Statistik und Stadtforschung ermittelt.

Unternehmer verlangen das Gegenteil

Auch die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU) ging weit auf Abstand. "Wir brauchen weniger Regulierung auf dem Wohnungsmarkt und nicht noch immer eine Schippe drauf", sagte Vizepräsident Thomas Reinmann.

Die VhU hätte sich gewünscht, dass Mansoori stattdessen eine Reform der Landesbauordnung vorlegt. Die vom Ministerium eingesetzte Baukostenkommission habe dafür "ein mutiges Paket" mit 20 Vorschlägen zur Deregulierung vorgelegt.

Zustimmung kam dagegen vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Allerdings sollte das Leerstandsgesetz seiner Meinung nach flächendeckend gelten. Der Deutsche Mieterbund beklagte, in Hessen fehlten Hundertausende von Wohnungen und alleine 80.000 Sozialwohnungen. Mansooris Vorhaben sei da einen kleinen Schritt in die richtige Richtung.

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de