Union hat klare Pläne Cannabis-Gesetz schon wieder vor dem Aus? Das sagen Rechtsexperten

Welche Zukunft haben Cannabis-Clubs noch in Deutschland? Die Union will bei einem Wahlsieg das Gesetz kippen, nachdem es im Vorjahr erst beschlossen wurde. Rechtsprofessoren sagen, ob - und wie - es weitergehen könnte.

Cannabis-Gesetz Sujet
Eine Abschaffung des erst im Vorjahr verabschiedeten Cannabis-Gesetzes strebt die Union im Fall eines Siegs bei der Bundestagswahl an. In der Cannabis-Community sorgt das für große Unsicherheit. (Symbolbild) Bild © Imago Images

Wie geht es weiter mit den Cannabis-Clubs und dem großangelegten legalen Anbau der Droge? Die bangen Blicke der Vereine in Hessen gehen in dieser Frage nach Berlin. Dort kündigte vor der Bundestagswahl die in Umfragen führende Union an, das erst im Vorjahr beschlossene Gesetz wieder kippen zu wollen.

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Cannabis-Clubs, die in Hessen bereits fünfstellige Beträge in den Aufbau der Anbau-Vereine investiert haben, fürchten um ihre Existenz. Und Tausende von Menschen, die bereits Mitglieder sind oder werden wollen, könnten in die Röhre schauen.

Experte: Politische Neubewertung ist möglich

Doch ist es überhaupt möglich, das Gesetz nach kurzer Zeit einfach wieder abzuschaffen? Gibt es keinen Bestandsschutz als Planungssicherheit für Vereine und Konsumenten?

Der Regensburger Rechtsprofessor Bernd J. Hartmann sagte dem hr auf Anfrage: Ein Gesetz wie das zum Umgang mit Konsumcannabis könne der Gesetzgeber abschaffen. Auch wenn die Begleitumstände zum Sachverhalt unverändert sind. Das sei aufgrund einer "politischen Neubewertung" durchaus möglich. "Das ist Demokratie."

"Gesetz gestattet Widerruf der Erlaubnis"

Hartmann erklärt weiter: Die Erlaubnis für Anbauvereinigungen sei zwar nach dem Gesetz auf einen Zeitraum von sieben Jahren befristet. "Das heißt aber nicht, dass eine solche Erlaubnis für sieben Jahre unantastbar ist. Das Gesetz lässt den Widerruf der Erlaubnis ausdrücklich zu."

Darüber hinaus verlangt das Gesetz eine Evaluation. Damit werden Chancen, Risiken und Probleme betrachtet. Das Gesetz steht also ohnehin regelmäßig auf dem Prüfstand. "Die Anbauvereinigungen konnten also nur darauf hoffen, dass das Gesetz bleibt, wie es ist – vertrauen dürfen sie nicht darauf", erläuterte Hartmann, der als Professor an der Universität Regensburg Öffentliches Recht, Wirtschaftsrecht und Verwaltungswissenschaften lehrt.

Bislang haben in Hessen nur zwei Vereine überhaupt eine Lizenz von der Genehmigungsbehörde beim Regierungspräsidium Darmstadt bekommen. Wegen der großen Unsicherheit und der hohen Anforderungen bei den Anträgen haben bisher auch erst 26 Clubs Anträge gestellt. Dabei könnten es nach Berechnungen, die auf Einwohnerzahlen beruhen, mehr als 1.000 Anträge in Hessen sein, wie das RP in einer Übersicht zeigt.

"Komplizierte Rechtslage"

Der hessische Rechtsprofessor Ulrich Segna von der EBS Universität für Wirtschaft und Recht (Oestrich-Winkel) sagte dem hr, er sehe eine "komplizierte Rechtslage". Mehrere Rechtsbereiche seien bei der Frage zur möglichen Abschaffung berührt. Es gehe um Verfassungs-, Vereins- und Verwaltungsrecht. Und auch Segna sagt: Einen uneingeschränkten Bestandsschutz könne es für Anbauvereinigungen nicht geben.

Segna betont aber: Sollte das Cannabis-Gesetz rückgängig gemacht werden, können sich die Clubs wehren. Wenn einer Anbauvereinigung vor Ablauf der Befristung die Lizenz entzogen wird, könnte sie dagegen mit einer Klage vor einem Verwaltungsgericht vorgehen.

Diese Möglichkeit sieht auch Segnas Berufskollege Hartmann. Dem Rechtswissenschaftler zufolge ist sogar eine Verfassungsbeschwerde generell denkbar. Und zwar nachdem die letzte Instanz zum Nachteil der Anbauvereinigungen entschieden haben sollte.

Entschädigungsansprüche denkbar

Bei Klageverfahren könnten Clubs versuchen, Entschädigungsansprüche geltend zu machen, wie Segna erklärt - zumindest unter gewissen Voraussetzungen. Das sieht auch die Neue Richtervereinigung (NRV), ein Zusammenschluss von Richtern und Staatsanwälten so.

Segna hat Zweifel an der Rechtsauffassung, dass Cannabis-Clubs leicht wieder dicht zu machen seien. "Eine auf aktueller Rechtsgrundlage wirksam erteilte Lizenz fällt nicht automatisch weg, sollte die Cannabis-Gesetzgebung in der Zukunft wieder rückgängig gemacht werden."

Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) als erklärter Gegner der Cannabis-Gesetzgebung sagte dem hr hingegen: "Aus meiner Sicht ist es ohne Weiteres möglich, das Gesetz rückgängig zu machen. Ich sehe weder rechtlich noch tatsächlich eine Notwendigkeit für einen Bestandsschutz."

Clubs hoffen auf keine Mehrheit

Die Cannabis-Clubs in Hessen werden deswegen auch nach der Bundestagswahl gebannt nach Berlin blicken. Sascha Hubing vom Gießener Cannabis-Club GreenHouse, der neben den Fuldaer Broccoli Buddies eine Anbau-Lizenz bekommen hat, sagt: Für eine Gesetzesänderung müsse die Union erstmal eine Mehrheit organisieren.

Und das ist mit Blick auf die Wahlprogramme der Parteien wohl nicht einfach. Es gibt mehr Befürworter als Gegner des von der Ampel-Koalition verabschiedeten Gesetzes zur Teil-Legalisierung seit dem 1. April.

Das fordern die Parteien zu Cannabis

"Kiffen verboten", schreibt die Union in ihrem Wahlprogramm. Obwohl die Teillegalisierung von Cannabis noch nicht einmal ein Jahr her ist und Erkenntnisse über die Folgen ausstehen, behaupten CDU und CSU, das Cannabis-Gesetz sei gescheitert: "Es begrenzt weder den Konsum noch drängt es den Schwarzmarkt zurück. Stattdessen erleben wir brutale Bandenkriege." Daher wolle man die Legalisierung dieser Droge zurücknehmen.

Einen ganz anderen Weg schlagen die Sozialdemokraten laut ihrem Wahlprogramm ein: "Um den Gesundheitsschutz, den Jugendschutz und den Kampf gegen die Organisierte Kriminalität zu verbessern", schreiben sie, wollten sie sich für "eine europarechtskonforme Legalisierung" starkmachen.

Die AfD weist in ihrem Wahlprogramm auf mögliche gesundheitsschädliche Folgen insbesondere bei Heranwachsenden hin. "Die Freigabe des Cannabiskonsums außerhalb bestimmter medizinischer Indikationen halten wir für einen Fehler, der korrigiert werden muss", schreibt die Partei. Ausgebaut werden müsse die suchtpsychiatrische Versorgung.

"An dem Ziel des Verkaufs von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften halten wir weiter fest", schreiben die Grünen in ihrem Regierungsprogramm. Ihrer Ansicht nach sollen die Regulierung von Drogen sich an den tatsächlichen gesundheitlichen Gefahren der Substanzen orientieren und die Drogenpolitik eher auf Hilfe statt auf Kriminalisierung setzen. Die Strafverfolgung solle das Organisierte Verbrechen im Fokus haben. Um den Schwarzmarkt zu bekämpfen, setze man auf eine Zusammenarbeit auf europäischer Ebene.

Ähnlich äußert sich die FDP. "Statt das Konsumverhalten zu kriminalisieren, wollen wir durch Aufklärung zu einem verantwortungsfähigen Umgang mit Suchtmitteln verhelfen", schreibt sie in ihrem Wahlprogramm. Dazu brauche es Prävention und Jugendschutz. Mit dem Cannabis-Gesetz habe man einen ersten Schritt dorthin getan - es diene außerdem dazu, den Schwarzmarkt einzudämmen.

Die Linke will "eine vollständige Legalisierung von Cannabis auf EU- und UN-Ebene durchsetzen", wie sie in ihrem Wahlprogramm schreibt. Drogenkonsum solle grundsätzlich entkriminalisiert werden (der Konsum selbst steht auch jetzt nicht unter Strafe, d. Red.). Mit "medizinischen und sozialarbeiterischen Interventionsprogrammen" sollten Drogen "angemessen reguliert" werden. Die Organisierte Kriminalität dahinter müsse bekämpft werden.

Das Bündnis Sahra Wagenknecht äußert sich in seinem Wahlprogramm weder zu Cannabis im Besonderen noch zur Drogenpolitik im Allgemeinen.

Hubing sagte: "Für die Anbauvereine und ihre Mitglieder ist Planungssicherheit essenziell, insbesondere angesichts der hohen behördlichen Anforderungen und der damit verbundenen Investitionen." Ständige politische Unsicherheit erschwere den nachhaltigen Aufbau der Strukturen.

Gerade für Vereine in der Gründungsphase führe diese Unsicherheit zu Problemen und teilweise zu Unverständnis, sagte Hubing. "Sollte sich keine flächendeckende Vereinsstruktur entwickeln können, würde dies vielen Konsumenten den Zugang zu legalem Cannabis verwehren."

Weitere Informationen

Cannabis-Legalisierung - Pro und Contra

Die gesellschaftliche Diskussion rund um die Legalisierung von Cannabis ist kontrovers und bis heute nicht abgeschlossen, wie die Landesärztekammer Hessen beurteilt. In einer Pro- und Contra-Abwägung hat sich ein Mediziner mit dem Thema auseinander gesetzt. Auch andere Wissenschaftler haben sich mit dem Für und Wider befasst.

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Sendung: hr4,

Quelle: hessenschau.de