Verdacht auf politische Einflussnahme China-Fest in Frankfurt - Verbindungen zur Kommunistischen Partei 

Beim China-Fest in Frankfurt geht es vordergründig um Kultur. Nach hr-Recherchen will die Staatsführung in Peking damit ihren Einfluss auf Exil-Chinesen ausweiten und sucht deutsche Fürsprecher für ihre Politik.

Plakat mit einem Drachen vor einer Bühne beim China-Fest in der Frankfurter Innenstadt
Vor einer Bühne des China-Fests in Frankfurt. Bild © Volker Siefert (hr)
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China-Fest in Frankfurt – Verbindungen zur Kommunistischen Partei

hs 02.08.2024
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"Es geht mir um Liebe für deutsche und chinesische Menschen", sagt Aizhen Zheng. Beide Völker sollten sich besser kennenlernen, findet die Vorsitzende des Deutsch-Chinesischen Kunst- und Kulturvereins in Frankfurt. Gemeinsam mit einer chinesischen Medienagentur und einem anderen chinesischen Verein veranstaltet ihr Verein das China-Fest in der Frankfurter Innenstadt, zu dem von Freitag bis Sonntag mehrere tausend Besucher erwartet werden. Die Stadt Frankfurt stellt den Roßmarkt für das Fest zur Verfügung. Die Besucher bekommen chinesisches Essen, Tanz- und Musikaufführungen geboten.  

Und das Ganze ohne Bezüge zur großen Politik, betont Zheng: "Ich bin kein Politiker." Es gehe ihr um Völkerverständigung, versichert die 60-jährige Unternehmerin aus Hanau, die seit über 30 Jahren in Deutschland lebt.  

Verändertes China-Bild der Bundesregierung   

Das China-Fest als Ort der Völkerverständigung, wo die große Politik keine Rolle spielt? Diese Vorstellung passt in das von vielen lange gehegte Bild von China als wohlgesonnenem Partner - allein schon wegen seiner enormen wirtschaftlichen Bedeutung für Deutschland. Doch mit der Ausdehnung des geopolitischen Machtanspruchs Chinas unter Staats- und Parteichef Xi Jinping bekam dieses Bild Risse.  

In ihrer 2023 beschlossenen China-Strategie definierte die Bundesregierung einen Dreiklang für Deutschlands Verhältnis zum Reich der Mitte: Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale. Die Bundesregierung zeigt darin eine Zusammenarbeit mit China auf, "ohne Deutschlands freiheitlich-demokratische Lebensweise, Souveränität, Wohlstand und Sicherheit zu gefährden".  

Im Vorwort zum aktuellen Bericht des Bundesamts für Verfassungsschutz stellt Innenministerin Nancy Faeser (SPD) China auf die gleiche Stufe wie Russland, Iran oder die Türkei, wenn es um Versuche geht, "illegitim Einfluss auf unser Gemeinwesen auszuüben und hier lebende Oppositionelle zu überwachen beziehungsweise zu verfolgen". Faeser warnt vor wachsender Desinformation und politischer Einflussnahme durch China.   

Querverbindungen nach Peking 

hr-Recherchen zeigen, dass es zwischen Akteuren hinter dem China-Fest in Frankfurt und dem von der Kommunistischen Partei (KP) Chinas kontrollierten Parteienstaat Querverbindungen gibt, die eine Einflussnahme aus Peking möglich machen.  

Dem 2019 gegründeten Deutsch-Chinesischen Kunst- und Kulturverein gehören chinesisch-stämmige Bürger aus dem Rhein-Main-Gebiet und einige deutsche Berater an. Die Namen der Vorsitzenden Aizhen Zheng und eines weiteren Mitglieds finden sich auch auf der Website des Vereins der Überseechinesen in Deutschland mit Sitz in Frankfurt wieder. Zu Beginn dieser Recherchen wurde der Verein der Überseechinesen auf der Website des China-Fests noch als Co-Veranstalter genannt, inzwischen rangiert er dort als Partner.  

Überseechinesen feiern in Frankfurt Kommunistische Partei  

Vereine von Überseechinesen zählt China-Expertin Mareike Ohlberg zur chinesischen Einheitsfront. "Das sind Organisationen, mit denen die KP versucht, Chinesen im Ausland an die Partei zu binden, aber auch Informationen zu bekommen und Chinesen im Ausland für politische Zwecke zu mobilisieren", sagt die Expertin vom German Marshall Fund (GMF). 

Die in Berlin ansässige Denkfabrik setzt sich für transatlantische Beziehungen ein und wird mit Geld der US-amerikanischen, deutschen und anderer europäischer Regierungen finanziert. Die KP-Führung in Peking wolle über diese Netzwerke in den chinesischen Communities auch herausfinden, ob jemand politische Aktivitäten entfalte, die der Partei nicht gefallen, sagt Ohlberg.  

Weitere Informationen

Einheitsfront

Die Bedeutung der Einheitsfront als Werkzeug der KP hat unter der Führung von Staats- und Parteichef Xi Jinping deutlich zugenommen. "Ziel des chinesischen Diasporaapparats ist es, die direkte Einflussnahme Chinas in auslandschinesischen Communities sicherzustellen, Identitätspolitik zu betreiben und linientreues Verhalten zu garantieren", schreib die Stiftung Wissenschaft und Politik im Jahr 2022. 

Ende der weiteren Informationen

Im Jahr 2021 feierte die KP in China ihr 100-jähriges Bestehen. Der Verein der Überseechinesen in Frankfurt nahm dies zum Anlass, ihr zu Ehren ein klassisches Konzert zu veranstalten. Auf der chinesischen Videoplattform Bilibili findet sich ein Videomitschnitt des Konzerts. Im Intro werden im Stil eines sozialistischen Propagandafilms Soldaten der Roten Armee als Freiheitshelden gefeiert. Mitveranstalter des Konzerts war der damalige Generalkonsul Chinas in Frankfurt.

Ehemaliger CDU-Politiker gratuliert KP  

Neben ihm kommt als deutscher Gratulant Jürgen Scheuermann zu Wort. Er war bis 2012 Stadtverordnetenvorsteher in Hanau und bis 2016 für die CDU kommunalpolitisch aktiv. In seiner Rede dankt Scheuermann Hanaus chinesischer Partnerstadt Taizhou für ihre Unterstützung in der Corona-Pandemie und gratuliert "der großen Kommunistischen Partei Chinas" zu ihrem hundertjährigen Bestehen. Sie trage mit dazu bei, dass sich die Bande zwischen China und Deutschland immer mehr verfestigten.  

Stand des Chinesischen Kunst- und Kulturvereins beim China-Fest in der Frankfurter Innenstadt
Stand des Chinesischen Kunst- und Kulturvereins beim China-Fest in der Frankfurter Innenstadt. Bild © Volker Siefert (hr)

Scheuermann wird auf der Website des Deutsch-Chinesischen Kunst- und Kulturvereins als Berater geführt. Er hat auch den Hanauer Freundschaftsverein mit der chinesischen Stadt Taizhou mitgegründet. 

In seiner Rede vor dem Konzert bezeichnet er den Verein der Überseechinesen als Unterorganisation der KP. Die Arbeit von Partei und Verein schaffe Vertrauen, das wichtig sei, um die Bande zwischen beiden Ländern zu stärken. "Denn wenn es Deutschland und China in den Beziehungen gut geht, sind Sicherheit, Wohlstand und auch Glück für die einzelnen Bürger garantiert", betont Scheuermann. 

Geschockter Demokratie-Aktivist   

Scheuermanns Worte schockieren Ray Wong. "So etwas hört man eigentlich nur von Parteisoldaten", sagt der Student, der vor der Staatsrepression aus Hongkong nach Deutschland geflohen ist. Scheuermann blende offensichtlich Menschenrechtsverletzungen der KP und deren imperialistische Politik bewusst aus. "China braucht genau solche Leute in Deutschland und umwirbt sie deswegen seit Jahrzehnten", sagt er.  

Der Demokratie-Aktivist Wong warnt Kommunalpolitiker vor einem naiven Umgang mit dem chinesischen Parteienstaat: "Kommunale Entscheidungsträger sind ein gefährliches Einfallstor für politische Einflussnahmen Pekings in Deutschland." Mit seinem in Berlin ansässigen Verein Freiheit für Hongkong hat er dafür Beispiele aus mehreren deutschen Städten analysiert

Scheuermann bestreitet politische Einflussnahme  

Eine Einflussnahme durch die KP auf die Arbeit des Deutsch-Chinesischen Kunst- und Kulturvereins gebe es nicht, teilt Scheuermann auf hr-Anfrage schriftlich mit. Sein Grußwort sei dreieinhalb Jahre her und läge ihm nicht mehr im Wortlaut vor. Den Verein der Überseechinesen sieht er "ausdrücklich nicht als verlängerten Arm der KP" an, sondern als einen Verein, der einen "kulturellen Austausch" anstößt.  

Mitglieder des Deutsch-Chinesischen Kunst- und Kulturvereins wollten "das deutsch-chinesische Band festigen", schreibt Scheuermann: "Unser Anliegen ist es, losgelöst von der großen Politik auf Ebene der Bürgerdiplomatie etwas zu entwickeln, das dazu beiträgt, sich auf zwischenmenschlicher Ebene besser kennen zu lernen." Deutschland könne selbstbewusst zeigen, was es könne, um "ein Gesprächs- und Handelspartner" zu bleiben, "der wertgeschätzt wird".

Der frühere CDU-Kommunalpolitiker plädiert für mehr Verständnis für China, seine Geschichte und Entwicklung. Er wirbt um mehr "Bejahung des dortigen Fortschritts", um mehr Verständnis für den dortigen Wandel und dafür, "mit den Menschen den Dialog hierzu aufzunehmen".  

Gießener FDP-Politiker im Verein aktiv  

Neben Scheuermann ist Harald Scherer im Deutsch-Chinesischen Kunst- und Kulturverein aktiv. Der Jurist wird auf der Website als Rechtsberater geführt. Er war mal Bildungsdezernent in Gießen und ist Vorsitzender der FDP-Fraktion im Kreistag von Gießen.

In einem Telefonat mit dem hr beteuert er, der Verein habe nichts mit Politik zu tun. Konkrete Nachfragen zu möglichen Gefahren der Einflussnahmen durch den chinesischen Parteienstaat beantwortete er bislang nicht.  

Für die chinesische KP sind solche Kontakte zu Personen des öffentlichen Lebens und der Politik in Deutschland aus zwei Gründen wichtig. "Dieses Lob aus dem Ausland nutzt die Partei als Legitimationsquelle für sich", erläutert China-Expertin Ohlberg. Kritikern im eigenen Land könne man damit zeigen, dass ihre Unzufriedenheit fehl gehe - wenn doch selbst westliche Ausländer die Partei loben. Auch in Deutschland seien lokale Fürsprecher für die KP wichtig, um Einfluss im Sinne der Staatspartei zu nehmen.  

Harmlos wirkende Kontaktpflege   

Im aktuellen Jahresbericht des Bundesamts für Verfassungsschutz wird vor Einflussnahme gewarnt. Als Mitarbeiter der Botschaft oder Generalkonsulate getarnte Geheimdienstler schöpften "im Rahmen harmlos wirkender Kontaktpflege" Informationen ab, heißt es dort: "Diese Gesprächsabschöpfung zielt insbesondere auf aktive und ehemalige Entscheidungsträgerinnen und -träger aus Politik und Wirtschaft."  

Der hessische Verfassungsschutz teilt auf hr-Anfrage mit: "Aus chinesischer Perspektive könnte jede Veranstaltung, an der potenzielle Zielpersonen chinesischer Einflussnahme teilnehmen, dazu geeignet sein, dort geheimdienstliche Aktivitäten zu entfalten." Aktuell lägen dem Landesamt keine konkreten Hinweise auf eine systematische geheimdienstliche Nutzung von Kulturveranstaltungen wie dem China-Fest vor. 

Stadt Frankfurt befürwortet kulturellen Austausch  

Die Stadt Frankfurt betont auf hr-Anfrage, sie sei kein Partner des China-Fests. Ihre Einstellung zum Thema habe sich seit dem Drachenboot-Festival vor zwei Monaten nicht geändert. Damals zeigten hr-Recherchen, dass die Initiative zu dem Event der chinesischen Community vom Generalkonsulat Chinas gekommen war.  

Die Stadt teilt mit, sie sei mit der Bundesregierung über Events mit China-Bezug im Gespräch. "Ein kultureller Austausch ist weiterhin erwünscht, solange es keine gegenteiligen Vorgaben der Bundesregierung gibt", sagt ein Sprecher der für Internationales zuständigen Dezernentin Eileen O'Sullivan (Volt).  

Das Auswärtige Amt informiert, man sei "mit deutschen Kommunen im Austausch" und mache "bei Bedarf Beratungsangebote".  

Weiterer Veranstalter des Fests mit Nähe zur KP  

Neben dem Deutsch-Chinesischen Kunst- und Kulturverein wird als zweiter Veranstalter des China-Fests die Medienagentur Guang Hua genannt. Deren Deutschlandbüro ist in Frankfurt. Die europäische Zentrale hat ihren Sitz in Paris. Über deren Nachrichtenportal kommt man direkt zu Beiträgen aus dem Zentralkomitee der KP, die zum Beispiel die Schritte Chinas "auf dem Weg zum umfassenden Aufbau eines modernen sozialistischen Landes" loben.  

Nach Aussage von China-Expertin Ohlberg können Medien wie Guang Hua als Teil der Einheitsfront der KP gesehen werden. Mit ihrer Hilfe wolle die KP ihre Botschaften an chinesische Bürger im Ausland bringen. "Sie sprechen sich eng ab mit parteistaatlichen Stellen, auch wenn sie selbst nicht Teil der Partei sind“, sagt Ohlberg.  

Weder Guang Hua noch der Verein der Überseechinesen beantwortete bislang Fragen des hr zu ihren Verbindungen zur Einheitsfront. 

Redaktion: Stephan Loichinger und Marsida Lluca

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de