"Das Leben zur Hölle machen" Antifa veröffentlicht Privatadressen von AfD-Landtagskandidaten
Mitglieder der linken Antifa wollen hessischen AfD-Politikern vor der Landtagswahl "das Leben zur Hölle machen". Im Internet veröffentlichten sie Privatadressen von Kandidaten. AfD-Landeschef Lichert fühlt sich, "als würde man für vogelfrei erklärt".
Zwei Monate vor der Landtagswahl fordert die Antifa Frankfurt auf ihrer Homepage zu Straftaten gegen hessische AfD-Politiker auf. Beim Aufruf an Antifas in ganz Hessen, der rechten Partei "militant zu begegnen" und "ihnen das Leben zur Hölle zu machen", belässt es die Antifa nicht.
Sie veröffentlicht per Link auf eine andere Internetseite die Privatadressen der AfD-Kandidaten für die Landtagswahl am 8. Oktober. Außerdem werden Versammlungsorte oder auch Restaurants benannt, die von ihnen besucht werden. Beim Klick auf die Profile der Kandidaten erscheinen zudem bewertende Kurzbiografien. Eine interaktive Landkarte funktionierte nach Angaben der Ersteller "noch nicht richtig".
Antifa: "Räume streitig machen"
Zur Begründung der Aktion heißt es auf der Seite, die rechtsextreme Ausrichtung der AfD werde "in ihrer Programmatik, den Äußerungen von FunktionärInnen und den Verstrickungen zu faschistischen Gruppen und Verlagen tagtäglich sichtbar". Auch die Wahl von AfD-Politikern zum Landrat oder zum Bürgermeister in Thüringen zeige, "wohin die Reise gehen kann".
Es sei gefährlich, sich mit der Partei nach den Spielregeln des Parlamentarismus zu befassen. Und weiter: "Es ist längst überfällig, die Partei und ihre handelnden Individuen entschlossen zu bekämpfen."
Ziel ist es demnach, den AfD-Kandidaten "Räume streitig zu machen, in denen sie sich wie selbstverständlich bewegen, unbehelligt fühlen und in Sicherheit wähnen". Die Rechtfertigung lautet: "Ob Restaurant, Verein oder Arbeitsplatz: Wer andere aufgrund eines rassistischen, antisemitischen, sexistischen und queerfeindlichen Weltbildes ausschließen, einsperren oder entsorgen will, sollte sich über Gegenwehr und Ausschluss nicht beklagen."
AfD-Landeschef: "Als wäre man vogelfrei"
Ein Sprecher der AfD kündigte auf Anfrage rechtliche Schritte an. Man werde den Staatsschutz einschalten.
"Das fühlt sich an, als würde man für vogelfrei erklärt werden", lautet der Kommentar des AfD-Co-Landesvorsitzenden und Landtagsabgeordneten Andreas Lichert. Er nennt die Antifa-Aktion in einer schriftlichen Stellungnahme "im wörtlichen Sinne brandgefährlich" und fügt hinzu: "Ich weiß, wovon ich spreche, denn gegen mein Haus wurde bereits ein Anschlag verübt." Gerade wer Familie habe und in der AfD aktiv sei, habe Grund zu großer Sorge.
Auf dem Profil, das die Antifa von ihm veröffentlicht hat, wird Lichert selbst von seinen Gegnern als "weiterer extrem rechter Akteur" charakterisiert, der nach der Landtagswahl gewiss wieder im Parlament "seine menschenverachtende Ideologie verbreiten will". In seinem Fall wie dem anderer AfD-Kandidaten nennt die Internetseite neben der Adresse auch ein Autokennzeichen.
Landesverband bestreitet rechtsextreme Ziele
Lichert gehörte dem inzwischen offiziell aufgelösten und vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem bewerteten "Flügel" rund um den thüringischen AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke an. Der 47-Jährige aus Bad Nauheim (Wetterau) bestreitet den Vorwurf, er verfolge verfassungswidrige Ziele.
In Hessen wird die AfD-Jugendorganisation "Junge Alternative“ vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall systematisch beobachtet. Der AfD-Landesverband dagegen klagt gegen die im Herbst 2022 angekündigte Beobachtung. Sie wurde vom Verwaltungsgericht Wiesbaden vorläufig untersagt.
Kritik an anderen Parteien
"Das dröhnende Schweigen der selbsterklärten 'demokratischen Parteien' ist ein schäbiges Messen mit zweierlei Maß", heißt es in Licherts Stellungnahme. Das bezieht sich darauf, dass AfD-Einrichtungen und Politiker schon häufiger Zielscheibe linker Angriffe wurden.
Die AfD hat wiederholt kritisiert, dass die Mitglieder der anderen Landtagsfraktionen sich lediglich dann gegen Hass und Hetze gewendet hätten, wenn sie sich nicht gegen die AfD richteten. "Die Antwort echter Demokraten kann nur glasklare und unzweideutige Ablehnung jeglicher politischer Gewalt sein, ganz egal gegen wen", schreibt Lichert nun.
Wiederholt Sachbeschädigungen
Bei der Antifa handelt es sich nach Darstellung des Bundesverfassungsschutzes um keine klar umrissene bundesweite Organisation. Sie ist in lokale Gruppen gegliedert. Als "Antifaschistische Aktion" verüben aus dem autonomen Umfeld linksextreme Gewalttäter sogenannte "Gegenaktionen" gegen ihrer Meinung nach "faschistische" Personen, Gruppen oder Einrichtungen. Das sind Sachbeschädigungen, Brandanschläge oder körperliche Angriffe.
Bei den bisherigen Attacken gegen die AfD in Hessen handelte es sich um Sachbeschädigungen zum Beispiel gegen Häuser von AfD-Politikern und deren Familien sowie um Brandanschläge auf Autos. Häufig waren die Taten mit Bekennerschreiben der Antifa verbunden.
So war es auch, als 2019 kurz nach dem erstmaligen Einzug der Partei in den Landtag Unbekannte am Haus Licherts Scheiben einschlugen, die Fassaden mit Farbe befleckten und auf die Garage "Faschist" schrieben. Die Polizei sprach von einer "vermutlich politisch motivierten Straftat". Auch die Häuser weiterer AfD-Landtagsabgeordneter wie Frank Grobe oder Volker Richter wurden mit Farbe besprüht.
Sendung: hr-iNFO, 8.8.2023, 19 Uhr
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