Empörung über Rede von Mutter des getöteten Sedat Gürbüz Hanauer Koalition will Gedenken an Terroropfer künftig begrenzen
Kurz nach dem Gedenken an die Opfer des Terroranschlags vor fünf Jahren gibt es großen Ärger in Hanau. Die Rathaus-Koalition will ähnliche Veranstaltungen künftig nicht mehr zulassen. Sie zeigte sich empört über die Rede der Mutter des getöteten Sedat Gürbüz.
Nach einer Rede einer Angehörigen zum Gedenken an die neun Opfer des rassistischen Anschlags von Hanau ist ein Streit mit der kommunalen Koalition entbrannt. In einer gemeinsamen Mitteilung kündigten CDU, SPD und FDP am Freitag an, künftig "derlei Gedenkveranstaltungen" nicht mehr abzuhalten.
"Das künftige Gedenken", so hieß es in der Mitteilung, sei "in kleinerem Rahmen durchzuführen".
Emis Gürbüz: "Deutschland und Stadt Hanau schulden mir ein Leben"
Emis Gürbüz, die Mutter des getöteten Sedat Gürbüz, hatte am Mittwoch beim zentralen Gedenken am 5. Jahrestag des rassistischen Terroranschlags gegen die Stadt Hanau schwere Vorwürfe erhoben.
Unter anderem hielt sie der Stadt die Hauptverantwortung an den Morden vor: "Der Mörder hatte Briefe geschrieben, doch die Stadt Hanau ignorierte sie. Die Stadt wusste, dass die Notausgangstür verschlossen war, und unternahm [nichts]", so Gürbüz. "Deutschland und die Stadt Hanau schulden mir ein Leben."
Vorwurf vernachlässigter Pflichten
"Hätte die Stadt ihre Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt, wären diese neun Kinder heute noch am Leben", hatte die Mutter weiter gesagt. Sie warf der Stadt zudem vor, aus den Projekten zur Erinnerung an den Anschlag Gelder zu kassieren. "Auch die heutige Veranstaltung wird mit dem Geld finanziert."
Ein Denkmal gebe es dagegen auch fünf Jahre nach der Tat immer noch nicht. Sie könne die Entschuldigungen von Vertretern der Stadt und der Landesregierung nicht annehmen.
Koalition: "Gedenkveranstaltung missbraucht"
Die Rede sei "eine Ohrfeige für alle Familien, die trotz ihrer Trauer wieder zurück ins Leben finden wollen, den Blick in die Zukunft richten und sich engagieren, damit Hass und Hetze in unserer Gesellschaft keinen Platz haben", hält die Koalition der Angehörigen jetzt entgegen.
"Frau Gürbüz hat mit ihren Aussagen am 19. Februar leider genau das Gegenteil betrieben. Sie hat die Gedenkveranstaltung missbraucht, um rückwärtsgewandt zu spalten und die schreckliche Tat zu instrumentalisieren", sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Pascal Reddig.
"Initiative 19. Februar" kritisiert Mitteilung der Koalition
Die Koalition wirft Gürbüz zudem vor, anlässlich einer Rede bei der Berlinale geäußert zu haben, "dass sie Deutschland, Hanau und den Oberbürgermeister hasse". In der taz wies Gürbüz das zurück. Laut der Zeitung bestätigten weitere Gäste der Premiere des Films "Das Deutsche Volk", dass eine solche Äußerung nicht gefallen sei.
Die Fraktionsvorsitzende der Hanauer SPD, Ute Schwarzenberger, appellierte in Richtung der Opfer-Angehörigen: "Ich wünsche Frau Gürbüz die Kraft, ihren Hass zu überwinden, um sich künftig respektvoll zu äußern."
Die "Initiative 19. Februar", die sich nach dem Anschlag 2020 gegründet hatte, reagierte am Samstag mit großer Enttäuschung auf das Statement der Hanauer Rathaus-Koalition. "Wir sind entsetzt und enttäuscht, dass die Worte einer Betroffenen zum Anlass genommen werden, über die Erinnerung an den rassistisch motivierten Anschlag von Hanau zu entscheiden", hieß es in einem Statement auf Instagram.