Gießen Ermittlungen gegen ehemalige Oberbürgermeisterin Grabe-Bolz

Die Staatsanwaltschaft Gießen ermittelt gegen die frühere Oberbürgermeisterin Grabe-Bolz wegen des Verdachts der Untreue. Anlass sind möglicherweise überhöhte Zahlungen der Stadt für die Behandlung minderjähriger Geflüchteter. Auch ihr Ehemann soll als Zahnarzt so abgerechnet haben.

Porträt von Dietlind Grabe-Bolz
Dietlind Grabe-Bolz, ehemalige Oberbürgermeisterin von Gießen (Archivfoto). Bild © Imago Images
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Bild © hessenschau.de/ Arne Bartram| zur Audio-Einzelseite
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Knapp zwei Jahre nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die SPD-Politikerin Dietlind Grabe-Bolz. Es geht darum herauszufinden, ob die Stadt unter ihrer Führung "pflichtwidrig auf eine Rückforderung der etwaig überhöhten Zahlungen an Ärzte verzichtet hat", sagte ein Sprecher der Behörde auf hr-Anfrage.

Die Ermittlungen fußen demnach auf einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Koblenz aus dem Jahr 2019. Danach hätte die Stadt zu viel bezahlte Arzthonorare für unbegleitete minderjährige Ausländer, sogenannte umAs, zurückfordern müssen.

Die Stadt Gießen soll einzelnen Ärzten, Zahnärzten und Psychotherapeuten die Behandlung von umAs statt mit dem einfachen Kassensatz mit dem für Privatpatienten vorgesehenen 2,3-fach höheren Satz vergütet haben. Auch der Ehemann von Grabe-Bolz soll mit dem privatärztlichen Satz abgerechnet haben. Er ist Zahnarzt. Entsprechende Rechnungen liegen dem hr vor. Auf Fragen dazu hat der Zahnarzt bislang nicht geantwortet.

Strafanzeige nach langem Streit

Hintergrund der Ermittlungen ist ein seit 2021 tobender Streit in der Gießener Stadtpolitik über die Kostenerstattung der Stadt für junge Geflüchtete. Vorläufiger Höhepunkt des Streits ist die Anzeige aus den Reihen der oppositionellen Freien Wähler und der Fraktion Gigg + Volt.

"Wir haben alles versucht, um die aus unserer Sicht zu hohen Zahlungen für die Stadt wieder zurückzubekommen", so Lutz Hiestermann von der Fraktion Gigg + Volt. Doch letztendlich seien er und seine Mitstreiter als ehrenamtliche Stadtverordnete an ihre Grenzen gestoßen. "Nun müssen Hauptamtliche ran, um das zu klären", begründet Hiestermann seinen Schritt, zur Staatsanwaltschaft zu gehen.

Revisionsamt verweigert grünes Licht

Ihre Anzeige baut auf dem aktuellen Bericht des Revisionsamts auf. Die Rechnungsprüfer der Stadt verweigerten Anfang 2021 dem Magistrat die Zustimmung für den Jahresbericht 2018. Sie monieren unter anderem die aus ihrer Sicht zu hohen Behandlungskosten für die umAs und verlangen vom Magistrat, zu viel bezahlte Gelder von den Ärzten zurückzufordern.

Doch der von Grünen, SPD und der Gießener Linken getragene Magistrat hält die Abrechnungen für korrekt und hat bislang keinen Anlass gesehen, das Geld zurückzufordern. Zu den aktuellen Entwicklungen kann der Magistrat laut einer Sprecherin "keine Stellung nehmen, da der von Ihnen geschilderte Sachverhalt der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens hier nicht bekannt ist".

Auch Dietlind Grabe-Bolz lägen keine Informationen darüber vor, so die Sprecherin. Die Ermittlungen richten sich nicht nur gegen die ehemalige Oberbürgermeisterin, sondern auch andere, nicht näher benannte Personen.

Richter halten Kassensatz für angemessen

Hiestermann von Gigg + Volt sieht sich in seiner Rechtsauffassung von dem Urteil des OVG Koblenz bestätigt. Es ging in dem Urteil um die Frage, ob medizinische Leistungen für minderjährige Geflüchtete kassen- oder privatärztlich abgerechnet werden dürfen.

Vorausgegangen war dem Urteil ein Streit zwischen Gießen und einer rheinland-pfälzischen Kommune über die Behandlungskosten eines minderjährigen Geflüchteten. Dieser war zunächst in Gießen untergebracht. Nachdem er der rheinland-pfälzischen Kommune zugewiesen worden war, wollte Gießen den höheren privatärztlichen Satz von der Kommune zurückerstattet haben. Doch die weigerte sich zu zahlen und bekam vom OVG Recht.

In letzter Instanz entschied das Gericht. "Die Frage, ob sich die Krankenhilfe für in Obhut genommene Minderjährige, die unbegleitet nach Deutschland eingereist sind, an den Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen zu orientieren hat, lässt sich anhand der gesetzlichen Bestimmungen ohne weiteres beantworten", heißt es im Urteil.

Laut Revisionsamt fehlen für 5,2 Millionen Euro Belege

Doch in dem Streit zwischen Opposition und Magistrat geht es nicht nur um möglicherweise zu hohe Kosten für die medizinische Versorgung von Geflüchteten. Offen ist auch, wofür 5,2 Millionen Euro verwendet wurden, die das Jugendamt der Caritas Gießen für die Betreuung von umAs bezahlt hat. Aus Sicht des Revisionsamts fehlen bislang die Belege, wofür das Geld ausgegeben wurde. Das ist einer der Gründe, warum die Rechnungsprüfer dem Jahresbericht 2018 ihre Zustimmung verweigert haben.

Nach hr-Informationen tauchen die Millionenzahlungen auch in der Strafanzeige auf. Wie die Staatsanwaltschaft erklärt, lehnte sie in diesem Punkt aber die Aufnahme von Ermittlungen ab. Günter Helmchen von den Freien Wählern, der die Anzeige erstattet hat, will jedoch nicht locker lassen. "Wir werden weiter dranbleiben, um aufzuklären, wofür das Geld der Stadt verwendet wurde".

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Quelle: hessenschau.de