Ausstellung in Fulda Wie die Europäische Union unser Leben beeinflusst
In Arbeit und Bildung, Freizeit und Shopping oder Gesundheit und Sicherheit: Die EU durchdringt viele Lebensbereiche. 26 Menschen berichten vor der Europawahl in einer Ausstellung in Fulda über ihre Erfahrungen im Alltag. Neben Lobeshymnen gibt es auch kritische Töne.
Elena Martou ist Fan von Europa. Die 29-Jährige stammt aus Griechenland und lebt seit vier Jahren in Fulda. An der dortigen Hochschule hat sie ihren Abschluss gemacht, den Master in Interkultureller Kommunikation und Europa-Studien. Nebenbei engagiert sich Martou für Ukraine-Flüchtlinge in Fulda.
Sie sagt: "Kulturelle Vielfalt ist für mich keine Theorie, sondern persönliches Anliegen." Europäische Identität spiegele sich in den verschiedenen Kulturen, Sprachen und Perspektiven. "Vielfalt und Integration sind die Voraussetzung für ein harmonisches Zusammenleben in Europa."
Ausstellung anlässlich Europawahl am 9. Juni
Martou ist das Gesicht der neuen Sonderausstellung im Vonderau Museum. Sie lächelt von Plakatwänden und von Flyern. Damit wird auf die Schau mit dem Titel "Europa, Fulda und Ich" hingewiesen. Martou ist auch mit großformatigem Porträt und einem Statement zu Europa in der Foto-Ausstellung zu sehen.
Neben Martou sind noch 25 weitere Menschen vertreten. Keine Promis, aber interessante Persönlichkeiten. Sie alle legen dar, wie die Europäische Union (EU) und die Idee eines vereinten Europas ihren Alltag beeinflusst. Egal, ob bei Arbeit, Freizeit, Einkaufen, Gesundheit, Reisen, Bildung, Sicherheit oder anderen Themen.
Anlässlich der Europawahl am 9. Juni stellt die Foto-Ausstellung Menschen aus der Region Fulda und ihre Verbindungen zur EU in Porträt-Aufnahmen in den Blickpunkt. Alle haben - beruflich oder privat - verschiedene Berührungspunkte mit der EU, ihrer Politik und ihren Bestimmungen. Die Porträtierten erzählen von ihren Erlebnissen und Perspektiven. Museumsleiter Frank Verse erklärt zur Intention der Schau: Man wolle verdeutlichen, wo Europa den Alltag der Menschen betreffe.
"Jahrzehnte des Friedens und überflüssige Grenzen"
Zu den Porträtierten zählt etwa Wolfgang Hautumm. Der 70 Jahre alte Archäologe und Reiseveranstalter sagt: "Europa, das heißt für mich: Jahrzehnte des Friedens und überflüssige Grenzen." Dass dieser über Jahrzehnte währende Frieden nicht selbstverständlich ist, zeigt sich jedoch seit Russlands Überfall auf die Ukraine im Februar 2022.
Die Freizügigkeit ist für Patrick Hartung ebenfalls ein Thema. "Die EU hat sowohl privat als auch beruflich großen Einfluss auf mein Leben. Im Schengen-Raum kann ich reisen, ohne einen Reisepass vorzuzeigen", sagt der 35 Jahre alte Lebensmittel-Einkäufer. "Dem EU-Binnenmarkt verdanken wir ein vereinfachtes Warengeschäft und Handel mit der gleichen Währung."
Von solchen Vorteilen profitiert auch Maria Arresta. Die Gastronomin erklärt: "Wir beziehen unsere Produkte direkt aus Spanien ohne zusätzliche Hürden oder Steuerbelastungen." Durch gemeinsame Standards im EU-Binnenmarkt könne sie sich auf ihre Aufgabe als Gastgeberin konzentrieren.
Einfluss von EU-Bestimmungen aufs Arbeitsleben
Der Gewerkschafter Berthold Leinweber sieht berufsbedingt den Einfluss der EU aufs Arbeitsleben. "Sie legt Mindeststandards fest, unter anderem bei den Themen Arbeitszeitregelung, Kündigungsschutz, Gleichbehandlung und Gesundheitsschutz."
Marcel Mayka hebt als Berater einer Verbraucher-Zentrale die Gesetze aus der Branche hervor, die auf EU-Ebene vorbereitet werden, für vergleichbare Standards sorgen und Rechtsrahmen geben. "Davon profitieren Verbraucherinnen und Verbraucher, wenn sie im europäischen Ausland online einkaufen." Für den 30-Jährigen sei es nicht nur von Berufs wegen selbstverständlich, europäisch zu denken und am 9. Juni wählen zu gehen.
Monika Ebertowski, die Leiterin der Kunststation Kleinsassen, sagt auf ihrer Zitat-Tafel: "Interkulturelle Begegnungen haben mein Leben reich gemacht." Sie könne mit Kunstschaffenden aus Europa problemlos zusammenarbeiten und die europäische Idee im Kulturbereich weitertragen.
Nicht nur Jubel-Arien, sondern auch Kritik
Doch die Ausstellung will nicht nur Jubel-Arien eine Bühne geben, sondern auch kritischen Stimmen Raum geben. Einige der 26 zitierten und porträtierten Protagonisten nannten auch, was ihnen an der EU und am Leben in Europa missfällt.
Patrick Hartung sieht das Einstimmigkeitsprinzip in der EU-Politik kritisch. Es hat den Nachteil, dass jeder einzelne Stimmberechtigte ein Veto-Recht hat und einen Beschluss durch Ablehnung blockieren kann. Wichtige Themen, findet Hartung, würden dadurch nicht geregelt, nationale Ziele stünden im Vordergrund. "Ich wünsche mir, dass Europa noch enger zusammenwächst und wir so globale Themen wie die Flüchtlingskrise besser überstehen werden."
Die 18 Jahre alte Schülerin und Aktivistin Frauke Goldbach hat ein anderes Anliegen: "Ich wünsche mir ein Europa, das keine Unterschiede zwischen Frauen und Männern macht - ein Europa, in dem ein 'Nein' für eine Strafverfolgung ausreicht." Sie hält eine Reform des Sexualstrafrechts für nötig.
Ärger über Bürokratie - Kritik willkommen
Nicht fehlen darf in der Liste der EU-Schwächen natürlich auch die viel kritisierte Bürokratie. Lkw- und Omnibusfahrer Michael Spranger nennt ein Beispiel: "Jedes Land hat allerdings eigene Gesetze der Einfuhr, separate Abrechnungen der gefahrenen Kilometer und unterschiedliche Straßenbenutzungsgebühren - ein wahnsinniger bürokratischer Aufwand!"
Thomas Berger vom Informationszentrum Europe Direct Fulda kann den Ärger nachvollziehen. "Man braucht kritische Stimmen zur Weiterentwicklung der EU. Sonst wird sie auch nicht besser. Das ist ein Prozess, 'work in progress' sozusagen."
Was man mit der EU verbindet, können sich Besucher nach der Ausstellung selbst fragen. Am Ende gibt es einen Spiegel, der zur Interaktion einlädt. In den kann man schauen bei der Beantwortung der Frage: Was bedeutet Europa für mich?
Sendung: hr-iNFO, 06.03.2024, 12.46 Uhr
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