FDP-Spitzenkandidatin Isabel Schnitzler Die Entrümplerin
33 Jahre jung, Rechtsanwältin, aus Frankfurt: Spitzenkandidatin der hessischen FDP bei der Europawahl ist Isabel Schnitzler. Sie will Europa einfacher machen und sagt: Für jede neue Belastung müssen zwei andere abgebaut werden.
Manche Politiker lieben es, die eigene Geschichte mit einer Botschaft zu verweben. FDP-Chef Christian Lindner etwa führte zeitweise gerne seine Erfahrung als junger Unternehmer an, um die Herausforderungen für Gründer in Deutschland zu illustrieren.
Die Geschichte von Isabel Schnitzler geht so: Als Kind habe sie häufig Aufräumen gespielt, sie habe alles geordnet und dann ausgemistet. Gegenstände, die keine Freude bereiteten, konnten weg.
Aus diesem Motiv ist ein politisches Programm erwachsen. Isabel Schnitzler will die Europäische Union entrümpeln.
"Europa. Einfach. Machen"
Die 33 Jahre alte Frankfurterin ist Spitzenkandidatin der hessischen FDP für die Europawahl am 9. Juni. Sie wendet sich gegen "Überregulierungen", will Bürokratie in der EU abbauen und sich für die Vereinfachung staatlicher Vorgaben einsetzen.
"Ich will es den Bürgern leichter, übersichtlicher machen, für jede neue Belastung müssten zwei Belastungen abgebaut werden", sagt sie. Auf einem ihrer Wahlplakate steht: "Europa. Einfach. Machen."
Think big
In einem Interview vor den Kommunalwahlen 2021 wurde Schnitzler einmal gefragt, wie sie gesehen werden wolle. Sie wolle als Macherin gelten, sagte sie damals. Zu dieser Zeit saß sie noch in einem Frankfurter Ortsbeirat. Kurze Zeit später wählten die Frankfurter sie ins Stadtparlament. Seitdem ist sie dort Sprecherin ihrer Partei für Diversität, Bildung, Frauen und Europa.
Ortsbeirat - Stadtparlament - nun Europaparlament? "Europametropole Frankfurt. Think big", war bei der Kommunalwahl ihr Motto. Damals ging es ihr darum, das Potential der Stadt auszuschöpfen. Der Wahlspruch könnte auch für sie selbst stehen.
Die 33-Jährige wuchs in Idstein (Rheingau-Taunus) auf, die Mutter eine spanische Krankenschwester, der Vater ein Musiker. Irgendwann hatte die Familie so viel gespart, um sich ein kleines Häuschen zu leisten. "Sie haben sich das alles selbst erarbeitet", betont Schnitzler.
Die Tochter macht Abitur und studiert Jura in Frankfurt, Freiburg und im spanischen Salamanca. Seit 2021 arbeitet sie in Frankfurt als Rechtsanwältin.
Sie gilt als "Allzweckwaffe" der Liberalen
Bei den Liberalen im Römer gilt sie als "Allzweckwaffe". Sie spricht über Grundschulen, Tagesfamilien, Sexarbeitende oder wie an diesem Donnerstagabend Anfang Mai noch kurz vor 23 Uhr über die geplante Städtepartnerschaft Frankfurts mit der ukrainischen Stadt Lviv (früher Lemberg).
Die Stadtverordneten sind nach sieben Stunden Parlaments-Marathon schon leicht fahrig, da spricht Schnitzler über Frieden, Freiheit und Menschenrechte, über Solidarität, Wiederaufbau und kulturellen und wirtschaftlichen Austausch.
Als Kolleginnen und Kollegen von der Linken und der SPD nicht aufhören zu tratschen, fragt sie: "Störe ich Sie?" und fordert sie schließlich auf "rauszugehen". Das wirkt angriffslustig, aber auch ein bisschen genervt. Minuten vor ihrer Rede hatte Schnitzler erfahren, dass sie auf dem FDP-Europaparteitag den Fragen des NDR-Satiremagazins "extra3" aufgesessen war.
"Europa stärken, wo es sinnvoll ist"
Dort auf dem Bundesparteitag Ende Januar in Berlin hatte sie in ihrer Bewerbungsrede ihre Vorstellung von Europa umrissen. Das Ziel müsse sein, Europa dort, wo es sinnvoll ist, zu stärken. "Dort, wo es nicht sinnvoll ist, müssen wir den Mut haben, die Mitgliedsstaaten in eigener Kompetenz Entscheidungen treffen zu lassen", sagte sie.
Verteidigung, Klima und Migrationen - das sind für sie die Themen, bei denen die EU gestärkt werden sollte. Wenn sie von Freiheit spricht, dann vor allem von der Freiheit von Waren, Dienstleistungen, Arbeit und Kapital. "Wirtschaft liebt Freiheit so wie Du", steht auf einem anderen aktuellen Wahlplakat.
So lehnt die Liberale auch die Einführung einer verpflichtenden EU-Sozialtaxonomie ab, also die Verpflichtung von Unternehmen, bei Investitionen auf soziale Aspekte wie Menschenrechte und Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu achten. "Wir müssen darauf achten, dass nicht noch mehr Bürokratie und Unsicherheiten geschaffen und Unternehmen zusätzlich belastet werden", erläutert die Rechtsanwältin.
Bei Landtagswahl gescheitert
Es ist Schnitzlers zweiter Wahlkampf innerhalb weniger Monate. Auch bei der Landtagswahl im Oktober war sie für die Liberalen ins Rennen gegangen. Sie kandidierte für den Wahlkreis Frankfurt III.
In ihrer ersten Rede im Landtag wolle sie Vorschläge machen, wie Fachkräftezuwanderung ohne Bürokratie funktionieren könne, sagte sie damals im Kandidatencheck auf hessenschau.de - ein Thema, mit dem sie auch beruflich zu tun hat. Schnitzler ist Rechtsanwältin im Arbeitsmigrationsrecht.
Den Einzug in den Landtag in Wiesbaden schaffte die Liberale dann aber doch nicht. Die FDP knackte gerade so mit Ach und Krach die Fünf-Prozent-Hürde.
Neben Entbürokratisierung ist Migration ihr zweites großes Thema in diesem Europa-Wahlkampf. "Wir brauchen eine Migrationspolitik, die einerseits irreguläre Migration eindämmt und die Kommunen vor dem Kollaps bewahrt und andererseits den Blick auf die Einwanderung von Fachkräften richtet", sagt sie.
Mit diesen beiden Schwerpunkten wählten die Delegierten des FDP-Parteitags sie in Berlin auf Platz sechs der Bundesliste - mit für eine Newcomerin guten 78 Prozent der Stimmen. Damit hat Schnitzler nicht ganz unrealistische Chancen in der nächsten Legislaturperiode ihr Projekt der Entrümpelung der EU-Bürokratie im europäischen Parlament anzugehen.
Die Liberalen müssten am 9. Juni aber zulegen. Mit ihren 5,4 Prozent bei der letzten Wahl konnten sie fünf Abgeordnete ins Europaparlament schicken. Ende Mai lagen die Umfragen der Liberalen allerdings eher bei 4 Prozent.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 05.06.2024, 19.30 Uhr
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