Erste Reaktionen auf AfD-Erfolg bei Europawahl Fehlersuche statt Freude, Schuldzuweisungen statt Selbstkritik
Fast mehr als mit dem eigenen Wahlergebnis befassen sich die Vertreter hessischer Parteien am Sonntagabend mit dem guten Abschneiden der AfD.
Sven Simon konnte mit dem Ergebnis zufrieden sein. Als am frühen Sonntagabend kurz nach 18 Uhr die erste Prognose zur Europawahl den Frankfurter Römer erreichten, stand fest, dass seine CDU als die mit Abstand stärkste Partei aus diesem Urnengang hervorgehen würde.
"Wenn sich das bestätigt, dass wir in Hessen sechs Prozentpunkte dazugewonnen haben , ist das ein Abend, der uns freut", sagte der hessische CDU-Kandidat für das Europa-Parlament dem hr.
"Wir brauchen einen europäischen Aufbruch, wir wollen ein sicheres Europa, dass wir selbst verteidigungsfähig werden", ergänzte Simon ganz im Sinne des Wahlprogramms seiner Partei. Dann aber gleitet das Gespräch gleich über zu dem Ergebnis, das den Wahltriumph seiner Partei an diesem Abend in den Schatten stellt: das starke Abschneiden der AfD.
Sorgen und Schuldzuweisungen
Dass die vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall geführte Partei bundesweit auf Platz zwei landet, bereite ihm Sorge. So Simon. "Die AfD ist eine Partei, die verächtlich ressentimentgetragenes Denken hat, sie sind ja sogar zu rechtsradikal für die Rechtsradikalen in Europa und rausgeflogen aus der Fraktion. Dass sie in Ostdeutschland offenbar die stärkste Kraft sind, muss uns anspornen. Wir müssen den Wählern bei der Bundestagswahl ein Angebot unterbreiten."
Der CDU-Mann vermied es Schuldige für den Erfolg der Rechtsaußenpartei zu benennen. Ganz im Gegensatz zum hessischen SPD-Spitzenkandidaten Udo Bullmann. Er gab der Europäischen Volkspartei (EVP) - der auch CDU und CSU angehören - eine Mitschuld am Erstarken rechter Kräfte. EVP-Parteien in Mitgliedsstaaten wie Schweden, Finnland und Italien bildeten schließlich Regierungen mit Hilfe von Rechtsradikalen. Er kündigte an, der "Demontage Europas durch Menschenhass und der Spaltung unserer Gesellschaft" entschieden entgegenzutreten.
Die ehemalige Fraktionsvorsitzende der Linken im hessischen Landtag, Elisabeth Kula, indes holte auf X (ehemals Twitter) zum Rundumschlag aus und nahm Union, Sozialdemokraten und Grüne gleichermaßen in Mithaftung für den AfD-Erfolg: "Seit Jahren werden die Themen der Rechten rauf- und runtergenudelt, die CDU übernimmt ihre Rhetorik und auch SPD und Grüne knicken in der Migrationsfrage immer weiter ein. Dann wundern wir uns, dass die AfD so stark wird. Es braucht glaubwürdige Antifaschist*innen."
Lichert: "Werden starke Stimme sein"
Bei der AfD zeigt man sich zufrieden. Andreas Lichert, Co-Landessprecher in Hessen, kündigte in einer ersten Stellungnahme an, dass seine Partei "eine starke Stimme im EU-Parlament sein" werde - trotz des jüngsten Rauswurfs aus der Rechtsaußen-Fraktion Identität und Demokratie (ID).
Seine Partei habe sich als zweitstärkste Kraft in Deutschland etabliert, betonte Lichert. "Das weist bereits auf die kommende Bundestagswahl hin und muss bei den anderen Parteien endlich zu einem Umdenken und sach- und demokratiegerechten Umgang mit der AfD führen."
Selbstkritik bei Grünen
Abseits des Lamentos über den Wahlerfolg des AfD, übten sich die Wahlverlierer der Ampelkoalition durchaus auch in Selbstkritik. In der ARD kündigte der Frankfurter Bundestagsabgeordnete und Co-Vorsitzende der Grünen Omid Nouripour an, die Ergebnisse in den kommenden Tagen genau zu analysieren und Lehren ziehen zu wollen. "Das ist enttäuschend, aber ein Auftrag für die nächsten Wahlen, damit wir Dinge besser machen."
Die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP habe "bei allem irritierenden Streit auf offener Bühne" viele gute Ergebnisse gezeigt. Es gelte, die "weltanschaulichen Differenzen" mit etwa der FDP zu respektieren und um Lösungen zu ringen.
SPD-Spitzenkandidat Udo Bullmann verwies derweil darauf, dass die Sozialdemokraten trotz "eines völlig unbefriedigenden Ergebnisses in Deutschland" die zweitstärkste Kraft im Europäischen Parlament stellen werden. Ziel müsse es daher sein, "eine pro-europäische Koalition für soziale Sicherheit und ökologischen Fortschritt zu zimmern", sagte er am Sonntag nach der ersten Hochrechnung.
FDP-Kandidatin verpasst Einzug ins EU-Parlament
Trotz des etwas schwächeren Abschneidens im Vergleich zur letzten Europawahl herrschte bei der FDP in Hessen am Sonntagabend Erleichterung vor. Denn die stabilen fünf Prozent, die sich bereits früh am Abend abzeichneten, waren ein deutlich besseres Ergebnis als in den meisten Vorwahlprognosen vorhergesagt.
Für die hessische FDP-Kandidatin Isabel Schnitzler bedeutete das Ergebnis allerdings eine Hängepartie ohne Happy End. Am Ende verpasste sie den Sprung ins Europaparlament mit Listenplatz sechs knapp, laut vorläufigem amtlichen Endergebnis errang die FDP nur fünf Mandate.
Sendung: hr-iNFO, 10.06.2024, 6.00 Uhr
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