Untersuchungsausschuss zur Entlassung von Staatssekretärin? Messari-Becker zeigt Flagge, dem Minister verschlägt es die Sprache
Der Streit über die Entlassung der parteilosen Staatssekretärin Messari-Becker spitzt sich zu. Wegen unbeantworteter Fragen gerät auch CDU-Kultusminister Schwarz im Landtag unter Druck. Die Opposition droht mit einem Untersuchungsausschuss.
Kultusminister Armin Schwarz (CDU) hat sich von keiner Staatsekretärin getrennt. Er hat der Betroffenen auch nicht in aller Öffentlichkeit unterstellt, sie habe sich ein "nicht hinnehmbares Fehlverhalten" geleistet.
Trotzdem war es Schwarz, der am Donnerstag im Kultusausschuss des Wiesbadener Landtags wegen des Streits um die von seinem Kabinettskollegen Kaweh Mansoori (SPD) entlassene Wirtschaftsstaatssekretärin Lamia Messari-Becker Rede und Antwort stehen musste. Dabei geriet er zusehends unter Druck.
Das ging so weit, dass es Schwarz am Ende völlig die Sprache verschlug, bevor er durch eine Hintertür den Saal verließ, weil er Fragen von Journalisten aus dem Weg gehen wollte. Ob vor den Abgeordneten oder dem hr-Mikrofon: Er sagte gar nichts mehr - nicht einmal, dass er nichts mehr sagen wolle.
Grüne toben
Die Grünen dagegen fanden deutliche Worte: Der CDU-Minister habe den Landtag "in bisher noch nie dagewesener Art und Weise missachtet", sagte ihr Abgeordneter Sascha Meier. Seine Fraktion hatte vom Kultusminister vor allem wissen wollen, wie die Schulverwaltung in die Entlassung involviert war.
Genüsslich rieben die Grünen Schwarz unter die Nase, dass ihm das der Wirtschaftsminister eingebrockt habe. Hintergrund: SPD-Mann Mansoori hatte in seiner Befragung durch den Wirtschaftsausschuss Fragen mit dem Hinweis abgeblockt, er sei ja nicht der Kultusminister.
Denn es sollen Angaben eines Schulleiters gewesen sein, welche die Versetzung Messari-Beckers in den einstweiligen Ruhestand ins Rollen brachten. Der Mann soll berichtet haben, dass die 51-Jährige bei einem Elterngespräch über das Abitur eines ihrer Kinder ungebührlich mit ihrem Posten in der Regierung Druck ausgeübt habe.
Messari-Becker geht juristisch gegen Entlassung vor
Die Ex-Staatssekretärin bestreitet das kategorisch: Nach Informationen des hr von Samstag hat sie inzwischen Widerspruch gegen die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand eingelegt.
Bekannt ist, dass die prominente parteilose Wissenschaftlerin schon kurz nach Amtsantritt im Februar im Ministerium in Konflikte geriet. Vor allem mit dem federführenden ersten Staatssekretär Umut Sönmez (SPD) lief es nicht, einem Weggefährten des Ministers schon aus Juso-Zeiten.
Der Verdacht der Opposition: Hier wollte ein Minister einen Grund finden, eine unliebsam gewordene, selbstbewusste Fachfrau loszuwerden. Mansoori machte geltend, es gehe um seine moralischen Ansprüche an engste Mitarbeitende. Das Merkwürdige an der Angelegenheit: Von Rechts wegen hätte er gar keine Begründung für die Entlassung nennen müssen, weil es die im Fall politischer Beamter nicht braucht.
Verdutzter Staatssekretär
Dass sie gewillt ist, um ihren Ruf zu kämpfen, machte Messari-Becker selbst am Donnerstag mit einem Auftritt deutlich: Ohne Begleitung eines Anwalts nahm sie hinten im Saal Platz, um als schweigende Zuhörerin die Ausschussdebatte zu verfolgen. Vorne am Podium wies ein sichtlich verdutzter Kultus-Staatssekretär Manuel Lösl (CDU) tuschelnd den Minister auf den Überraschungsgast im roten Anzug hin.
In einem Punkt brachte Schwarz dann Licht in die Sache: Zum ersten Mal legte die Landesregierung dar, dass "ein Schulleiter" einen "Sachstandsbericht“ über das fragliche Elterngespräch verfasst habe.
Über den Inhalt sagte Schwarz zwar nichts. Der Schutz der Persönlichkeitsrechte habe schließlich "oberste Priorität“. Aber er trug vor, dass sein Haus die Sache juristisch unerheblich fand. "Schulrechtlich" habe man keine Relevanz festgestellt, weshalb der Bericht laut Minister beim Schulamt ad acta gelegt wurde.
Allerdings informierte, wie Schwarz sagte, sein Staatssekretär Lösl den Parteifreund und Staatskanzleichef Benedikt Kuhn. Der habe dann das Wirtschaftsministerium unterrichtet. Verwundert hakte der FDP-Abgeordnete Moritz Promny nach: Warum das geschehen sei, wenn kein Vergehen festgestellt wurde? Antwort des Kultusministers: Es sei schließlich um eine hochrangige Regierungsbeamtin gegangen.
"Staatskrise" und "schrille Töne"
Völlig in Rage gerieten Grüne und FDP, als der Kultusminister nicht einmal den zeitlichen Verlauf klären und verraten wollte, wann das Schreiben des Schulleiters beim Kultusministerium einging. Eine "Staatskrise" erkannte Grünen-Politiker Daniel May darin, dass die Regierung derart verfassungsmäßig garantierte Rechte des Parlaments missachte.
Als "schrille Töne von schlechten Verlierern" wertete das wiederum Lisa Gnadl, parlamentarische Geschäftsführerin der SPD. Ihre Fraktion hat die Grünen Anfang dieses Jahres als Juniorpartnerin der CDU in der Regierung abgelöst.
Wunde Punkte
Die Opposition hat aber noch weitere wunde Punkte im Umgang mit der Ex-Staatssekretärin ausgemacht. Hatte Messari-Becker ausreichend Gelegenheit, Ihre Sicht der Dinge darzulegen? Wie gelangte das Wirtschaftsministerium überhaupt an die Aussagen des Schulleiters? Wurden dabei die Persönlichkeitsrechte der Ex-Staatssekretärin gewahrt?
So fragten die Grünen, ob es stimme, dass sich das Wirtschaftsministerium tatsächlich direkt mit dem Schulleiter über das Elterngespräch ausgetauscht habe. Fragen zu einem solchen Austausch zwischen Wirtschaftsministerium und Schulleitung über Messari-Becker hatte der hr bereits am Dienstag den Betroffenen gestellt. Dabei steht nicht zuletzt im Raum, ob alles korrekt zuging und der Dienstweg eingehalten wurde - oder ob bei der Suche nach Belastungsmaterial unzulässig geschnüffelt wurde.
Kultusministerium und Schulleiter antworteten, dass sie darauf nicht antworten. Das Wirtschaftsministerium verweigerte eine inhaltliche Stellungnahme mit der Begründung, dass es sich um eine vertrauliche Personalangelegenheit handele. Das gelte auch "für die Art und Weise der Kommunikation zwischen Ministerium und einer nicht unmittelbar unterstellten nachrangigen Behörde". Zudem betont das Mansoori-Ministerium, es selbst habe ein Elterngespräch bei der Personalie Messari-Becker nicht ins Spiel gebracht.
SPD versteht Debatte nicht
Im kultuspolitischen Ausschuss hatte die Debatte nach Meinung der CDU/SPD-Koalition gar nichts zu suchen. Der Unionspolitker Christian Wendel stellte sich mit dem Hinweis vor seinen Kultusminister: Die Debatte zeige der Opposition doch, "dass Sie sich mit Fragen an die Beteiligten richten müssen". SPD-Parlamentarierin Nina Heidt-Sommer warf den Kritikerin den Versuch vor, "politisches Kapital aus einer Personalentscheidung zu schlagen".
Das überzeugt die Gegner kein bisschen. "Das alles hilft uns nicht, zu denken, dass das alles mit rechten Dingen zugegangen ist" – so fasste die Grünen-Abgeordnete Kaya Kinkel am Ende die Lage aus ihrer Sicht zusammen. Keiner der Oppositionsparteien will den Auftritt von Schwarz auf sich beruhen lassen, nachdem sie vor kurzem im Wirtschaftsausschuss bereits SPD-Minister Mansoori vorgeworfen hatten, in der Sache zu mauern.
Klage, U-Ausschuss, Entschuldigung
Grüne und FDP bringen nun neben der möglichen Einrichtung eines Untersuchungsausschusses auch eine Klage auf Akteneinsicht beim Hessischen Staatsgerichtshof ins Spiel. Einen Untersuchungsausschuss hält auch die AfD für geboten, wie ihr Abgeordneter Heiko Scholz sagte.
Für die Liberalen ist eines aber schon klar: Mansoori müsse sich öffentlich bei seiner ehemaligen Staatsekretärin entschuldigen. "Die Ehre von Frau Messari-Becker muss wiederhergestellt werden", erklärte Fraktionschef Stefan Naas. Der Wirtschaftsminister habe sich "maximal falsch verhalten" und die Landesregierung noch immer keine Beweise für das vorgeworfene Fehlverhalten vorgelegt.