Parteitag der Hessen-FDP in Hofheim Eine knappe Kampfabstimmung und viele harte Worte
Die hessische FDP hat bei einem Parteitag in Hofheim ihr Scheitern bei der Bundestagswahl aufgearbeitet und sich personell neu sortiert. Bei der Wahl des Vorsitzenden kam es zu einem Duell mit Seltenheitswert - und das endet äußerst knapp.
Nach dem Aus der Ampel-Bundesregierung und dem Scheitern der Partei bei der Bundestagswahl hat sich der hessische FDP-Landesverband an der Spitze neu aufgestellt. Ein Parteitag in Hofheim wählte den Frankfurter Thorsten Lieb am Samstag zum Vorsitzenden.
Es ging äußerst knapp zu. Der 52 Jahre alte früherer Bundestagsabgeordnete erhielt in einem zweiten Wahlgang 152 von 300 Delegiertenstimmen – das sind 50,7 Prozent. Lieb, der mit der gesamten Fraktion bei der Wahl im Februar aus dem Bundestag ausschied, setzte sich gegen den Landtagsabgeordneten und bisherigen Generalsekretär Moritz Promny durch.
Es war die erste Kampfkandidatur seit 47 Jahren um die ehrenamtlichen Führung der Landespartei. Im ersten Wahlgang hatte Lieb 146 Stimmen bekommen, Promny kam auf 136.
"Unfassbar steiler Weg"
In seiner Bewerbungsrede rief Lieb zum Optimismus auf. Er sei "felsenfest überzeugt", dass es die FDP wieder zurück in den Bundestag schaffen werde, sagte er. Bei der zunächst anstehenden Kommunalwahl 2026 könne sie das gute Ergebnis vom vorigen Mal erreichen oder übertreffen. Auch bei der Landtagswahl 2029 sollen die Liberalen stärker werden. Sie hatten den Wiedereinzug ins Wiesbadener Landesparlament vor eineinhalb Jahren mit 5,0 Prozent nur gerade so eben geschafft.
Dafür müsse die Partei aber gründlich reformiert werden. In den Prozess müssten alle Mitglieder eingebunden werden. "Wir haben einen unfassbar steilen Weg vor uns", sagte er.
Die FDP müsse eine Entlastungspartei sein: bei Steuern, Bürokratie und Eingriffen in das persönliche Leben und in die Meinungsfreiheit. Vor allem für eine Wirtschaftswende und die Rückkehr zur Marktwirtschaft werde die Partei gebraucht. Beim Werben für Freiheit sei es aber nötig, empathischer und sympatischer als zuletzt aufzutreten.
Lieb ist Anwalt und Partner einer Wirtschaftskanzlei in Frankfurt. Zum neuen Generalsekretär wählte die Delegierten auf Vorschlag des neuen Vorsitzenden dessen früheren Bundestagsfraktionskollegen Alexander Müller. Er erhielt 65,5 Prozent. Zu stellvertretenden Vorsitzenden wurden die beiden Co-Fraktionschefs Wiebke Knell (77,6 Prozent) und Stefan Naas (65,1 Prozent) gewählt.
Applaus im Stehen für Stark-Watzinger
Die bisherige Landesvorsitzende Bettina Stark-Watzinger hatte nach der Bundestagswahl ihren Rückzug angekündigt. Sie übernahm damit die Mitverantwortung für das Scheitern der Ampel-Koalition, in der sie Bildungsministerin war, sowie für das Bundestagswahlergebnis.
"Unsere Partei braucht jetzt Veränderungen und neue Personen", sagte Stark-Watzinger, die den Landesverband seit 2021 geführt hatte. Die Zeit schreie geradezu nach einer liberalen Partei, sagte sie und befand: Die FDP hätte früher aus der Bundesregierung aussteigen sollen. Die 56-Jährige aus Bad Soden (Main-Taunus) wurde mit Beifall im Stehen verabschiedet.
Viel Kritik
Eine lebhafte, mehr als zweistündige Aussprache war geprägt von teils heftiger Kritik am Zustand der FDP. Im Mittelpunkt stand das Agieren der Bundespartei vom Beginn der Ampel-Koalition bis zu ihrem Ende und dem schließlich misslungen Bundestagwahlkampf. Fast ausnahmslos forderten die Redner, daraus müsse die FDP entschieden Konsequenzen ziehen.
Viele warnten vor Flügelkämpfen und forderten mehr Mitgliederbeteiligung. Juli-Landeschef Tim Hordorff, den Promny für den Fall seines Erfolgs als Generalsekretär vorgeschlagen hätte, beklagte: Die FDP habe in der "Berliner Blase" sich selbst und ihre Inhalte vergessen. Die Partei stehe "mit dem Rücken zur Wand".
Wie er forderte auch der Landtagsabgeordnete Oliver Stirböck, die Liberalen müssten klarer für die eigenen freiheitliche Inhalte eintreten. "Die Fehler der anderen reichen nicht aus", sagte er. Die FDP dürfe sich auch nicht so viel mit sich selbst und Personaldebatten befassen.
Zu viele "Totalausfälle", zu wenig Frauen?
Der frühere Vize-Landesvorsitzende Lasse Becker vermisste, dass seine Partei intern jene Meinungsvielfalt und auch Digitalisierung vorlebe, die sie nach außen für die Gesellschaft vertrete. Ähnlich der Frankfurter Florian Möller. Nicht nur er verlangte außerdem, das Leistungsprinzip bei Personalentscheidungen stärker anzuwenden. Seiner Meinung nach gibt es zu viele "Totalausfälle" in Funktionen.
Gabriele Schorn, Co-Vorsitzende der Liberalen Frauen in Hessen, und andere Delegierte kritisierten: Frauen und deren Anliegen spielten in der FDP eine viel zu geringe Rolle. Auch auf den kursierenden Listen für die Vorstandswahl hätten sich kaum weibliche Bewerber befunden. Das sei "armselig", hieß es.