"Massive Täuschung" Land zieht Konsequenzen aus Löhnberger Finanzskandal
Die finanzielle Schieflage der Gemeinde Löhnberg sorgt seit Monaten für Unmut und starke Kritik an der bisherigen Haushaltsführung. Nun hat der Fall auch Konsequenzen auf landespolitischer Ebene.
Wie konnte es so weit kommen und welche Konsequenzen zieht der Finanzskandal im mittelhessischen Löhnberg (Limburg-Weilburg) nach sich?
Im Mai war bekannt geworden, dass die Gemeinde ihre Rechnungen teilweise nicht mehr zahlen kann und seit Jahren dem Rechnungsprüfungsamt des Kreises keine prüffähigen Jahresabschlüsse vorgelegt hatte. Bürgermeister Frank Schmidt (SPD) war danach zunächst monatelang krankgeschrieben und wurde schließlich in den vorzeitigen Ruhestand versetzt.
Seit November werden die Finanzen von einem Staatsbeauftragten geführt, den das Regierungspräsidium (RP) eingesetzt hat. Die Folgen der Misere für die rund 4.700 Bewohnerinnen und Bewohner: stark gestiegene Gebühren und Steuerabgaben.
Ein "einzigartiger" Fall: Falschangaben und ihre Folgen
Das RP Gießen bewertete die Vorgänge in Löhnberg auf hr-Anfrage nun als "absolut außergewöhnlich" und "einzigartig". Die Gemeinde hatte über Jahre hinweg falsche Angaben gemacht, was das RP nun als "massive Täuschung" der Gemeindegremien und Bürgerinnen und Bürger bezeichnete.
Die Behörde selbst war nach eigenen Angaben im Herbst 2023 von der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Kommune überrascht worden. Bis dahin war das RP aufgrund der Angaben Löhnbergs davon ausgegangen, dass die Gemeinde zu diesem Zeitpunkt über 1,4 Millionen Euro an freien Mitteln verfügte – ein Wert, der sich später als falsch herausstellte.
Tatsächlich war die Liquidität zu diesem Zeitpunkt bereits nahezu ausgeschöpft. Laut RP habe es zuvor keine Hinweise gegeben, die Zweifel an den Zahlen gerechtfertigt hätten.
Kommunikationslücke zwischen Instanzen
Dass die falschen Angaben so lange unentdeckt blieben, lag offenbar an einer bisherigen Lücke in der Kommunikation zwischen den Kontrollinstanzen: Landkreis Limburg-Weilburg und RP Gießen.
Dem Rechnungsprüfungsamt des Landkreises waren ab 2017 keine prüffähigen Jahresabschlüsse mehr vorgelegt worden. Die Revision fragte zwar bei der Gemeinde nach, informierte aber das Regierungspräsidium, dessen Aufgabe es ist, die Haushalte zu genehmigen, nicht darüber.
Das RP wiederum wusste nach eigenen Angaben nichts von den fehlenden Schlussberichten. Es genehmigte die Haushalte auf Basis von Angaben der Gemeinde im kommunalen Meldesystem, die sich nun als falsch erwiesen – was auf schwerwiegende Versäumnisse in der Führung der Gemeindeverwaltung hinweist.
Der Landkreis erklärte: Die Revision habe keine Kenntnis von den Einträgen im kommunalen Meldesystem. Man hätte deshalb keine Hinweise an das RP geben können. In den eigenen Prüfungsabläufen sieht der Landkreis daher keine Fehler.
Neue Regeln für Haushaltsgenehmigungen
Das hessische Innenministerium reagierte nun mit einer Anpassung im Finanzplanungserlass 2025 auf die Vorgänge in Löhnberg.
Bisher war es - wie im Fall Löhnberg - durchaus erlaubt, Haushalte auf Grundlage von Meldesystemdaten zu genehmigen, ohne dass vollständig geprüfte Jahresabschlüsse vorlagen. Dies ermöglichte es Kommunen, finanzielle Missstände zu verschleiern.
Der aktuelle Finanzplanungserlass sieht nun vor, dass Haushaltsgenehmigungen nur noch bei vollständig zur Revision eingereichten Jahresabschlüssen erteilt werden. Gemeinden müssen dies nun durch Bestätigungen des zuständigen Rechnungsprüfungsamts nachweisen.
Einfluss auf zukünftige Reformen
Die Vorkommnisse in Löhnberg seien Anlass gewesen, "die Verwaltungsabläufe im Erlass zu präzisieren", so das Ministerium auf hr-Anfrage. Sowohl RP Gießen als auch Kreis Limburg-Weilburg begrüßen die Änderung.
"Gegebenenfalls wäre man bei Anwendung der neuen Erlassregelungen zu anderen Entscheidungen bei Haushaltsgenehmigungen gekommen", so der Landkreis.
Zusätzlich will das Ministerium im Rahmen der anstehenden Kommunalrechtsnovelle prüfen, ob die Vorgaben zur Vorlage von Jahresabschlüssen an die Gemeindevertretung noch weiter präzisiert werden müssen.
Löhnberg als Sonderfall in Hessen
Tatsächlich haben offenbar viele kleinere, verwaltungsschwächere Kommunen Schwierigkeiten, fristgerechte Jahresabschlüsse zu erstellen. Rückstände von mehr als fünf Jahren seien laut RP nicht unüblich. Dies sei "nicht gut". Es sei aber kein Grund, Kommunen grundsätzlich nicht zu vertrauen. Man gehe davon aus, dass sie gegenüber dem RP nicht "mit Wissen und Wollen falsche Angaben machen", so das RP.
Sowohl das Regierungspräsidium als auch das Innenministerium bezeichnen den Fall Löhnberg inzwischen als beispiellos. Die Gemeinde sei derzeit die einzige in Hessen, die unter Aufsicht eines Staatsbeauftragten steht.
Was wusste Gemeindevertretung?
Die Gemeinde Löhnberg hat laut RP Gießen über Jahre hinweg falsche Daten im kommunalen Meldesystem hinterlegt, damit sei auch die Gemeindevertretung Löhnbergs getäuscht worden.
Mitglieder der damaligen Gemeindevertretung berichteten dem hr: Auch ihnen seien falsche Zahlen kommuniziert worden. Außerdem habe ihnen die Verwaltung gesagt, dass geprüfte Jahresabschlüsse vorliegen. Überprüfen lässt sich das nicht.
Ob die jahrelangen Falschangaben im kommunalen Meldesystem als Betrug zu werten sind, wollte das Innenministerium auf Anfrage nicht bewerten. Auch die Staatsanwaltschaft hat sich hierzu bisher nicht geäußert.