"Viel heiße Luft" Kritik an Posecks Vorstoß zu Syrien-Abschiebungen

Nach dem Sturz Assads spricht Innenminister Poseck von einer "Chance" für Abschiebungen nach Syrien. Der Flüchtlingsrat findet seinen Vorstoß unrealistisch und populistisch. EKHN-Präsident Jung nennt die Diskussion "beschämend".

Eine syrische Fahne ist unscharf im Vordergrund, dahinter sind Demonstranten zu sehen mit Fahnen
Jubelnde Syrer bei einer Demonstration zum Sturz des Assad-Regimes in Syrien in Hamburg. Bild © picture-alliance/dpa

Der syrische Machthaber Bashar al-Assad ist ins Exil nach Russland geflüchtet, islamistische Kämpfer und andere Rebellengruppen haben den Machtwechsel erzwungen. Eine Chance, findet Innenminister Roman Poseck (CDU) - und zwar für künftige Abschiebungen nach Syrien.

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Freude bei Syrern in Hessen nach dem Sturz Assads

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Poseck: Interesse an Rückführungen und Abschiebungen

Nachdem am Wochenende hunderte Syrer in Hessen auf die Straße gingen, um das Ende des Terrorregimes unter Assad zu feiern, sagte Poseck am Montag dem hr: "Wir haben ein hohes Interesse, Flüchtlinge wieder in ihre Heimat zurückzuführen, freiwillig oder im Rahmen von Abschiebungen."

Mit dem Assad-Regime sei keine Kooperation möglich gewesen - offenbar hofft Poseck nun, dass sich das unter den neuen Machthabern ändert.

Die Vorsitzende des Verbands deutsch-syrischer Hilfsvereine (VDSH), Nahla Osman, kritisierte den Vorstoß. Mit den Diskussionen um Rückführungen verbreite sich bei den Menschen eine Angst, das sei einfach nicht tragbar.

"Syrien ist nicht sicher, für keinen von uns." Es sei wirklich traurig, dass man Menschen, die hier Hoffnung hätten auf ein Leben in Sicherheit, aufgrund der bevorstehenden Bundestagswahlen verunsichere.

Ein Schock sei auch, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) an diesem Montag einen vorübergehenden Entscheidungsstopp für aktuell noch laufende Asylverfahren syrischer Staatsbürger verhängt habe, sagte die Deutsch-Syrerin, deren Eltern aus Aleppo stammen und die in Rüsselsheim als Rechtsanwältin tätig ist.

EKHN-Präsident: "beschämend, kurzsichtig, unklug"

Deutliche Kritik an Abschiebe-Forderungen aus der Politik äußerte der Präsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Volker Jung. "In dieser Situation als Erstes Abschiebungen von Schutzbedürftigen zu fordern, ist beschämend, kurzsichtig und politisch außerordentlich unklug", sagte Jung laut EKHN-Mitteilung vom Dienstag.

Syrerinnen und Syrer in Deutschland bräuchten nun vor allem Sicherheit und Zeit, um in Ruhe über ihre Zukunftsperspektiven entscheiden zu können. "Hilfreich wäre dafür auch, wenn sie zwischen Deutschland und Syrien reisen könnten, ohne Sanktionen oder aufenthaltsrechtlichen Folgen fürchten zu müssen", sagte Jung. So könnten sie Angehörige unterstützen und den Wiederaufbau fördern.

Flüchtlingsrat: "Viel heiße Luft"

Auch Timmo Scherenberg vom Hessischen Flüchtlingsrat kritisiert den Vorschlag des Innenministers und bezeichnet ihn als "viel heiße Luft". Er argumentiert, dass die aktuelle Lage in Syrien unklar sei und viele syrische Geflüchtete in Deutschland über sichere Aufenthaltstitel verfügen, die sie vor Abschiebungen schützen. Dies gelte insbesondere für Personen mit unbefristeten Aufenthaltsgenehmigungen oder solche, deren Verfahren beim BAMF noch laufen.

Scherenberg betont, dass lediglich befristete Aufenthaltstitel beendet werden könnten. Für eine Abschiebung müsse das BAMF in jedem Einzelfall prüfen, ob ein sogenanntes Widerrufsverfahren möglich sei. Dies setze voraus, dass sich die Verhältnisse in Syrien für die betroffene Person grundlegend und dauerhaft geändert haben, sodass eine Rückkehr in Sicherheit und Würde möglich ist. Gegen solche Entscheidungen könnten die Betroffenen zudem klagen.

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Syrer in Hessen

Nach Angaben des Statistischen Landesamts lebten Ende 2023 mehr als 62.000 Syrerinnen und Syrer in Hessen, der Frauenanteil lag bei 41 Prozent. 

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Kritik an "populistischem" Vorstoß

Der Vorstoß des Ministers sei deswegen schlicht "populistisch", sagt Scherenberg und schüre nur Unsicherheit in der syrischen Community. Der Vorstoß gehe an der Realität vorbei: "Die CDU versucht seit zwei Jahren auf dem Feld der Flüchtlingspolitik mit harten Slogans zu punkten."

In der praktischen Umsetzung würden die Forderungen scheitern: Jährlich würden insgesamt nur rund 20.000 Menschen aus verschiedenen Ländern abgeschoben, sagt Scherenberg. Die Frage sei, wie man nun Hunderttausende Syrer abschieben wolle - und wer auf der syrischen Seite aktuell überhaupt der Verhandlungspartner sein solle, kritisiert Scherenberg.

Viele Syrer seien als Arbeitskräfte wichtig für das Land, sagt Scherenberg: "Es wäre nicht im Interesse der Wirtschaft, dieses Land braucht diese Menschen." Statt sich Gedanken zu machen, wie man sie loswerden kann, solle man lieber Pläne machen, wie man die Menschen hier halten könne.

Freiwillige Rückreise wird längst unterstützt

Neben Poseck forderten auch andere CDU-Politiker, die Heimkehr von Geflüchteten zu unterstützen. So sagte Unionsfraktionsvize Jens Spahn bei RTL/ntv: "Ich würde in einem ersten Schritt mal sagen, wir machen ein Angebot. Wie wäre es, wenn die Bundesregierung sagt: Jeder, der zurück will nach Syrien, für den chartern wir Maschinen, der bekommt ein Startgeld von 1.000 Euro."

Scherenberg weist darauf hin, dass es bereits seit Langem das REAG/GARP-Programm des BAMF gibt, das freiwillige Ausreisen fördert. Dieses Programm bietet nicht nur 1.000 Euro Starthilfe, sondern übernimmt auch Reise- und Transportkosten sowie bei Bedarf medizinische Unterstützung. Hessen ist an diesem Programm beteiligt.

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Quelle: hessenschau.de