Städtepartnerschaft Frankfurt-Tel Aviv Ein Freundschaftsbesuch in schwierigen Zeiten
Was können die Partnerstädte Frankfurt und Tel Aviv voneinander lernen? Beim Besuch einer Delegation um Oberbürgermeister Mike Josef sollte es um Themen wie Wohnungsbau und Integration gehen. Aufwühlend wurden Gespräche mit Geisel-Familien. Eindrücke eines besonderen Besuchs.
Er weiß, dass sein erster Besuch in Tel Aviv keine einfache Reise wird, dennoch ist Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) schon kurz nach der Landung am vergangenen Freitag mehr als optimistisch. Gleich die ersten Gespräche seien sehr intensiv gewesen, viel intensiver als das per Telefon oder Videoschalte möglich sei.
Treffen mit Geisel-Angehörigen
Am zweiten Tag ihrer viertägigen Reise in die israelische Partnerstadt holt die Realität des Krieges in Gaza die 18-köpfige Delegation ein. Angehörige der Geiseln berichten über die fürchterlichen Details der Massaker und der Geiselnahme am 7. Oktober 2023.
Alon Gat stockt immer wieder die Stimme, wenn erzählt, wie er zufällig im entscheidenden Moment nicht bei seiner Familie im Kibbuz nahe des Gaza-Streifens gewesen sei. Seine Frau und seine Schwester wurden entführt. Seine Frau sei inzwischen freigelassen worden, die Schwester aber immer noch in den Händen der Terroristen.
Der Besuch aus Deutschland ist ihm wichtig. "Der Oberbürgermeister und die Delegation können Menschen überzeugen", sagt er, "um mehr Druck auf die Hamas auszuüben, für eine Verhandlungslösung zur Befreiung meiner Schwester und der anderen Geiseln. Dies kann ein Weg sein, meine Schwester und die anderen herauszuholen."
Gespräche mit Geisel-Familien wühlen auf
Die Mitglieder der Delegation sind sichtlich betroffen und Mike Josef braucht nach diesem Gespräch erst einmal eine Pause. Er geht allein über den sogenannten Geiselplatz, hört Musikern zu, muss sich sammeln. Auf dem Platz vor dem Kunstmuseum wird seit Monaten auf das Schicksal der Hamas-Geiseln aufmerksam gemacht.
"Es geht einem sehr nahe", sagt Josef stockend. "Es sind die Details, die Geschehnisse, die Schicksale, die Einzelschicksale. Sie von Angesicht zu Angesicht so zu hören, was am 7.Oktober passiert ist."
Auf dem Platz haben die Angehörigen eine Art Tunnel aufgebaut, der beim Durchgehen den Menschen ein Gefühl geben soll, wie es den Geiseln ergehen könnte, die vermutlich seit Monaten auch unterirdisch in Gaza gefangen gehalten werden. Mike Josef lässt diese Station aus. Dies sei zu emotional nach dem Treffen mit den Angehörigen.
Der Vizepräsident der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung, Christof Rosenbaum, geht nach anfänglichem Zögern aber hindurch und kommt sehr betroffen wieder hinaus. "Man kann einfach nicht nachvollziehen, welches Leid die Geiseln ertragen", sagt er. "Ich kann einfach nur bewundern, was die Familien für eine Stärke haben." Dieses Gefühl wolle er mit nach Deutschland nehmen und auch dort erzählen.
Arabisch-jüdisches Projekt - ein Ort der Hoffnung
In Jaffa, inzwischen ein Vorort von Tel Aviv, hat die Reisegruppe einen wunderbaren Blick auf die Skyline, Sonne, Meer und den Strand. Und dennoch: 70 Kilometer von hier entfernt tobt der Krieg. Hier sind sie stolz auf das jüdisch-arabische Miteinander. Umso größer war das Schweigen, die Verunsicherung nach dem 7. Oktober. Die einen haben Bekannte und Verwandte bei den Massakern in den Kibbuzim verloren, die anderen durch den anschließenden Krieg im Gaza-Streifen.
Jetzt versuchen Initiativen wieder das Miteinander zu beleben. Die Hessen besuchen das arabisch-jüdische Gemeindezentrum. Hier wollen sie mit deutscher Unterstützung dafür sorgen, dass sich gerade jüdische und arabische Jugendliche begegnen. Eine bewundernswerte Sisyphos-Arbeit, meint der mitreisende Jumas Medoff von der Kommunalen Ausländer-Vertretung (KAV) der Stadt Frankfurt.
Mike Josef und die Dezernentin für Internationales, Eileen O‘Sullivan (Volt), werden sofort zum Brotteig kneten gebeten. Der Oberbürgermeister, selbst aus Syrien stammend, hat die Hände tief im Teig und sichtlich Spaß. Er spricht mit den Kindern arabisch.
Zwei Kommunen wollen zusammenarbeiten
Am nächsten Tag ein Treffen mit Bürgermeister Ron Huldai und seinem Team. 79 Jahre alt, ein Routinier, seit 26 Jahren Tel Avivs Bürgermeister und gerade zum sechsten Mal wiedergewählt. Sie stehen beisammen und gedenken gemeinsam an der Stelle, an der 1995 Jitzchak Rabin erschossen wurde. Der Ministerpräsident war die Friedenshoffnung des liberalen Israels.
Auf der Reise geht es aber auch um Austausch in der Kommunalpolitik. Ganz konkret nennt Mike Josef vier Themen: bezahlbarer Wohnraum, öffentlicher Nahverkehr. In Tel Aviv wird momentan eine zweite U-Bahn-Linie gebaut. Aber auch Fragen der Nachhaltigkeit, Klima-Ziele und Anpassungsstrategien werden diskutiert.
Zwei Städte - ähnliche Herausforderungen
Auch bei den Themen Migration und Integration stellen die beiden Stadtoberhäupter gleiche Herausforderungen fest. "Unsere beiden Städten sind von ihren Werten und den Strukturen durchaus auch sehr ähnlich", sagt Josef.
Zum Schluss eines langen Tages treffen sie auf einer Kommunal-Messe Staatspräsidenten Jitzchak Herzog. Und man nimmt Herzog ab, dass er sich wirklich über den Besuch der Frankfurter in diesen schwierigen Zeiten freut.
"Ich glaube", sagt Marc Grünbaum von der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, "es ist ein ganz wichtiges Zeichen, dass diese Reise jetzt stattfindet. Wir sehen es ja auch an den Reaktionen, wie sehr es die Leute schätzen, dass wir als Frankfurter hier sind und Solidarität zeigen."
Nach zwei übervollen Besuchstagen ist sich Mike Josef sicher: Solidarität mit der Partnerstadt heißt auch in solchen Zeiten zusammenzustehen. Der Oberbürgermeister will wiederkommen.
Redaktion: Caroline Wornath
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 10.06.2024, 16.45 Uhr