Riederwaldtunnel: So zerpflückt Al-Wazir den Offenen Brief seiner Parteifreunde
Die Frankfurter Grünen fordern in einem Offenen Brief einen Baustopp für den umstrittenen Riederwaldtunnel in Frankfurt. Der grüne Verkehrsminister Al-Wazir steht allerdings hinter dem Bauprojekt – und lässt die Argumente seiner Parteifreunde an sich abprallen.
Mit ihrem Offenen Brief bringen die Frankfurter Grünen ihren Parteifreund Tarek Al-Wazir in Erklärungsnot. Der Verkehrsminister der schwarz-grünen Landesregierung tritt klipp und klar für den Bau des Riederwaldtunnels im Frankfurter Osten ein. So steht es im Koalitionsvertrag von CDU und Grünen. Was aber Al-Wazirs Frankfurter Parteifreunde jetzt zu Papier gebracht haben, passt nicht zur Linie der Landes-Grünen. In dem Offenen Brief hatten sie Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) aufgefordert, den Bau des Tunnels aus Gründen des Klima-, Arten- und Lärmschutzes vorläufig zu stoppen.
Erst versuchte Al-Wazir dem Thema auszuweichen: Als der hr am Donnerstag um ein Interview bat, blockte er ab. Nicht er, sondern die Bundesregierung sei für den Tunnelbau zuständig – was formal stimmt. Am Freitag schließlich beantwortete sein Ministerium eine schriftliche Anfrage des hr. Die Antwort ist eindeutig: Die Argumente der Frankfurter Grünen werden größtenteils auseinandergenommen.
Vier Seiten mit Argumenten gegen den Tunnelbau
Doch wie argumentieren die Frankfurter Grünen? Auf vier Seiten listen sie Punkte auf, warum der Tunnelbau gestoppt werden müsse. Zuerst geht es um Artenschutz, unter anderem um die Bechsteinfledermaus. Dann um Lärmschutz – da sehen die Grünen noch Handlungsbedarf. Vorher dürfe kein Wald für den Tunnel gerodet werden.
Und schließlich geht es um den Klimaschutz im Großen und Ganzen. Ein Autobahntunnel passe nicht mehr in die Zeit. 2031, wenn der Tunnel fertig sein soll, würden weniger Autos fahren als jetzt. Die Verkehrsprognose für den Tunnel stimme nicht mehr.
Ministerium: "Ausnahme vom Störungsverbot für Fledermäuse"
In allen drei Punkten hält Al-Wazirs Ministerium dagegen. Was die Bechsteinfledermaus angeht, gebe es für den Riederwaldtunnel "eine Ausnahme vom artenschutzrechtlichen Störungsverbot". Derzeit leben die Fledermäuse noch im Fechenheimer Wald – auch in dem Stück, das demnächst für den Riederwaldtunnel gerodet werden soll. Aber, keine Sorge, sagt das Ministerium: Die Autobahn GmbH schaffe beim Tunnelbau rund 70 Ausweichquartiere für die Flugtiere.
Beim Thema Lärmschutz räumt das Ministerium ein, dass die Planung noch nicht fertig sei. Autos dürften erst durch den Tunnel fahren, wenn für Lärmschutz gesorgt sei – darin stimmt Al-Wazir mit den Frankfurter Grünen überein. Der Baubeginn "ist jedoch nicht an diese Bedingung geknüpft". Anders gesagt: Die Motorsägen dürfen schon mal starten. Wenn der Tunnel eröffnet wird, stehen auch die Lärmschutzwände.
Auch die sogenannte Verkehrswende, also die Abkehr vom Verbrenner-Auto, sei kein Grund, den Tunnelbau zu stoppen. Al-Wazirs Verkehrsministerium hatte die Baugenehmigung für den Tunnel 2019 erteilt. Dabei sei es von den damals vorliegenden Verkehrsprognosen ausgegangen. Rechtlich sei das nicht zu beanstanden, betont das Ministerium. Und politisch könne nur noch die Bundespolitik etwas daran ändern, denn die ist für Autobahnbau zuständig.
Al-Wazir spielt Ball nach Berlin
Da, wo die Frankfurter Grünen also die Baugenehmigung angreifen, laufen sie bei Al-Wazir gegen die Wand. Die juristischen Einwände seiner Parteifreunde lässt er nicht gelten, er verteidigt die Arbeit seines Ministeriums als Genehmigungsbehörde. Und politisch spielt er den Ball nach Berlin.
Genau so hält es die Landtagsfraktion der Grünen. Eine Sprecherin erklärt auf hr-Anfrage: "Ein Moratorium für den Bau des Riederwaldtunnels kann nur vom Deutschen Bundestag beschlossen werden." Die Berliner Politik hat auf den Grünen-Vorstoß aus Frankfurt aber bisher kaum reagiert, und wenn, dann ablehnend, wie etwa der Frankfurter FDP-Abgeordnete Thorsten Lieb oder der SPD-Abgeordnete Kaweh Mansoori.
Sendung: hr-iNFO, 07.10.2022, 13 Uhr
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